Leben als Landarzt - Romantik oder doch geprägt von Bürokratie? | Mit Andrea Morawe

Leben als Landarzt - Romantik oder doch geprägt von Bürokratie? | Mit Andrea Morawe

39 Minuten
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Das Gesundheitssystem verfehlt das Klassenziel

Beschreibung

vor 8 Monaten

In der neuen Folge von „5 Minus – Das Gesundheitssystem verfehlt
das Klassenziel“ spricht Dr. Laura Dahlhaus mit Dr. Andrea
Morawe, einer jungen Hausärztin, die mit gerade einmal 35 Jahren
eine eigene Praxis in Weißhand-Gölzau, einem Ort mit weniger als
2.000 Einwohnern, übernommen hat. Während viele junge
Mediziner:innen eine Karriere in der Klinik oder im MVZ
bevorzugen, hat sie sich bewusst für die hausärztliche Versorgung
auf dem Land entschieden – eine Entscheidung, die immer seltener
wird, obwohl sie für das Gesundheitssystem essenziell ist.


Andrea war ursprünglich Chirurgin, entschied sich jedoch nach der
Geburt ihres Kindes für die Allgemeinmedizin, da die
Vereinbarkeit von Klinikarbeit und Familie für sie nicht mehr
funktionierte. Die Übernahme der Praxis war mit Unsicherheiten
verbunden, aber eine spezielle Regelung in Sachsen-Anhalt, die
Quereinsteiger:innen eine verkürzte Weiterbildung ermöglicht,
erleichterte ihr den Wechsel. Die vorherige Praxisinhaberin gab
die Praxis unter anderem auf, weil die zunehmende Digitalisierung
und Bürokratisierung für sie nicht mehr zu bewältigen war – eine
Herausforderung, die viele ältere Ärzt:innen zum vorzeitigen
Rückzug zwingt.


Als Landärztin ist Andrea für eine enorme Bandbreite an Aufgaben
verantwortlich. Sie behandelt akute Infekte, chronische
Erkrankungen und postoperative Wundversorgungen, muss sich aber
auch um Patient:innen kümmern, die nach einem
Krankenhausaufenthalt unzureichend versorgt wurden. Zusätzlich
übernimmt sie Hausbesuche in einem Umkreis von bis zu 30
Kilometern, betreut Palliativpatient:innen und versorgt ein
Pflegeheim sowie eine Anlage für altersgerechtes Wohnen. Trotz
dieser Arbeitsbelastung empfindet sie ihre Tätigkeit als
flexibler und besser mit der Familie vereinbar als die
Klinikarbeit, nicht zuletzt, weil ihr Mann als Praxismanager in
das Unternehmen eingestiegen ist.


Doch während sie ihren Beruf liebt, sieht sie, wie schwer es ist,
Nachfolger:innen für Landarztpraxen zu finden. Viele junge
Ärzt:innen meiden die Niederlassung aus Angst vor der
finanziellen und organisatorischen Verantwortung einer eigenen
Praxis. Stattdessen wählen sie die vermeintliche Sicherheit einer
Anstellung in Kliniken oder MVZs. Das führt dazu, dass immer mehr
Hausärzt:innen ohne Nachfolge in den Ruhestand gehen und in
vielen Regionen ein hausärztliches Vakuum entsteht. In manchen
Gegenden gibt es mittlerweile nicht nur keine Hausärzt:innen
mehr, sondern auch keine Fachärzt:innen oder Zahnärzt:innen.


Hinzu kommt, dass sich nicht nur die ärztliche Versorgung,
sondern auch die allgemeine Infrastruktur auf dem Land
verschlechtert. Besonders schwierig ist die Situation bei der
Kinderbetreuung. Während es früher verlässliche
Betreuungsmöglichkeiten gab, schließen viele Kitas heute bereits
um 16:30 Uhr, was mit den Arbeitszeiten vieler Ärzt:innen kaum
vereinbar ist. Wenn dann noch Personalmangel dazukommt, müssen
Eltern ihre Kinder oft früher abholen oder sich selbst um eine
Betreuung kümmern – ein zusätzlicher Stressfaktor, der
insbesondere Frauen in der Medizin vor große Herausforderungen
stellt.


Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen gelingt es Andrea, ihre
Praxis effizient zu organisieren. Sie versorgt rund 1.300 bis
1.400 Kassenpatient:innen pro Quartal, aber durch regelmäßige
Kontrollbesuche von Chroniker:innen, postoperative Nachsorgen und
Wundversorgungen liegt die tatsächliche Kontaktzahl weit über
3.000. Ohne ihr engagiertes Team wäre das kaum zu bewältigen.
Eine große Erleichterung ist für sie die Digitalisierung, die von
vielen älteren Ärzt:innen als Hindernis wahrgenommen wird. In
ihrer Praxis setzt sie Aaron, eine KI-gestützte Telefonassistenz,
ein, die bis zu 50 Anrufe gleichzeitig annehmen und vorsortieren
kann. So müssen Patient:innen nicht mehr mehrfach anrufen, um
durchzukommen, und das Praxisteam wird spürbar entlastet.
Überraschenderweise haben sich vor allem ältere Patient:innen
schnell an das System gewöhnt,...

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