G 1/93 - "Unentrinnbare Falle" - Vorlagefrage

G 1/93 - "Unentrinnbare Falle" - Vorlagefrage

"beschränkendes Merkmal" - unentrinnbare Falle - Offenbarungsüberschreitung vs. Schutzbereichserweiterung
18 Minuten

Beschreibung

vor 7 Monaten
In dieser Folge sprechen Lukas Fleischer und Michael Stadler über
die Entscheidung G 1/93 der Großen Beschwerdekammer des
Europäischen Patentamts aus dem Jahr 1994. Diese Entscheidung,
bekannt unter dem Schlagwort "beschränkendes Merkmal", prägt den
Begriff der "unentrinnbaren Falle" zwischen Art 123 (2) EPÜ und 123
(3) EPÜ, also den Fall dass eine im Anmeldeverfahren eingeführte
Offenbarungsüberschreitung im späteren Verfahren, etwa in einem
Einspruchsverfahren, nicht mehr saniert werden kann, da das
strittige Merkmal nicht aus dem Anspruch gestrichen werden kann,
ohne den Schutzbereich unzulässig zu erweitern. Die dem Patent
zugrunde liegende Erfindung betrifft eine optische Membran, die bei
der Herstellung von Halbleiter-Chips die Fotomasken vor
Verunreinigung schützt, bzw. ein Herstellungsverfahren für eine
solche Membran. Im Laufe des Anmeldeverfahrens wurde das Merkmal,
dass die hergestellte Membran "im Wesentlichen frei von Schlieren
ist" (substantially free of striae), in den Anspruch aufgenommen,
ohne dass es eine Grundlage in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen
dafür gab. Im Prüfungsverfahren wurde dies unkritisch gesehen und
es wurde ein Patent mit einem unabhängigen Anspruch erteilt, der
dieses Merkmal enthält. Im Einspruchsverfahren wurde das Patent
wegen der Offenbarungsüberschreitung angegriffen und die
Einspruchsabteilung folgte der Argumentation der Einsprechenden und
widerrief das Patent. Im nachfolgenden Beschwerdeverfahren wurde
erstmals ein Hilfsantrag eingereicht, in welchem versucht wurde das
strittige Merkmal durch ein ursrprungsoffenbartes Merkmal zu
ersetzen. Die Beschwerdekammer sah jedoch ein Problem darin, dass
die Streichung des Merkmals zu einer Schutzbereichserweiterung
führen würde, was einen Verstoß gegen Art 123 (3) EPÜ darstellt.
Die Große Beschwerdekammer wurde nun angerufen, um das
grundsätzliche Verhältnis zwischen Art 123 (2) EPÜ und Art 123 (3)
EPÜ klarzustellen. Vorlagefrage Der Großen Beschwerdekammer wurde
die folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt: Enthält ein
europäisches Patent in der erteilten Fassung Gegenstände, die über
den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung
hinausgehen und auch den von den Ansprüchen bestimmten
Schutzbereich einschränken, kann dann das Patent im Hinblick auf
Artikel 123 (2) und (3) EPÜ im Einspruchsverfahren aufrechterhalten
werden?

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