Podcaster
Episoden
28.11.2025
40 Minuten
Ein Asylrecht entstand in Westdeutschland bereits vor dem
Grundgesetz. Es war in der amerikanischen und britischen Zone
geschaffen worden, um den massenhaft Zustrom von Flüchtlingen aus
Ostdeutschland zu begenzen. Mit solchen Erkenntnissen überrascht
der Historiker Michael Mayer im historycast. Er hat sich für seine
Habilitationsschrift zehn Jahre lang mit dem Thema Asyl und
Grundgesetz beschäftigt. Und betont, dass mit dem Asylrecht der
Staat Rechtsmittel in die Hand bekommt: "Mit der Formulierung
`Politisch Verfolgte genießen Asylrecht´ habe ich ein Mittel, um zu
entscheiden: Wer darf bleiben und wer darf nicht bleiben". Mayer
relativiert die Bedeutung des Asylrechts für die Migration nach
Deutschland, da ein Großteil der Migranten in Deutschland nur
geduldet seien und damit jederzeit abgeschoben werden könnten oder
rechtlich unter die Genfer Flüchtlingskonvention fielen. Mayer
sieht nationale Alleingänge in der Asylpolitik kritisch und betont,
dass es nur europäische Lösungen geben könne. Die EU habe ihre
Außengrenzen bereits massiv verschärft, und mit dem europäischen
Asylsystem würden Schnellverfahren für Menschen aus sogenannten
sicheren Drittstaaten eingeführt. "Die EU ist auf dem richtigen Weg
und hat die richtigen Lösungen."
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14.11.2025
50 Minuten
Jüdisches Leben in Deutschland nach 1945 – wer blieb nach der Shoah
im Land der Täter, wer kehrte aus dem Exil zurück, und wie gelang
der Aufbau neuer Gemeinden? In der neuen Folge des historycast
spricht Almut Finck mit der Soziologin Karen Körber vom Institut
für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg. Das Gespräch
beleuchtet, welche Überlebensstrategien jüdische Familien nach 1945
fanden, wie sie Isolation und Antisemitismus erfuhren und
überwanden und was sie überhaupt zum Dableiben oder Rückkehren
bewegte. Karen Körber schildert, wie jüdisches Leben in den
Nachkriegsjahren zwischen provisorischer Gemeinschaft und
Emigrationsdruck nach Israel aussah und wie Migrationen aus
Osteuropa und sogar dem Iran seit den 1950er Jahren das
Gemeindeleben prägten. Ein Schwerpunkt liegt auf der Zuwanderung
sogenannter Kontingentflüchtlinge aus der Sowjetunion in den 1990er
Jahren, die das jüdische Leben in Deutschland grundlegend
veränderte. Schließlich geht es um die heutige Vielgestaltigkeit
jüdischer Identität und um aktuelle Erfahrungen neuer Migration –
etwa junger Israelis seit den 2010er Jahren – im Spannungsfeld von
Chancen, Selbstbehauptung und aktuellen Bedrohungen.
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31.10.2025
39 Minuten
Der Begriff "Gastarbeiter" entstand bereits in der NS-Zeit,
berichtet der Historiker Ulrich Herbert im historycast. Allein im
Zweiten Weltkrieg seien bis zu 13,5 Millionen Menschen als
sogenannte "Zwangsarbeiter" nach Deutschland verschleppt worden. In
den 1950er Jahren sorgten Vertriebene und Flüchtlinge für
ausreichend Arbeitskräfte in der Bundesrepublik. Anwerbeabkommen
seinen erst nach dem Mauerbau 1961 relevant geworden, als keine
geflohenen Fachkräfte aus der DDR mehr zur Verfügung standen.
Herbert bezweifelt allerdings, dass die sogenannten Gastarbeiter
für den Wohlstand der Bundesrepublik unerlässlich waren. Sehr lange
habe die Politik, vor allem die Union, nicht akzeptieren wollen,
dass Deutschland zum Einwanderungsland geworden sei. Rechtsradikale
hätten in ganz Europa das Thema Migration für sich entdeckt und
politisiert. Die Situation für Migranten, so Ulrich Herbert im
Gespräch mit Heiner Wember, sehe in Deutschland besser aus als in
den meisten anderen europäischen Ländern "nach den Maßstäben
Heiratsverhalten, Aufstieg, sozialer Aufstieg, Kinder." Herbert
kommt zu dem Ergebnis: "Insgesamt ist die Migrationsgeschichte der
letzten 40, 50 Jahre in Deutschland eine Erfolgsgeschichte."
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17.10.2025
35 Minuten
Wie verändert Migration die deutsche Sprache – und wie viel
Vielfalt steckt eigentlich im heutigen „Kiezdeutsch“? Im neuen
historycast spricht Almut Finck mit dem Soziolinguisten Ibrahim
Cindark über die sprachlichen Spuren von Einwanderung und
Integration. Cindark erläutert, wie Gastarbeiterdeutsch, Kanak
Sprak und Jugendsprache entstehen, warum Begriffe wie „Lan“ und
„Yallah“ ihren festen Platz im deutschen Alltag gefunden haben und
weshalb die Aufnahme von fremden Wörtern ein Zeichen für die
Lebendigkeit einer Sprache, nicht ihren Niedergang ist. Der Podcast
beleuchtet, wie Migration schon immer zum Wandel von Sprache
beigetragen hat – von französischen Lehnwörtern zur Zeit der
Einwanderung der Hugenotten bis zur Gegenwart. Es wird diskutiert,
wie Code-Switching sowie neue urbane Sprechstile unser Verständnis
vom Deutschen und auch das, was im Duden steht, nachhaltig
verändert haben.
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03.10.2025
49 Minuten
Flucht und Vertreibung 1945 – Deutsche Nachkriegsgesellschaft im
Wandel Die zehnte Folge des Historycasts widmet sich den Themen
„Flucht und Vertreibung 1945“, ihren Ursachen sowie den
gesellschaftlichen Folgen in Deutschland. Historiker Philipp Ther,
ein international renommierter Experte für Migrationsgeschichte,
erläutert im Gespräch mit Almut Finck die Komplexität der
Zwangsmigrationen nach Kriegsende und ihre tiefgreifenden Effekte
auf die deutsche Gesellschaft. Die Folge spiegelt wider, wie Flucht
und Vertreibung nicht nur die Nachkriegsgesellschaft geprägt haben,
sondern auch aktuelle Debatten über Migration, Integration und
kollektive Erinnerung beeinflussen. Hintergrund: Zwangsmigration
nach 1945 Bis zu 14 Millionen Menschen – Flüchtlinge und
Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, Volksdeutsche
Minderheiten und andere Opfer gezielter ethnischer Vertreibung –
suchten nach 1945 eine neue Existenz in den zerstörten Regionen
West- und Mitteldeutschlands. Der Podcast beleuchtet die
historischen Wurzeln dieser Vorgänge, von radikalen
nationalistischen Ideen im 19. Jahrhundert, über den sog.
Generalplan Ost im Rahmen der völkisch-nationalen NS-Ideologie oder
das Münchner Abkommen (1938) bis zum Potsdamer Abkommen. Außerdem
kommt der globale Kontext von Zwangsmigration und
Bevölkerungsaustausch (Stichwort z.B.: Lausanne 1923,
griechisch-türkischer Bevölkerungsaustausch) zur Sprache.
Willkommenskultur vs. Ressentiments Die Aufnahmebedingungen 1945
unterschieden sich fundamental von heutigen Fluchtbewegungen wie
2015. In den Nachkriegsjahren herrschten Not, Ressourcenknappheit
und Misstrauen gegenüber Ankömmlingen. Nationalsozialistische
Denkmuster und Vorurteile (etwa gegen „Polacken“ oder Volksdeutsche
mit Akzent) prägten die gesellschaftliche Aufnahme und führten oft
zu sozialer Ausgrenzung. Dennoch gab es auch spontane
Hilfsbereitschaft und Solidarität in einigen lokalen Gemeinschaften
– ein ambivalentes Bild zwischen Integrationserfolg und dauerhaften
Ressentiments. Integration: Erfolg und Schattenseiten Obwohl die
Integration der Vertriebenen in der Bundesrepublik oft als
Erfolgsgeschichte bezeichnet wird – etwa als Beitrag zum
Wirtschaftswunder und zur demokratischen Entwicklung – wird sie von
Historikern wie Philipp Ther auch kritisch hinterfragt.
Statistische Daten und persönliche Erfahrungsberichte illustrieren,
dass viele Geflüchtete auch Jahrzehnte später in prekären
Verhältnissen lebten und negative Auswirkungen auf nachfolgende
Generationen spürbar waren. Integrationsmaßnahmen wie
Lastenausgleich und Bodenreform werden genannt, ebenso wie die
Binnenmigration ins Ruhrgebiet und die Rolle städtischer und
ländlicher Lebensräume. Gesellschaftliche Debatten und
Erinnerungskultur Der Podcast diskutiert die Erzählmuster über
Flucht, die oft das eigene Leid betonen und eine differenzierte
Betrachtung der Vorgeschichte ausblenden. Die Rolle der
Vertriebenenverbände, die Kontroversen um das Dokumentationszentrum
Flucht, Vertreibung und Versöhnung sowie die emotionalen und
politischen Folgen für Betroffene und Aufnahmegesellschaft werden
ausführlich dargestellt. Persönliche Erinnerungen und
wissenschaftliche Erkenntnisse (z.B. von Petra Reski, Harald
Jähner) bieten einen vielschichtigen Einblick in die kollektive
Verarbeitung von Verlust und Wandel.
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Über diesen Podcast
Was war, was wird? Der historycast des Verbandes der
Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands e. V. In diesem
Podcast werden Diskussionen der Geschichtswissenschaft spannend und
anspruchsvoll aufbereitet. Die beiden radioerfahrenen Autor*innen
des WDR-Geschichtsformats ZeitZeichen, Dr. Almut Finck und Dr.
Heiner Wember, interviewen bekannte Wissenschaftler*innen, die ein
Buch zu einem historischen Thema geschrieben haben, das aktuell
diskutiert wird. Die Themen bilden zudem die Schulcurricula ab und
berühren die großen Fragen unserer Zeit, um dem omnipräsenten
Mediengewusel und Fakenews eine seriöse Perspektive
gegenüberzustellen. Zu allen Podcasts wurden Unterrichtsmaterialien
entwickelt. Diese stehen Ihnen hier kostenfrei zu Verfügung:
www.historycast.de Das Projekt wird durch die Bundesbeauftragte für
Kultur und Medien (1. und 2. Staffel), das Ministerium des Inneren
(3. Staffel) und die Stiftung Orte der Demokratiegeschichte (4.
Staffel) gefördert.
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