"Verschlossene Weihnachtstüren" (Eduard von Keyserling)

"Verschlossene Weihnachtstüren" (Eduard von Keyserling)

Eine Erzählung aus dem Jahr 1907
24 Minuten
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Hochwertige Literatur, vorgelesen von professionellen Sprecherinnen und Sprechern

Beschreibung

vor 1 Tag

Zugegeben: Die Frauenfiguren in dieser Geschichte wirken auf den
ersten Blick recht naiv. Auf den zweiten ist die Lage allerdings
anders, wie so oft in der Literatur. Denn es sind eben die drei
weiblichen Figuren, die ihren jeweils eigenen Weg gehen, mit
Kurt, mit Alfred, mit Oskar – nur eben nicht mit Helmar, dem
Baron. Er sucht unentwegt feminine Gesellschaft, ständig aus „auf
die Gegenwart einer schönen Frau“. Und in der Geschichte scheinen
ja auch sämtliche Türen zu den Frauen anfangs geöffnet, denn sie
mögen und loben ihn für seine klugen, bedeutenden Worte. Eine
sammelt seine Aussprüche in einem Buch, der anderen wird gar
„schwindelig“ und sie fühlt sich „glücklich“, wenn sie Helmar
zuhört. Oha! Das Sprechen wird früh in dieser Erzählung an
körperliches Empfinden gekoppelt, Sprache wirkt wie an Erotik
gebunden, zumindest in der Wahrnehmung des Barons –
 zugleich an Ambivalenz und Verzicht. Denn Helmar muss bei
seinem ersten Weihnachtsbesuch Helenes Haus verlassen (er stört
den Ehemann), bei seinem zweiten Verenas Zuhause, weil sie mit
Alfred Weihnachten feiern möchte, ihrem neuen Verlobten – das
seien halt „so Familienereignisse“, sagt sie. Den zweimal
Abgelehnten, Ausgeschlossenen erfüllt nun „nur ohnmächtiger Zorn
gegen all die großen Worte, die er zwischen sich und diesem
schönen Mädchen (Verena) aufgetürmt hatte und die ihm den
einfachen, geraden Weg versperrten, den der gute Alfred gegangen
war“.


Dies ist eine für die Erzählung selbst zentrale Aussage! Dem
Baron wird denn auch bewusst, wie alleinstehend er ist. Selbst
sein Diener ist an diesem Weihnachtsabend bei seiner Freundin
samt Familie – eine Vorstellung, die Helmar anfänglich noch
amüsiert hatte. Doch da ist ja noch die blonde Marie, die in der
Weinstube. „Keiner würde dort seine großen Worte zitieren“,
glaubt er. „Das war es, wonach er sich sehnte.“ Doch auch bei
Marie kann er nicht bleiben. Da ist wieder ein anderer. Wenig
später, am Ende der Geschichte, sitzt Helmar „trübselig“ am
Tisch, allein mit seinem Wein.


Eduard von Keyserlings extrem eindrucksvolle Geschichte rund um
das Frau/Mann-Verhältnis in aristokratischen und bürgerlichen
Kreisen, um Sprache, Genuss, Erotik, Begehren, aber auch um
Überheblichkeit, Arroganz und den Wunsch nach Gemeinschaft wirkt
so eindrucksvoll, weil sie in ihrer diskreten, immer dezent
bleibenden Sprache exakt das offenbart und gewissermaßen
widerspiegelt, was der Hauptfigur im Weg steht zum eigenen Glück.
Die Erzählung bleibt in jenem Diskurs, den sie ihrem
Protagonisten zuschreibt. Große Kunst! Und was für ein Titel:
„Verschlossene Weihnachtstüren“! Dieser starke Text erschien
zuerst im Jahr 1907 und wird hier gelesen von Volker Drüke.

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