Folge 102: Der Unbekannte am Beckenrand
54 Minuten
Podcast
Podcaster
Beschreibung
vor 9 Monaten
Vermutlich haben wir uns alle schon mal gefragt, was das für
Menschen sind, die im Schwimmbad auf ihren weißen oder blauen
Plastikstühlen sitzen oder gemütlich am Beckenrand entlanggehen -
und im Zweifel unser Leben retten. Denn auch diese haben
natürlich ihre ganz eigene persönliche Geschichte. Einer von ist
ist Raimund Schwabenbauer. Er arbeitet im Berliner Kombibad
Seestraße und wenn er loslegt, hört man gleich, dass er kein
gebürtiger Berliner ist. Auch nach Jahrzehnten in der Hauptstadt
ist sein bajuwarischer Akzent unverkennbar, und vielleicht ist
seine süddeutsche Mentalität auch der Grund, warum er so schnell
mit den Badegästen ins Gespräch kommt.
Und so kommt es auch, dass uns Raimund als Gesprächsgast von
einer Schwimmerin empfohlen wurde, die hier täglich ihre Bahnen
zieht. Und seine Geschichte ist wirklich außergeöhnlich. Denn
eigentlich ist er Architekt. Aber der Reihe nach.
Im Jahr 1958 wurde Raimund im bayrischen Nittenau bei Regensburg
geboren, schon mit 13 wurde er Rettungsschwimmer, ein paar Jahre
später Sporttaucher bei der heimischen Wasserwacht. Doch
eigentlich wollte er Bauzeichner werden. Doch bevor es soweit
war, machte der Bundesgrenzschutz ihm Mitte der 1970er Jahre ein
allzu verlockendes Angebot: Sich acht Jahre zu verpflichten und
das zu einem sehr guten Gehalt. Raimund schlug ein, war in
Brokdorf und Gorleben im Einsatz und später bei der
Sicherungsgruppe in Bonn, begleitete als Personenschützer ein
Jahr lang den damaligen Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff
durch die Welt.
Dabei stellte er fest, dass sein alter Berufswunsch immer noch da
war. Also holte er sein Abitur nach, ging nach Berlin und
studierte hier Architektur, lernte schon während dieser Zeit
seine Frau kennen. Sie hat eine Werbeagentur, für die er
ebenfalls tätig wurde und die die beiden bis heute betreiben.
Aber das Schicksal hielt für Raimund noch weitere Zufälle bereit,
sein Cousin bot ihm an, als Bauleiter in seiner Trockenbaufirma
zu arbeiten.
Raimund schlug ein, hier die harte Arbeit auf dem Bau, nebenher
viel Kreatives in der Werbeagentur. Doch dann starb der Cousin
und Raimund musste sich wieder neu orientieren. Die
Trockenbau-Firma wollte er nicht übernehmen, stattdessen
arbeitete er als Webdesigner, Platzwart und ein bisschen auch als
Architekt bei einem Tennis-Verein.
So - und wie kam er jetzt an den Beckenrand? Natürlich durch -
Zufall! Vor sechs Jahren im Januar wollte seine Frau mit ihm
schwimmen gehen. Doch das Schwimmbad konnte nicht öffnen - kein
Personal! Das wäre doch was für dich, du bist doch
Rettungsschwimmer, meinte seine Frau und stellte kurzerhand den
Kontakt zu den Berliner Bäderbetrieben her. Raimund machte mit
fast 60 Jahren nochmal seinen Rettungsschwimmer Silber - und los
ging´s. Seither ist er im Kombibad Seestraße nicht mehr
wegzudenken und praktisch täglich vor Ort. Dabei könnte er mit
seinen fast 66 Jahren längst in Rente sein. Ein paar Jahre will
er es aber noch machen, sagt er - und grinst.
Eins ist ihm aber noch wichtig, weil er das immer wieder erlebt,
wenn es zum Beispiel Gerangel auf der Schnellschwimmer-Bahn gibt,
weil dort mal wieder jemand im Altdeutsch-Rücken-Stil unterwegs
ist: Das müssen die Leute schon selber regeln, dafür sei er nicht
zuständig. "Ich bin nicht von der Verkehrspolizei - sondern von
der Feuerwehr!"
Weitere Episoden
25 Minuten
vor 1 Woche
47 Minuten
vor 2 Wochen
33 Minuten
vor 3 Wochen
51 Minuten
vor 1 Monat
26 Minuten
vor 1 Monat
In Podcasts werben
Kommentare (0)