"Ein Brudermord" (Franz Kafka)

"Ein Brudermord" (Franz Kafka)

Eine Erzählung aus dem Jahr 1916/17
5 Minuten
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Hochwertige Literatur, vorgelesen von professionellen Sprecherinnen und Sprechern

Beschreibung

vor 2 Wochen

Kain, der Sohn von Eva und Adam, erschlug seinen Bruder Abel.
Schon in der zweiten Generation der Menschheitsgeschichte ein
Mord! Ein Brudermord! Zumindest im jüdisch-christlichen Glauben.


Auch sehr berühmt und ausführlich in der Genesis erzählt: die
Konkurrenzgeschichte um Jakob und Esau, die Zwillinge, die knapp
hintereinander geboren wurden. Jakob hatte sich unter der Geburt
an Esaus Fersen festgehalten – daher sein Name Jakob, der auch so
viel wie „Der Fersenhalter“ bedeutet. Esau war der Erstgeborene,
ausgestattet mit allen Pflichten und vor allem Rechten, die
damals so galten. Diese Erzählung ist komplex und enthält gar
einen Ringkampf zwischen Jakob und … Gott!! Ja, der Allmächtige
kämpfte mit einem seiner frühesten Geschöpfe! Doch das ist eine
andere, total verrückte Geschichte im Alten Testament. So war das
einst. Zumindest wurde damals so was aufgeschrieben.


Im 20. Jahrhundert erzählt Franz Kafka in „Ein Brudermord“ ganz
anders: kurz, prägnant, ohne Hintergründe aufzuzeigen, etwa
Handlungsmotive der Figuren. Die Erzählung wirkt ganz zu Beginn
wie ein Polizeibericht, dann wie ein Drehbuch für einen Kurzfilm
oder eine Szene in einer Serie. Doch es wird hier so präzise und
bildhaft erzählt, dass man/frau die Filmkunst gar nicht braucht.
Die Erzählkraft des Autors erzeugt durchweg Bilder im Kopf der
Hörenden/des Lesenden. Einen äußerst beeindruckenden
Bild-Höhepunkt provoziert das Textende, als die gerade Witwe
gewordene Frau Wese sich mit ihrem Pelz über den ermordeten Mann
beugt, sodass der „über dem Ehepaar sich wie der Rasen eines
Grabes schließende Pelz“ der umstehenden Menge offenbart wird,
während „der nachthemdbekleidete Körper“ der Frau „ihm gehört“ –
dem Toten! Oha. Tod und Liebe liegen wie so oft in der Literatur
nah beieinander. Große Erzählkunst!


Abseits all dessen ist diese Geschichte, in der Täter und Opfer
gar keine Brüder, sondern „Bierbankgenossen“ sind, spannend wie
ein moderner Krimi. Franz Kafka schrieb sie im Winter 1916/17,
Volker Drüke bringt sie zu Gehör.

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