Die Christkind-Verschwörung: Warum wir unsere Kinder belügen
Jeder frischgebackene Vater startet mit diesem einen, fast schon
heiligen Vorsatz: „Ich werde mein Kind niemals anlügen.“ Wir malen
uns aus, wie wir jede noch so komplexe Frage der Welt in
kindgerechte Häppchen verpacken – ein bisschen Pipi-Kaka-Sprache
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18 Minuten
Podcast
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Ein Late Night Comedy Podcast. Gesellschaft, Politik, Klima, Alltag satirisch betrachtet, mit viel schwarzem Humor.
Je dunkler die Nacht, umso dunkler der Humor.
Beschreibung
vor 6 Tagen
Jeder frischgebackene Vater startet mit diesem einen, fast schon
heiligen Vorsatz: „Ich werde mein Kind niemals anlügen.“ Wir
malen uns aus, wie wir jede noch so komplexe Frage der Welt in
kindgerechte Häppchen verpacken – ein bisschen Pipi-Kaka-Sprache
hier, ein bisschen Gugugaga dort, aber im Kern bleibt es die
reine Wahrheit. Doch dann kommt das Leben dazwischen. Spätestens,
wenn man versucht, einem Vierjährigen den Klimawandel so ehrlich
zu erklären, dass man sich kurz darauf im Wartezimmer eines
Kinderpsychologen wiedersieht, merkt man: Die totale Ehrlichkeit
ist vielleicht doch nicht der Weisheit letzter Schluss. Manchmal
ist die Lüge einfach der bequemere Weg, um nicht ständig neue
existenzielle Krisen am Abendbrottisch verhandeln zu müssen.
Weihnachtstraditionen zwischen Magie und Notlüge
Besonders in der Vorweihnachtszeit mutieren wir Eltern zu
regelrechten Hochstaplern. Wir erschaffen ein riesiges,
strukturelles Lügengebilde aus Nikoläusen, Krampusse,
Weihnachtsmännern und Christkindern. Dabei stellt sich die fast
schon ketzerische Frage, ob unsere Traditionen und Religionen
eigentlich nur auf einem Fundament aus Flunkereien basieren. Wir
erzählen uns selbst, dass wir das alles für die Kinder tun, für
diesen magischen Glanz in ihren Augen. Aber wenn wir ehrlich
sind, belügen wir sie für uns selbst. Es ist schlichtweg herzig
anzusehen, wie sie ihre Wunschzettel schreiben – was uns nebenbei
den Stress erspart, uns wirklich mit ihren Interessen
auseinanderzusetzen. Wir brauchen die Lüge als Puffer, damit die
Kinder nicht merken, dass es eigentlich nur wir sind, die ihnen
etwas schenken wollen.
Die dunkle Seite der pädagogischen Lügen
Historisch gesehen hatte das Belügen der Kinder sogar einen noch
dunkleren Beigeschmack. Früher, als Schrank und Magen leer
blieben, war es einfacher zu sagen: „Du warst nicht brav genug,
deshalb hat das Christkind nichts gebracht.“ Es war eine perfide
Methode, den berechtigten Zorn über Armut und Ungerechtigkeit von
den Eltern oder dem System weg und direkt in die kindliche Psyche
umzuleiten. Heute sind die Gabentische zwar voll mit Plastik,
aber die systemischen Lügen bleiben. Wir impfen unseren Kindern
Sätze ein, wie „Alles wird gut“ oder „Du kannst werden, was du
willst“. Dabei wissen wir genau: Ohne Erbe, Beziehungen oder das
Glück der oberen 0,1 Prozent ist das schlichtweg Bullshit. Wir
vermitteln ihnen ein Bild einer Gesellschaft, die auf Teilen und
Rücksicht basiert, während wir sie gleichzeitig in ein System
entlassen, in dem nur die lautesten Schreihälse und die
rücksichtslosesten Egoisten wirklich gehört werden.
Warum Ehrlichkeit in der Erziehung so schwierig ist
Wir lügen sogar in ihren Bilderbüchern weiter. Auf dem
illustrierten Bauernhof sind alle Tiere glücklich und leben in
harmonischer Eintracht mit dem Bauern, bis wir ihnen schließlich
das Schnitzel servieren, ohne jemals das Wort Schlachthaus zu
erwähnen. Wir haben Angst, sie könnten Veganer werden, und
verheimlichen deshalb, dass unsere Gesellschaft auf der
Ausbeutung von Lebewesen fußt. Wir lügen, weil wir überfordert
sind, weil wir das System selbst nicht ändern können und es
deshalb wenigstens vor den Kindern schönfärben wollen. Doch
Kinder sind stärker, als wir glauben. Sie vertragen die Wahrheit
oft besser als wir Erwachsenen, die wir uns hinter Ironie und
Zynismus verstecken. Vielleicht wäre es an der Zeit, ihnen zu
sagen: Wir schenken dir etwas, weil wir dich lieben und weil du
Teil unserer Familie bist – ganz ohne die Drohung eines
unsichtbaren Wesens, das dich ständig beobachtet. Wir haben es
vielleicht verkackt, aber geben wir unseren Kindern wenigstens
das richtige, ehrliche Rüstzeug mit, um es besser zu machen.
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