"Das Mädchen von Arles" (Alphonse Daudet)

"Das Mädchen von Arles" (Alphonse Daudet)

Eine Erzählung aus dem Jahr 1866
11 Minuten
Podcast
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Hochwertige Literatur, vorgelesen von professionellen Sprecherinnen und Sprechern

Beschreibung

vor 3 Monaten

Ach, all diese Selbstmorde in der Literatur! Goethes Werther und
Flauberts Madame Bovary sind zwei sehr berühmt gewordene
Suizid-Figuren, viele weitere folgten: Baudelaire (vgl. "Der
Strick" in diesem Podcast), Fontane, Hamsun, Hesse, Thomas Mann
bis hin zu Bernhard, Handke und Julian Barnes in unserer Zeit
schrieben über ausweglose Situationen solch unglücklicher
Menschen. Und noch viele mehr. Längst nicht so bekannt wie die
Werke dieser Autoren ist „Das Mädchen von Arles“, und auch sein
Autor – Alphonse Daudet –  gehört nicht zum Kreis der
berühmt gewordenen Schriftsteller. Daudet lässt hier einen
Knecht, den der Erzähler an einem wie verlassen wirkenden, aber
wohl noch bewohnten Haus trifft, die Geschichte um den
20-jährigen Jan erzählen – verliebt in eine Frau, die sich mit
„Samt und Spitze“ schmückt und anderen offenbar nicht geheuer
ist; sie gilt als „kokett“ und als „liederliche Person“. Jemand
streut Gerüchte über sie, erzählt Jans Vater von einer
stattgehabten eigenen Beziehung zu ihr. Der Vater spricht mit
seinem Sohn, und dann soll erst einmal Schluss sein mit der
Schwärmerei!! Doch Jan liebt sie noch immer: „Es wird mein Tod
sein, wenn ich sie nicht bekomme.“ Die Absolutheit der Jugend.
Und seine Mutter? Sie verspricht „mit nassen Augen“: „Höre, Jan,
wenn du sie trotz allem willst, werden wir sie dir geben ...“ Was
für ein mütterliches Versprechen! Der Vater ist entsetzt, Jan
wirkt fröhlich, spielt „den Lustigen“ für die Eltern, worauf der
Vater meint, der Junge sei nun „geheilt“. Die Mutter aber weiß
natürlich mehr über den Sohn. Väter gelten in der Literatur des
19. Jahrhunderts meist als rüde, grob, gefühllos, Mütter eher als
die verstehenden, emotionalen, empathischen Begleiterinnen ihrer
Kinder. Jans Mutter kämpft unentwegt um das Leben des Sohnes.
Vergeblich. Sie hört schließlich nur noch den Aufprall seines
Körpers nach dem Sprung aus dem Fenster.


Wenn Kinder vor den Eltern sterben, wirkt es auf diese
unnatürlich, wie dem eigentlichen Lauf der Dinge entgegengesetzt.
Wenn ein Kind freiwillig aus dem Leben scheidet, kommen die
Eltern erst einmal gar nicht auf solche Gedanken. Der Schock, das
Leiden, das Trauma der Überlebenden, vielleicht auch ein
Schuldgefühl, das sich dazugesellt, prägen das weitere Leben.
Jans Vater trägt denn auch die Kleider des Verstorbenen, die
Mutter geht seitdem täglich in die Messe. Das Schlussbild dieser
Erzählung zitiert die in der Kunstgeschichte seit dem 14.
Jahrhundert legendäre Pietà, die Schmerzensmutter, die ihren
verstorbenen Sohn auf dem Schoß oder in den Armen hält. In den
berühmten Skulpturen und Bildern heißen die Figuren Maria und
Jesus – hier ist es die Mutter mit ihrem Jan.


Die Erzählung erschien 1866. Es liest für uns Annette Hoppe, und
das sehr einfühlsam.

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