T 641/00 - Comvik / Dual-Sim (Comvic Approach / CII)

T 641/00 - Comvik / Dual-Sim (Comvic Approach / CII)

Computerimplementierte Erfindungen (CII) - Aufgabe-Lösungs-Ansatz für Ansprüche mit technischen und nicht technischen Merkmalen - Comvic Approach
21 Minuten

Beschreibung

vor 5 Monaten
In dieser Folge sprechen Lukas Fleischer und Michael Stadler über
die Entscheidung T 641/00 einer Beschwerdekammer des Europäischen
Patentamts aus dem Jahr 2002, die auch als Comvik Entscheidung
bekannt ist. Es handelt sich um eine Leitentscheidung aus dem
Gebiet der computerimplementierten Erfindungen, die den sogenannten
Comvic Approach oder Comvic-Ansatz geprägt hat. Diese Entscheidung
legt die Grundsätze fest, an Hand derer das EPA heute die
Technizität beurteilt, Ansprüche mit technischen und
nicht-technischen Merkmalen behandelt und die erfinderische
Tätigkeit von solchen Ansprüchen beurteilt. Erfindung Beansprucht
wurde ein Verfahren für Mobiltelefone des GSM-Typs mit einem
Teilnehmer-Kennungsmodul, sprich einer SIM, wobei die SIM zwei
unterschiedliche Kennungen bzw. Identitäten aufweist. Der Benutzer
kann eine der Kennungen aktivieren, wobei an Hand der aktiven
Kennung zwischen dienstlichen und privaten Anrufen unterschieden
wird, um die Gebühren entsprechend abzurechnen. Anmelder war das
schwedische Mobilfunkunternehmen Comvik, das namensgebend für den
aus der Entscheidung resultierenden Ansatz wurde.
Einspruchsverfahren Gegen das Streitpatent wurde Einspruch
eingelegt und im Rahmen des Einspruchsverfahrens wegen mangelnder
erfinderischer Tätigkeit widerrufen, ohne dass die später im
Beschwerdeverfahren diskutierten Aspekte der Technizität und der
nicht-technischen Merkmale behandelt wurden. Technizität Die
Beschwerdekammer bestätigte, dass bei Ansprüchen mit technischen
und nicht-technischen Merkmalen bereits ein technisches Merkmal
ausreicht, um die Technizität zu begründen. Im konkreten Fall war
die Technizität bereits dadurch gegeben, dass ein Mobiltelefon
involviert war. Dennoch dürfen in einem Patentanspruch auch
nicht-technische Merkmale enthalten sein. nicht-technische Merkmale
& erfinderische Tätigkeit Während bei der Formulierung der
objektiven technischen Aufgabe für technische Merkmale eine
rückschauende Betrachtung nicht zulässig ist, also die Lösung nicht
Teil der Aufgabe sein darf, ist dies bei nicht-technischen
Merkmalen nicht der Fall. Nicht-technische Merkmale können Teil der
Aufgabe sein. Weiters können nicht-technische Merkmale keinen
Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit leisten. Dabei geht die Kammer
davon aus, dass die Fachperson immer durch das technische Gebiet
festgelegt wird und die nicht-technischen Unterscheidungsmerkmale
(also etwa Geschäftsmethoden), der Fachperson in der
Aufgabenstellung mitgegeben werden, also ähnlich einem Lastenheft.
Anwendung auf den konkreten Fall: Comvik-Ansatz Ausgehend vom
nächstliegenden Stand der Technik wurden drei
Unterscheidungsmerkmale identifiziert: i) Dem
Teilnehmer-Kennungsmodul (SIM) sind zumindest zwei Kennungen
zugeteilt, ii) die Kennungen sind wahlweise verwendbar iii) die
wahlweise Aktivierung wird zur Aufteilung der Gebühren
herangezogen. Während das Merkmal i) als technisch angesehen wurde,
wurden die Merkmale ii) und iii) als nicht-technisch angesehen. Die
von der Beschwerdekammer formulierte Aufgabe lautete dahingehend,
dass ein System implementiert werden soll, das es dem Benutzer
erlaubt, zwischen Anrufen zu unterschiedlichen Zwecken (oder
Anrufen verschiedener Benutzer) zu unterscheiden, wobei das Konzept
der Gebührenaufteilung (Merkmal iii) der Fachperson im Rahmen
seiner Auftragsinformationen zur Verfügung gestellt werden. Ausgang
des Verfahrens Da im nächstliegenden Stand der Technik an einer
anderen Stelle offenbart einerseits, dass mehrere Kennungen zur
Unterscheidung bzw. zur Identifikation der Teilnehmer vorhanden
sein müssen und andererseits, dass multifunktinale SIM-Karten
bekannt sind, die zwei oder mehr Kennungen (IMSI-Nummern)
enthalten. Dass der nächstkommende Stand der Technik die
Gebührenabrechnung nicht thematisierte war nicht relevant, da es
sich dabei um nicht-technische Merkmale handelte. Der beanspruchte
Gegenstand war damit nach Anwendung des Comvik-Ansatzes nicht
erfinderisch.

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