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Episoden
25.11.2025
11 Minuten
Freude, schöner Götterfunken. Sagen dir diese Wörter etwas?
Vielleicht nicht. Aber die Melodie, die damit verbunden wird,
kennst du mit Sicherheit. Es ist das Lied, das wir heute als
Europahymne kennen. Heute erzähle ich dir mehr über dieses
wichtige Stück klassischer Musik.
Der Text stammt von Friedrich Schiller. Er schrieb das Gedicht
„An die Freude“ im Jahr 1785. Später überarbeitete er es noch
einmal. Schiller war damals schon ein berühmter Dichter. Er
liebte große Themen wie Freiheit, Freundschaft und
Menschlichkeit. In der Ode „An die Freude“ wollte er zeigen, dass
alle Menschen Brüder und Schwestern sind und zusammenhalten
sollten.
Viele Jahre später entdeckte ein anderer sehr berühmter Mann
dieses Gedicht für sich: der Komponist Ludwig van Beethoven. Er
war fasziniert von Schillers Worten. Beethoven war selbst ein
Mensch, der stark an die Kraft der Freiheit glaubte. Außerdem
bewunderte er Schiller, weil dieser Mut zeigte und über wichtige
gesellschaftliche Fragen schrieb. Beethoven wollte schon lange
ein großes Musikstück schaffen, das die Idee von Gemeinschaft und
Humanität ausdrückt. Als er die Ode „An die Freude“ las, wusste
er, dass er diese Worte eines Tages vertonen würde.
Beethoven arbeitete viele Jahre an seiner Neunten Sinfonie. Als
sie im Jahr 1824 in Wien uraufgeführt wurde, war Beethoven schon
völlig taub. Er stand trotzdem am Dirigentenpult, obwohl er die
Musik nicht mehr hören konnte. Am Ende des Konzerts sah er, dass
die Menschen ihm begeistert applaudierten. Viele standen sogar
auf. Die 9. Sinfonie war also von Anfang an ein großer Erfolg.
Der berühmte Chor mit dem Text der „Ode an die Freude“ erklingt
im letzten Satz der Neunten Sinfonie. Für damalige Zeit war das
etwas Besonderes. Eine Sinfonie mit einem Chor war ungewohnt.
Heute gilt die Neunte Sinfonie als Meisterwerk. Der Chor mit der
„Ode an die Freude“ ist der bekannteste Teil.
Interessant fand ich zu lesen, dass Schiller selbst sein Gedicht
später gar nicht mehr so mochte. Er hatte das Gefühl, es sei zu
übertrieben und zu pathetisch. Er hätte wahrscheinlich nie
gedacht, dass seine Worte einmal von Millionen Menschen auf der
ganzen Welt gesungen würden. Auch Beethoven wusste natürlich
nicht, wie populär seine Musik einmal werden würde. Niemand
konnte ahnen, dass seine Melodie Jahrhunderte später bei
Sportereignissen, Konzerten und sogar auf Klingeltönen von Handys
landen würde. Ich überlege oft, wie die längst verstorbenen
Künstler es wohl empfinden würden, wenn sie ihren heutigen Erfolg
sehen könnten. Gerade erst war ich in einem ausverkauften
Rachmaninow-Konzert. Und das war ja ein Mann, der sehr an sich
gezweifelt hat. Aber zurück zu Schiller und Beethoven. Denn die
Geschichte dieses Stückes geht ja noch viel weiter.
Ein besonders wichtiger Moment in der Geschichte der „Ode an die
Freude“ war nämlich das Jahr 1972. In diesem Jahr wurde die
Melodie zur offiziellen Hymne des Europarats gewählt. Später,
1985, wurde sie auch die Hymne der Europäischen Gemeinschaft, aus
der später die Europäische Union wurde. Das Besondere daran: Für
diese Hymne wird nur die Musik verwendet. Es wird nicht gesungen.
Man wollte damit zeigen, dass Europa viele Sprachen und Kulturen
hat. Die Melodie steht für gemeinsame Werte, ohne eine Sprache zu
bevorzugen.
Ich muss dir noch etwas erzählen, was ich selber gar nicht
wusste. Ich habe es erst erfahren, als ich für diese Episode
recherchiert habe: Die Melodie wurde in Japan zu einem Winterhit!
Dort singen große Chöre jedes Jahr zum Jahresende Beethovens
Neunte. Manche dieser Chöre bestehen aus mehreren Tausend
Sängerinnen und Sängern. In Japan ist die Neunte so beliebt, dass
einige Menschen sie sogar „Daiku“ nennen. Das bedeutet „Nummer
Neun“. Wie genau diese Tradition entstanden ist, ist nicht ganz
klar. Ich habe auf der Seite der BBC gelesen, dass diese
Tradition im Ersten Weltkrieg entstanden sein soll. Damals gab es
ein Kriegsgefangenenlager in Japan und dort waren deutsche
Soldaten interniert. Und diese Soldaten spielten oft Musik, eben
auch Beethovens Neunte. Nach dem Kriegsende gaben sie ein Konzert
außerhalb des Gefängnisses. Das Stück wurde über die Jahre
beliebter in Japan und 1940 wurde es bei einer Neujahrsaufführung
gespielt. Auf der Seite slowgerman.com habe ich den Link zu einem
Video für dich von 10.000 Sängerinnen und Sängern in Japan!
Mich hat es daran erinnert, dass ich als Kind mit meinen Eltern
und Verwandten im Hollywood Bowl war. Dort gab es auch ein
Konzert der „Ode an die Freude“, und meine Mutter und ich haben
uns damals eher amüsiert. Denn die amerikanischen Sängerinnen und
Sänger hatten nicht so ordentlich an ihrer Aussprache gearbeitet
wie die aus Japan und es klang für uns einfach lustig, wie sie
die deutschen Wörter aussprachen.
Dennoch finde ich es natürlich faszinierend, dass Menschen auf
der ganzen Welt diese Melodie lieben und sogar den deutschen Text
singen können! Noch ein paar Worte zum Text: Sei nicht
frustriert, wenn du ihn nicht verstehst. Es ist Lyrik. Und es ist
alt. Es ist auch für mich nicht alles gut zu verstehen. Die
Freude ist zum Beispiel eine „Tochter aus Elysium“, also aus dem
Paradies der Götter.
Dann schreibt Schiller: „Alle Menschen werden Brüder“. Dieser
Gedanke war zur Entstehungszeit ziemlich radikal. Die
Gesellschaft war streng in Klassen eingeteilt. Manche Menschen
hatten viele Rechte, andere sehr wenige. Schiller stellte diese
Ordnung mit seinem Gedicht offen in Frage. Für einen Dichter im
18. Jahrhundert war das mutig. Dass dieser Satz heute zu den
berühmtesten Zeilen deutscher Dichtung gehört, zeigt, wie stark
seine Wirkung ist. Und er ist leider nach wie vor aktuell, denn
wir sind lange noch nicht an dem Punkt, an dem alle Menschen
gleich sind.
Das alles wollte ich dir erzählen, in dieser Zeit der Krisen und
Kriege. Wir müssen versuchen, Hoffnung zu haben. Anderen Menschen
zu vertrauen. Wir sind alle Menschen auf der gleichen Erde. Es
wird Zeit, dass wir gemeinsam leben und nicht gegeneinander
kämpfen. Schön pathetisch, oder? Muss auch mal sein.
Text der Episode als PDF:
https://slowgerman.com/folgen/sg311kurz.pdf
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11.11.2025
10 Minuten
Wie Du weißt, lebe ich in München. Und vor einer Woche durften
die Menschen in München abstimmen. Die Frage war: Soll München
sich für die Olympischen Sommerspiele bewerben? Ich persönlich
war dagegen, aber die Mehrheit der Münchner stimmte dafür. Also
bewirbt sich die bayerische Landeshauptstadt um dieses Spektakel.
Mal sehen, ob es klappt. Mich hat es jedenfalls auf die Idee
gebracht, eine Slow German-Episode über die Olympischen Spiele zu
machen.
Die Olympischen Spiele sind eines der größten Sportereignisse der
Welt. Alle vier Jahre treffen sich Sportlerinnen und Sportler aus
fast allen Ländern, um gemeinsam zu zeigen, was sie können. Es
soll dabei nicht nur um Medaillen gehen, sondern auch um
Fairness, Respekt und Völkerverständigung. Das war schon die Idee
der alten Griechen, die vor über 2700 Jahren die ersten
Olympischen Spiele in Olympia veranstalteten. Vielleicht hast Du
auch die Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris gesehen? Wie
die Boote mit den Sportlerinnen und Sportlern über die Seine
fuhren? Das war ein fantastisches Spektakel, oder?
Aber hier bei Slow German geht es natürlich vor allem um
Deutschland. Deutschland hat eine lange Geschichte mit den
Olympischen Spielen. Schon 1896, bei den ersten Spielen der
Neuzeit in Athen, nahmen deutsche Athleten teil. 1936 fanden die
Spiele in Berlin statt. Diese Spiele sind heute besonders
bekannt, weil sie von der nationalsozialistischen Regierung für
Propaganda genutzt wurden. Trotzdem gab es dort auch sportliche
Höhepunkte, wie zum Beispiel den Sieg des afroamerikanischen
Läufers Jesse Owens.
Doch die wohl bekanntesten Olympischen Spiele in Deutschland sind
die von 1972 in München. Sie sollten ganz anders sein als die von
1936. Die Bundesrepublik Deutschland wollte der Welt ein neues,
modernes, friedliches Land zeigen. Ein Land, das nach dem Krieg
wieder aufgebaut war, freundlich und offen. Deshalb war das Motto
dieser Spiele: „Heitere Spiele“.
Die Spiele in München begannen am 26. August 1972. Sie dauerten
zwei Wochen. Das Olympiastadion war damals extra dafür ganz neu
gebaut worden – mit einem durchsichtigen Zeltdach. Heute wird es
renoviert, ebenso wie das Stadion, in dem seither übrigens sehr
viele Open Air-Konzerte stattgefunden haben. Auch das Maskottchen
von Olympia 1972 war fröhlich: ein bunter Dackel mit dem Namen
„Waldi“. Das war das erste Mal, dass es bei Olympischen Spielen
überhaupt ein offizielles Maskottchen gab. „Waldi“ war also ein
echter Pionier!
München wurde für die Olympischen Spiele komplett umgebaut. Es
gab ein eigenes olympisches Dorf, in dem die Sportlerinnen und
Sportler wohnten. Viele dieser Gebäude werden bis heute genutzt.
Allerdings finde ich sie eher hässlich, das sind Betonklötze, die
aber 1972 als modern empfunden wurden. Manche der Gebäude wurden
zu normalen Wohnhäusern, andere zu Studentenheimen umgebaut. Dazu
gab es neue Straßen, U-Bahn-Linien und Sportanlagen.
Mit 121 teilnehmenden Mannschaften und 7170 Athleten stellten die
Spiele von München einen neuen Teilnehmerrekord
auf. Sportlich lief es für Deutschland sehr gut. Also für
die Bundesrepublik Deutschland muss man sagen, denn das war vor
der Wiedervereinigung. Besonders bekannt wurde der Schwimmer Mark
Spitz aus den USA, der sieben Goldmedaillen gewann. Das war
damals ein Weltrekord. Aber auch deutsche Athleten waren
erfolgreich. Heide Rosendahl gewann Gold im Weitsprung und
zusammen mit ihren Teamkolleginnen auch in der
4×100-Meter-Staffel. Der Turner Klaus Köste gewann Gold am Reck.
Doch so fröhlich die Spiele begonnen hatten, so tragisch wurden
sie in der zweiten Woche. Am 5. September 1972 drangen acht
Terroristen in das olympische Dorf ein. Sie gehörten zur
palästinensischen Gruppe „Schwarzer September“. Sie nahmen elf
Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln. Ihr Ziel war
es, palästinensische Gefangene freizupressen. Die Situation
dauerte fast den ganzen Tag. Am Ende versuchte die Polizei, die
Geiseln zu befreien. Doch die Aktion scheiterte. Alle elf
Israelis, ein Polizist und fünf Terroristen kamen ums Leben.
Dieses Ereignis erschütterte die ganze Welt.
Trotzdem beschlossen die Veranstalter, die Spiele fortzusetzen.
Sie wollten damit zeigen, dass Terror nicht siegen darf. Zwei
Tage nach dem Attentat wurde eine große Trauerfeier im Stadion
abgehalten. Der IOC-Präsident sprach damals den berühmten Satz:
„The Games must go on.“ – „Die Spiele müssen weitergehen.“
Heute erinnern noch viele Orte in München an die Olympischen
Spiele von 1972: Wir haben den Olympiapark, in dem man wunderbar
spazieren gehen kann, das Olympiastadion mit seinem berühmten
Zeltdach, den hohen Olympiaturm, der mittlerweile eines der
Wahrzeichen der Stadt ist und von dem aus man eine wunderbare
Aussicht über die ganze Stadt hat, den Olympiasee und das
Olympiadorf.
Deutschland hat sich seitdem sieben Mal um Olympische Spiele
beworben, aber bisher hat es keine weiteren bekommen. Jetzt will
es sich für die Sommerspiele in den Jahren 2036, 2040 oder 2044
bewerben. Vier Städte oder Regionen sind ausgewählt worden:
Berlin, Hamburg, München und die Region Rhein-Ruhr. Ende
2026 soll die Entscheidung fallen. Ich bin gespannt. Die nächsten
Olympischen Sommerspiele werden 2028 in Los Angeles stattfinden,
dann 2032 in Brisbane. Bist Du ein Olympia-Fan?
Text der Episode als PDF:
https://slowgerman.com/folgen/sg310kurz.pdf
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28.10.2025
8 Minuten
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Als ich ein Kind war, haben wir mit der Schule einen Ausflug
gemacht. Ein Bus kam und wir stiegen alle ein. Das Ziel war ein
Römerkastell. Wir waren sehr aufgeregt. Was würden wir dort
sehen? Eine große Burg? Ein Schloss? Eine Arena? Über eine Stunde
lang waren wir unterwegs. Und als wir ankamen, war die
Enttäuschung groß: Wir sahen nur ein paar Mauern. Mehr war von
dieser römischen Siedlung nicht übrig geblieben. Warum ich Dir
das erzähle? Weil ich heute mal in die Geschichte blicken will.
Lass uns sehen, wie die Römer Deutschland geprägt haben. Denn vor
fast zweitausend Jahren war ein großer Teil des heutigen
Deutschlands Teil des Römischen Reiches oder stand zumindest
unter seinem Einfluss.
Das Römische Reich dehnte sich im ersten Jahrhundert vor Christus
immer weiter aus. Die Römer eroberten große Teile Europas,
Nordafrikas und des Nahen Ostens. Auch die Gebiete nördlich der
Alpen wurden interessant für sie, denn dort gab es fruchtbare
Böden, Holz, Metalle und Handelswege. Die Römer nannten das Land
der Germanen „Germania“.
Eine wichtige Grenze war der sogenannte Limes. Das war eine Linie
aus Wachtürmen, Gräben und Mauern, die das Römische Reich von den
Gebieten der Germanen trennte. Der Limes verlief quer durch das
heutige Deutschland, von Rheinland-Pfalz über Hessen und
Baden-Württemberg bis nach Bayern. Er war über 500 Kilometer
lang. Heute kann man an vielen Orten noch Reste davon sehen, zum
Beispiel in Aalen, Saalburg oder Regensburg. Der Limes ist sogar
UNESCO-Weltkulturerbe.
Die Römer gründeten viele Städte, die heute noch existieren.
Trier, das damals „Augusta Treverorum“ hieß, war eine der
wichtigsten römischen Städte nördlich der Alpen. Sie war sogar
eine Zeit lang Hauptstadt des Weströmischen Reiches. In Trier
kann man heute noch römische Bauwerke bewundern: die Porta Nigra,
ein riesiges Stadttor, oder die Kaiserthermen, in denen sich die
Römer gebadet haben. Ich war leider noch nie dort. Auch Köln
wurde von den Römern gegründet – Mainz, Augsburg und Regensburg
haben ebenfalls römische Wurzeln.
Die Römer brachten viele Dinge mit, die für die Menschen in
Germanien neu waren. Zum Beispiel Wein. Vor den Römern trank man
hier eher Bier oder Met. Aber die Römer pflanzten Reben an –
besonders entlang des Rheins und der Mosel. Noch heute sind diese
Regionen für ihren Wein bekannt. Auch Straßen und Brücken, wie
sie die Römer bauten, gab es vorher nicht. Viele moderne Straßen
in Süddeutschland verlaufen noch immer dort, wo früher römische
Heerstraßen waren. Die Römer bauten gerade, feste Wege – perfekt
für Handel und Reisen.
Auch in der Sprache gibt es römische Spuren. Das Lateinische, die
Sprache der Römer, beeinflusste viele europäische Sprachen, auch
das Deutsche. Das Wort „Fenster“ kommt zum Beispiel vom
lateinischen Wort fenestra, „Keller“ von cellarium oder „Mauer“
von murus.
Die Römer brachten auch ihre Kultur und ihre Lebensart mit. Sie
badeten regelmäßig, aßen gemeinsam in großen Speisesälen und
liebten Theater und Spiele. In manchen deutschen Städten kann man
noch die Reste von römischen Amphitheatern sehen, zum Beispiel in
Trier oder Xanten. Dort kämpften Gladiatoren zur Unterhaltung des
Publikums. Auch die römische Mode und Architektur beeinflussten
die Menschen. Häuser mit Steinmauern, Ziegeln und Fußbodenheizung
waren in Germanien vorher unbekannt. Viele dieser Techniken
übernahmen später auch die germanischen Stämme.
Natürlich waren die Römer nicht überall beliebt. Es gab immer
wieder Kämpfe. Nach dem Untergang des Römischen Reiches im 5.
Jahrhundert blieben viele seiner Spuren bestehen. Die Nachfolger
der Römer, etwa die Franken, übernahmen vieles aus der römischen
Verwaltung und dem Rechtssystem. Auch das Christentum, das im
Römischen Reich verbreitet wurde, kam auf diesem Weg nach
Deutschland. Ohne Rom gäbe es hier wohl keine Kirchen,
Kathedralen und Klöster in der Form, wie wir sie heute kennen.
Ich kann mich erinnern, was mich bei meinem Ausflug zum
Römerkastell in Eining besonders faszinierte: Die Römer hatten
eine Fußbodenheizung. Wie schlau war das denn? Und die Lehrerin
erzählte uns, dass die Römer gerne gemeinsam auf die Toilette
gingen – unter den Sitzbänken gab es fließendes Wasser. Jetzt
weißt du, was mich als Kind an den Römern fasziniert hat. Und Du?
Was weißt Du über die Römer?
Text der Episode als PDF:
https://slowgerman.com/folgen/sg309kurz.pdf
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14.10.2025
10 Minuten
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Ich habe letztens ein altes Familienfoto gesehen. Es zeigt
Verwandte von mir vor ungefähr hundert Jahren oder mehr. Zu sehen
sind ein grimmig dreinschauender Vater und eine sehr müde
aussehende Mutter und viele, viele Kinder. Damals war es üblich,
dass Frauen viele Kinder bekamen. Schuld war daran nicht nur die
fehlende Verhütung, sondern auch die Kindersterblichkeit. Die
Menschen wussten, dass viele ihrer Kinder nicht alt werden
würden. Nur wenige schafften es bis ins Erwachsenenalter. Ich
habe mir die Statistiken angesehen: Um das Jahr 1870 starb eines
von vier Neugeborenen in seinem ersten Lebensjahr, also 25
Prozent. 1938 waren es noch 6 von 100 Lebendgeborenen, also nur
noch 6 Prozent. Heute sterben nur noch etwa drei von 1.000
Kindern, also 0,3 Prozent. Das ist eine wahnsinnige
Erfolgsgeschichte.
Und auch bei den Frauen gab es positive Nachrichten: Während
früher sehr viele Frauen im sogenannten Kindbett starben, also
bei der Geburt oder kurz danach, ist das heute nur noch sehr
selten. Dafür gab es viele Gründe, und über einen Grund möchte
ich Dir heute mehr erzählen. In dieser wahren Geschichte geht es
um einen Mann namens Ignaz Semmelweis.
Ignaz Semmelweis war ein Arzt, der im 19. Jahrhundert lebte. Er
wurde 1818 in Budapest geboren. Damals gehörte Ungarn noch zum
Kaiserreich Österreich. Er studierte Medizin in Wien und
entschied sich als Spezialfach für die Geburtshilfe, also für die
Betreuung von Frauen, die ein Kind bekommen. Nach seinem Studium
begann er in Wien im Allgemeinen Krankenhaus zu arbeiten. Das war
eines der größten Krankenhäuser Europas, und viele junge Ärzte
wurden dort ausgebildet.
Im Krankenhaus gab es zwei Geburtsstationen. In der einen Station
arbeiteten Ärzte und Medizinstudenten, in der anderen Hebammen,
die dort ausgebildet wurden. Die Frauen wollten alle lieber zu
den Hebammen gehen, und das hatte einen wichtigen Grund: Auf der
Station der Ärzte starben viele Frauen nach der Geburt – bei den
Hebammen war diese Zahl viel geringer. Niemand wusste, warum das
so war. Die Ärzte dachten, es liege vielleicht an der Luft oder
an der Angst der Frauen. Damals gab es viele Theorien, aber keine
Beweise.
Ignaz Semmelweis wurde neugierig. Er wollte den Grund dafür
herausfinden. Eines Tages starb sein Freund. Er war Pathologe
gewesen und starb kurz nach einer Verletzung, die er sich bei
einer Obduktion zugezogen hatte. Eine Obduktion ist die
Untersuchung eines toten Menschen um herauszufinden, woran er
gestorben ist. Der Freund hatte sich bei einer Untersuchung an
der Hand verletzt, und kurz danach bekam er dieselben Symptome
wie die Frauen, die im Krankenhaus nach der Geburt starben. Da
hatte Semmelweis eine Idee: Vielleicht hatten die Ärzte etwas von
den Toten auf die gebärenden Frauen übertragen. Die Ärzte machten
nämlich Obduktionen, also Leichenuntersuchungen, und gingen
danach ohne sich die Hände zu desinfizieren zu den Geburten.
Hygiene galt als Zeitverschwendung. Manche wuschen sich nichtmal
die Hände mit Wasser und Seife. Niemand fand das damals
merkwürdig, es war ganz normal. Über Bakterien und andere
Krankheitserreger wusste man damals noch nichts.
Semmelweis wollte herausfinden, ob seine Theorie richtig war. Er
sagte den Ärzten und Studenten, dass sie sich die Hände mit einer
Lösung aus Chlorkalk waschen mussten, bevor sie in die
Geburtsstation gingen. Und plötzlich geschah etwas Erstaunliches:
Die Zahl der toten Frauen sank sehr schnell. Innerhalb weniger
Monate starben fast keine Frauen mehr am sogenannten
Kindbettfieber. Das war ein riesiger Erfolg.
Hat man Semmelweis dafür gefeiert und belohnt? Nein. Im
Gegenteil. Die Ärzte glaubten ihm nicht. Sie fühlten sich
angegriffen. Denn die Theorie sagte ja im Grunde, dass sie selbst
schuld waren am Tod vieler Frauen. Das wollte natürlich kein Arzt
hören. Außerdem konnte Semmelweis nicht wirklich erklären, warum
das Händewaschen half – Bakterien waren noch nicht entdeckt. Erst
später, durch die Arbeiten von Louis Pasteur, verstand man, dass
winzige Lebewesen Krankheiten verursachen können. Doch Semmelweis
hatte das Problem schon vorher gelöst, einfach durch Beobachtung
und ein Experiment.
Er versuchte, seine Ideen bekannt zu machen, schrieb Briefe und
Artikel, später sogar ein Buch über seine Erfahrungen. Aber viele
Leute lachten über ihn. Er wurde nicht ernst genommen. Heute weiß
man, dass er mit allem recht hatte, doch zu seiner Zeit war er
ein Außenseiter.
Nach einigen Jahren verließ Semmelweis Wien und ging zurück nach
Budapest. Dort arbeitete er weiter als Arzt und führte das
Händewaschen auch in der Geburtsstation seiner Heimatstadt ein.
Wieder sanken die Todesfälle deutlich. Trotzdem bekam er keine
Anerkennung. Viele seiner Kollegen mieden ihn, und er wurde immer
einsamer. Gegen Ende seines Lebens war er sehr verbittert und
krank. 1865 wurde er in eine psychiatrische Klinik gebracht, wo
er nur wenige Wochen später starb – vermutlich an einer
Blutvergiftung, also genau an der Krankheit, die er so oft
verhindern wollte.
Erst Jahre nach seinem Tod erkannte die Welt, wie wichtig seine
Entdeckung war. Heute gilt Ignaz Semmelweis als einer der Väter
der modernen Hygiene. Händewaschen und vor allem die Hände zu
desinfizieren gehört heute zu den einfachsten und wichtigsten
Regeln der Medizin. Was heute selbstverständlich ist, war zu den
Zeiten von Ignaz Semmelweis undenkbar. Gut, dass wir Menschen
manchmal klüger werden und dazulernen.
Text der Episode als PDF:
https://slowgerman.com/folgen/sg308kurz.pdf
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30.09.2025
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Warst du schon einmal arbeitslos? Ich zum Glück nicht.
Bei mir geht das aber auch eigentlich nicht, denn ich
bin eine sogenannte Freiberuflerin und daher
selbständig. Das bedeutet, dass ich nicht angestellt
bin. Ich bin meine eigene Chefin. Und ich habe immer
viele Ideen für Projekte.
Arbeitslosigkeit ist aber ein Thema, das in Deutschland
seit vielen Jahren wichtig ist. Immer wieder hört man
in den Nachrichten Zahlen dazu. Aber was bedeutet
Arbeitslosigkeit eigentlich? Ganz einfach: Wenn jemand
arbeiten möchte, aber keinen Job findet, dann ist diese
Person arbeitslos. In Deutschland meldet man sich dann
bei der sogenannten Agentur für Arbeit. Früher hieß das
Arbeitsamt. Dort bekommt man Unterstützung bei der
Suche nach einer neuen Stelle. Und manchmal auch Geld
vom Staat, damit man in dieser Zeit überleben kann.
Schauen wir mal in die Geschichte. Wie war es da mit
der Arbeitslosigkeit? Besonders schlimm war die Zeit
nach dem Ersten Weltkrieg. Damals war Deutschland arm
und es gab sehr viele Menschen ohne Arbeit. Ab 1929 kam
es dann zur Weltwirtschaftskrise. In dieser Zeit waren
in Deutschland Millionen von Menschen arbeitslos. Viele
Menschen standen stundenlang in Schlangen, um eine
Suppe zu bekommen. Verglichen mit anderen Ländern ging
es Deutschland in dieser Krise noch vergleichsweise
gut. Es erreichte nach einigen Jahren als eines der
ersten Länder wieder die sogenannte Vollbeschäftigung.
Das bedeutet, dass alle Menschen, die Arbeit suchten,
auch welche fanden. Es gab also so gut wie keine
Arbeitslosigkeit. So toll war das aber gar nicht, denn
die Arbeitsbedingungen waren oft schlecht und die Löhne
sehr niedrig.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sah die Lage zunächst auch
nicht gut aus. Städte waren zerstört, Fabriken kaputt,
viele Menschen auf der Flucht. Doch schon bald begann
das sogenannte Wirtschaftswunder. In den 1950er-und
1960er-Jahren ging es Deutschland wirtschaftlich sehr
gut. Plötzlich fehlten Arbeitskräfte, weil es so viel
Arbeit gab. Deswegen holte Deutschland sogenannte
Gastarbeiter ins Land. Viele kamen aus Italien,
Griechenland oder der Türkei. Sie halfen, die
Wirtschaft aufzubauen. Dazu gibt es eine eigene Episode
Slow German.
Vor der Corona-Pandemie waren die Zahlen der
Arbeitslosigkeit in Deutschland sehr niedrig. Während
der Corona-Zeit stiegen die Zahlen jedoch wieder an.
Viele Geschäfte, Restaurants oder kleine Betriebe
mussten schließen. Um die Menschen zu unterstützen,
führte Deutschland das sogenannte Kurzarbeitergeld ein.
Das bedeutet, dass Menschen zwar weniger arbeiten, aber
einen Teil ihres Lohns trotzdem vom Staat bekommen. So
verloren nicht alle sofort ihren Job.
2023 und 2024 lag die Arbeitslosenquote in Deutschland
bei ungefähr fünf bis sechs Prozent. Das bedeutet: Von
hundert Menschen im Arbeitsalter sind etwa fünf bis
sechs arbeitslos. Diese Quote schwankt aber, je nach
Region. In Bayern oder Baden-Württemberg gibt es oft
weniger Arbeitslose, weil dort viele große Firmen wie
BMW, Audi oder Bosch sitzen. In anderen Regionen ist
die Quote manchmal höher. Zum Beispiel sind es in
Bayern nur knapp 4 Prozent, in Bremen aber fast 12
Prozent. Die neuesten Zahlen des Statistischen
Bundesamtes besagen, dass die Arbeitslosenquote im
August 2025 bei 6,4 lag, bei Frauen war sie bei 6,2 und
bei Männern bei 6,6. Und bei Jugendlichen unter 20
Jahren bei 5,8 Prozent. Wenn man das in absoluten
Zahlen ausdrückt waren etwas mehr als drei Millionen
Menschen in Deutschland arbeitslos. Ich habe mal
nachgesehen, wie es in anderen europäischen Ländern
aussieht – in Spanien und Finnland ist es am
schlimmsten, Deutschland ist eher auf den vorderen
Plätzen, was Beschäftigung angeht.
Aber warum werden Menschen überhaupt arbeitslos? Manche
verlieren ihren Job, weil die Firma schließen muss.
Momentan wird oft die Weltwirtschaftslage als Grund
angeführt, denn durch die Unsicherheit investieren
viele Firmen nicht in Jobs. Manche Menschen können aber
auch einfach nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten, weil
sich die Technik verändert hat. Ein Beispiel: Früher
gab es in fast jeder Stadt Telefonzellen. Jemand musste
sich um diese Telefone kümmern. Heute hat fast jeder
ein Handy, und dieser Beruf ist verschwunden. Dafür
entstehen aber auch neue Berufe, zum Beispiel im
Bereich Computer oder erneuerbare Energien. Es kann
auch passieren, dass man in seinem eigentlichen Beruf
nicht mehr arbeiten kann, weil man gesundheitliche
Probleme hat. Auch psychische Probleme gehören
natürlich dazu.
Ich erinnere mich übrigens noch an die sogenannten
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, kurz ABM. Da erfand der
Staat Jobs, um arbeitslosen Menschen eine Möglichkeit
zu geben, einen geregelten Arbeitsalltag zu haben.
Meistens waren das Jobs im sozialen Bereich oder auch
im Umweltschutz. Kritik daran war, dass dadurch
natürlich die Arbeitslosenstatistiken plötzlich viel
besser aussahen. Heute ist die ABM noch ein geflügeltes
Wort. Wenn jemand das Gefühl hat, eine Aufgabe
erledigen zu müssen, die eigentlich nicht nötig ist,
sagt er: Das ist sowieso nur eine ABM.
Heute bietet die Agentur für Arbeit viele
Hilfsmöglichkeiten für Menschen, die arbeitslos werden.
Zum Beispiel bietet die Agentur Kurse an, in denen
Menschen lernen können, wie man Bewerbungen schreibt
oder wie man sich auf ein Vorstellungsgespräch
vorbereitet. Außerdem gibt es Umschulungen. Das
bedeutet, dass man einen neuen Beruf lernen kann, wenn
es in der alten Branche keine Jobs mehr gibt. Und unter
bestimmten Bedingungen bekommt ein arbeitsloser Mensch
auch Geld vom Staat. Die Bedingungen zähle ich jetzt
hier aber nicht auf, das ist zu kompliziert.
Text der Episode als PDF:
https://slowgerman.com/folgen/sg307kurz.pdf
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Über diesen Podcast
In this podcast, German podcaster Annik Rubens talks slowly about
topics of everyday German life, from beergardens to recycling. More
information and Premium Podcast with learning materials on Slow
German at www.slowgerman.com. You can read the complete transcript
of each episode on this internet-site or in the ID3-Tags.
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