"Die Begegnung mit dem Toten" (Rudolf Borchardt)
Eine Erzählung aus dem Jahr 1928
23 Minuten
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Beschreibung
vor 2 Monaten
Eile, große Eile. Die Zeit wird knapp bis zum Treffen. Radfahrer,
die den Lauf stören, Autos, die den Weg versperren.
Großstadtgetümmel. Der Beginn der Erzählung „Die Begegnung mit
dem Toten“ wirkt realistisch, ist aber pseudo-realistisch, wie
wir bald bemerken. Denn nichts des anfangs Beschriebenen scheint
im Verlauf der Geschichte verlässliche Erzählwirklichkeit zu
sein. Wir Leserinnen und Hörer werden in einen so geschickt
gebildeten Sog gezogen, dass wir lange glauben, es handle sich um
eine Geschichte im üblichen Sinne. Doch dann ist es plötzlich
vorbei damit. Es setzt etwas Neues ein. Ein Traum, ein Tagtraum,
ein subjektives Sich-Herauslösen aus der objektiven Realität. Was
dann folgt, ist ein surrealistisch anmutendes Gespräch zweier
Leute, die einander zu kennen scheinen, doch jahrelang nicht
gesehen haben. Dieses Treffen des Erzählers mit dem Toten, der
„Gestalt“, die den Tod repräsentiert und symbolisiert, war
offenbar geplant, ja von Beginn an das Ziel des ganzen Gehens,
Geschehens gewesen. Dann wiederum wird das Sich-Lösen des
Erzählers aus der äußeren Wirklichkeit ersetzt durch die
Rückbindung an dieselbe – die Erzählung setzt da wieder an, wo
sie schon einmal war, doch die Umgebung hat sich verändert, der
Eingang des Buchladens, vor dem der Erzähler einst stand, ist
vermauert. Was ist das alles? Eine Nahtoderfahrung? Oder eine
Imagination, letztlich provoziert von dem „endlosen
Begräbniszug“, von dem zu Beginn zu lesen ist?
Literatur muss nicht ausgedeutet werden, sie wirkt in Szenen, die
uns in Erinnerung bleiben. Und all diese Szenen erzeugen, wenn
sehr gute Schriftsteller am Werk sind, ein Geflecht, ein Gewebe,
das alle Szenen zusammenhält und die Gesamtwirkung überhaupt erst
hervorbringt. In „Die Begegnung mit dem Toten“ wirken die
Erzählteile nie wie auseinandergerissen und dann banal wieder
zusammengepappt, sondern einheitlich. Und keine Szene in diesem
Werk wirkt künstlich, falsch, gewollt oder gemacht. Stattdessen
sehr bildhaft, so als wären wir dabei. Dies geht auf die
Fähigkeiten des Autors Rudolf Borchardt zurück, seine Sprache,
seinen Stil, sein Erzählvermögen, das eben eine sehr spezielle
Atmosphäre entstehen lässt. Der Text entstand im Jahr 1928 und
wird hier gelesen von Volker Drüke.
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