Klassenkampf ohne Klassenbewusstsein | Von Rüdiger Rauls

Klassenkampf ohne Klassenbewusstsein | Von Rüdiger Rauls

10 Minuten

Beschreibung

vor 1 Woche

Der 1. Mai ist vorbei, und nun geht es weiter wie bisher zu den
Bedingungen des Kapitals. Der Kampftag der Arbeiterklasse
hat inzwischen mehr mit Klassenfahrt als mit Klassenkampf zu tun.
Sind die Klassen verschwunden und der Klassenkampf überholt?


Ein Kommentar von Rüdiger Rauls.


Grundlagen


Kaum ein Satz von Karl Marx ist bekannter als der, dass das Sein
das Bewusstsein bestimmt. Diese Aussage über den Zusammenhang
zwischen Sein und Bewusstsein gilt heute immer noch wie vor über
hundert Jahren, wenn auch die Welt sich inzwischen stark
verändert hat. Objektiv besteht das Proletariat als Klasse
weiterhin, jedoch sind die Bedingungen für die Entwicklung von
Bewusstsein andere geworden. Die Arbeiterklasse versteht sich
selbst nicht mehr als solche.


Dem Proletarier des 19. Jahrhunderts wurde tagtäglich seine
Klassenzugehörigkeit durch seine Lebensumstände vor Augen
geführt. Überall in seinem Alltag war er mit Massen von
Seinesgleichen zusammen und erlebte sich als Teil dieser Massen.
In den Mietskasernen teilten sie dieselben engen Räume ihrer
herunter gekommenen Behausungen, nicht selten sogar dasselbe Bett
im Wechsel der Schichten in den Fabriken.


Dicht an dicht hantierten sie an ihren Arbeitsplätzen und
Fließbändern oder wuselten wie Ameisen geschäftig durch die
Werkhallen. Das Gefühl, Masse zu sein war unter diesen Umständen
fast unausweichlich. Das bedeutet aber nicht, dass dieses
Klassengefühl auch zwangsläufig politisches Klassenbewusstsein
zur Folge hatte, wie diese Aussage von Marx unter Linken oftmals
missverstanden wird.


Dagegen sind die Lebensumstände der heutigen Proletarier eher von
Vereinzelung geprägt. Die Isolation ist allgegenwärtig: am
Arbeitsplatz, in der Anonymität der Großstädte, aber auch in der
Zurückgezogenheit der Reihenhaussiedlungen. Die heutigen
Werkshallen sind nahezu menschenleer. Die wenigen Arbeiter
verschwinden zwischen den Maschinen. In Großraumbüros sitzen die
Angestellten wie in Bienenwaben, abgeschottet von einander.


Die Familien werden kleiner, die räumlichen Entfernungen zwischen
ihren Mitgliedern dagegen größer. Die Generationen leben sich
auseinander, verstehen einander auch immer weniger. Der
moderne Proletarier erlebt sich immer öfter allein. Unter solchen
Umständen ist die Entwicklung von Klassenbewusstsein wesentlich
schwieriger als unter den Bedingungen zu Marxens Zeiten.


Bewusstseinsbildung


Neben diesen abgeschotteten Lebensumständen kommt als zusätzlich
Trennendes die Desinformation durch die Medien hinzu, die das
gesellschaftliche Bewusstsein prägen. Im Überfluss an
Informationen geht dem Medienkonsumenten der Blick für das
Wesentliche verloren. Der Mensch ist allein mit der Flut der
Informationen, deren Interessen im Hintergrund immer schwieriger
zu erkennen sind.


Tiefer greifende Analyse von Entwicklungen findet kaum statt,
geschweige denn die Darstellung der Triebkräfte, die ihnen
innewohnen, der Interessen, die sie antreiben. Das ist nicht nur
politischem Willen geschuldet sondern auch in erheblichem Maße
der Unfähigkeit der Informationsschaffenden. Die allgegenwärtige
oberflächliche Betrachtungsweise von Sachverhalten hat die
Fähigkeit veröden lassen, den Dingen auf den Grund zu gehen.


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