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Beschreibung
vor 4 Monaten
Folgte man dem Prinzip der aktuell gängigen Literaturbetrachtung,
dem zufolge der Erzähler gar nicht vom Autor zu trennen ist,
stammt der hier heute vorgestellte Text ja wohl von einem
psychisch gestörten Menschen. Das Ganze wirkt – so gesehen – wie
eine Derealisation des Autors, die auf eine dissoziative
Persönlichkeitsstörung hinweist, die ihrerseits möglicherweise
auf einem Trauma basiert, wahrscheinlich in der Kindheit
erfahren. Der Erzähler entfernt sich in einer belastenden
Situation von der Realität, kann bald die Fiktion nicht mehr von
Realem lösen, er gerät in eine Art Rausch, in dem ihm alles
durcheinandergerät.
Doch es ist in der Literatur natürlich ganz anders: Franz Kafka
war nicht persönlichkeitsgestört, sondern verfügte über das, was
bereits Goethe als wesentlichen Antrieb der Schriftstellerinnen
und Schriftsteller bezeichnete: Einbildungskraft. Hinzu kommen
das Erzählen-Können und eine große Lust am Schreiben, die Kafka
auch mal als Wollust bezeichnete. Diese ist in „Bis zur
Dämmerung“ fast spürbar, so fiebrig, ja fast ekstatisch wirkt der
Erzähler selbst. Er scheint vollkommen im Erzählten enthalten, es
gibt scheinbar keine Distanz.
Kafka erweist sich wieder einmal als ein Autor, der wie
selbstverständlich Erhabenes mit Banalem, Bodenständigem
verknüpft. Die Erscheinung eines Engels löst sich auf in der
Erkenntnis, dass es dann doch kein „lebendiger Engel“ war, der
das ganze Chaos provozierte, sondern „eine bemalte Holzfigur von
einem Schiffsschnabel, wie sie in Matrosenkneipen an der Decke
hängen. Nichts weiter.“ Die katastrophische, ja mindestens
beunruhigende Zerstörung der Heimstätte, der eigenen Wohnung hat
nie stattgefunden. Der Text ist eines der starken unbekannten
Werke dieses Autors, trägt hier zum ersten Mal einen Titel und
wird präsentiert von Volker Drüke. Franz Kafka schrieb ihn am 25.
Juni 1914 in sein Tagebuch.
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