Podcaster
Episoden
24.11.2025
1 Stunde 2 Minuten
Der Titel der heutigen Episode lautet: Mensch und Technik über
Generationen — eine Reflexion mit Magdalena Molnar und Gabriel
Kopper.
Der Titel hat wenigstens zwei Bedeutungen: einerseits, wie
Technik über Generationen wirkt, wie wir mit ihr umgehen und sie
vermeintlich auch steuern; die andere Bedeutung bezieht sich auf
meine heutigen Gäste Magdalena und Gabriel. Beide sind Studenten
an der TU Wien und damit deutlich jünger als ich selbst und auch
jünger als die meisten Gäste, die ich im Podcast zum Gespräch
habe.
Wir reflektieren verschiedene Themen, die im Podcast teilweise
schon angesprochen wurden, auch unter dieser Perspektive. Wir
sprechen
über die Motivation, in der heutigen Zeit zu studieren, zumal
ein technisches Studium,
was treibt Innovation und welche Rolle haben wir als
Menschen, auch als junge Ingenieure, in diesem Prozess?
was wissen wir eigentlich, und wie gehen wir mit unserem
Unwissen um?
wie sehen jüngere Menschen das Unternehmertum, den Willen,
eigene Risiken einzugehen, anstatt sich vermeintlich durch das
Leben tragen zu lassen
muss man heute seine eigene Marke entwickeln?
… und zuletzt machen wir gemeinsam eine Zeitreise
und enden mit zwei sehr schönen Zitaten von Magdalena und
Gabriel, die Sie nicht verpassen sollten.
Kurz noch zur Vorstellung meiner Gäste:
Magdalena Molnar ist Masterstudentin im Studiengang
Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau an der TU Wien und
arbeitet bereits nebenbei im technischen Bereich. Im Rahmen
meiner Lehrveranstaltung »Technik für Menschen« entstand die
Idee, unsere Gespräche über die Rolle von Technik im Alltag sowie
über ihre Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt in einem Podcast
fortzusetzen.
Gabriel Kopper studiert Elektrotechnik an der TU Wien, hat
ebenfalls bei mir das Seminar gemacht und ist seitdem
langjähriger und zum Glück kritischer Hörer des Podcasts. Er war
bereits zu Gast in einer vergangenen Episode, und ich freue mich,
dass er wieder Zeit gefunden hat.
Wenn Sie mich ein wenig unterstützen wollen und sich gleichzeitig
in den Themen des Podcasts inhaltlich vertiefen wollen, kaufen
Sie bitte mein neues Buch
»Hexenmeister oder Zauberlehrling. Die Wissensgesellschaft in der
Krise«.
Außerdem steht Weihnachten vor der Tür, und was ist ein besseres
Geschenk für Freunde, Familie oder Kollegen als ein gutes Buch?
Wir beginnen mit der Frage, wie sich die Sichtweisen
unterschiedlicher Generationen unterscheiden. Wer treibt
Innovation: Technik schreitet voran, oder der Bedarf, die Wünsche
der Menschen ziehen? Gabriel zitiert den Nobelpreisträger Herbert
Krömer über die Erfindung des Lasers:
»Die entscheidenden Anwendungen jeder hinreichend neuen
Technologie waren immer Anwendungen, die von der Technologie
selbst erst erschaffen wurden — und das wird in Zukunft so
bleiben.«
Wie sieht es mit der Rezeption und den Risiken neuer Technik für
verschiedene Generationen aus? Wie sieht es mit den Generationen
in der Entwicklung neuer Technologien aus?
Was ist Wissen? Warum ist es wichtig, tacit/implicit knowledge zu
unterscheiden?
»If there would be a logical answer we would have already found
it«, Rory Sutherland
Der Techniker/Ingenieur hat durch seine Wahl, in welchem
Unternehmen er arbeitet, eine wichtige Gestaltungsfunktion —
sozusagen ein Abstimmen mit den Füßen der eigenen Anstellung.
Wie sieht die junge Generation die Rolle von Unternehmen?
Arbeitsumfeld, Motivation? Wie erkennt man seine Stärken, wenn
man nicht verschiedene Dinge ausprobiert? Und wie sieht es mit
der Unternehmensgründung aus?
Was könnten die Folgen der KI für Jobs gerade von Uni-Absolventen
sein? Muss man heute seine eigene Marke bilden, um relevant zu
bleiben?
Was bedeutet heute Vernetzung? Welche Rolle spielen digitale
Medien? Was hat sich verändert? Im privaten, aber auch im
beruflichen Vernetzen?
Was sind heutige Rollenbilder? Gibt es die? Oder ist es eine
krisenmüde Jugend geworden?
»Die Omnipräsenz der Krise, die zu einem Merkmal unseres Lebens
geworden ist, stellt uns jedoch vor ein großes Problem: Die Krise
ist die Unterbrechung des Alltags, nicht dessen Fortsetzung mit
anderen Mitteln.«, Konrad Paul Liessmann
Wenn wir mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit reisen
könnten, welche Zeit würden wir gerne sehen, erleben?
Was ist wichtiger: Freiheit oder Sicherheit? Eigenverantwortung
oder Staat?
»Today it is almost heresy to suggest that scientific knowledge
is not the sum of all knowledge.«, Friedrich Hayek
Damit enden wir die Episode mit zwei wichtigen Fragen oder
Anregungen:
»Will man eine Gesellschaft sein, die gestaltet, oder eine, die
verwaltet wird?«
Was rät man einem jungen Menschen, der gerade überlegt, zu
studieren zu beginnen?
»Bleib mutig und bleib neugierig.«
Referenzen
Andere Episoden
Episode 137: Alles Leben ist Problemlösen
Episode 135: Friedrich Hayek und die Beschränktheit der
menschlichen Vernunft. Ein Gespräch mit Nickolas Emrich
Episode 132: Fragen an die künstliche Intelligenz — eine
konstruktive Irritation
Episode 125: Ist Fortschritt möglich? Ideen als Widergänger
über Generationen
Episode 116: Science and Politics, A Conversation with Prof.
Jessica Weinkle
Episode 107: How to Organise Complex Societies? A
Conversation with Johan Norberg
Episode 105: Reflexionen mit Gabriel Kopper
Episode 92: Wissen und Expertise Teil 2
Episode 84: (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David
Zimmermann
Magdalena und Gabriel
Magdalena Molnar auf LinkedIn
Gabriel Kopper auf LinkedIn
Fachliche Referenzen
10 Rules of Alchemy by Rory Sutherland
Herbert Kroemer, Nobel Lecture: Quasielectric fields and band
offsets: teaching electrons new tricks (2001)
Konrad Paul Liessmann, Was nun? Eine Philosophie der Krise,
Paul Zsolnay Verlag (2025)
Friedrich Hayek, The Use of Knowledge in Society, The
American Economic Review (1945)
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08.11.2025
32 Minuten
Der Titel der heutigen Episode lautet: »Komfortable Disruption«.
Komfortable Disruption ist eigentlich eine Verkürzung; genauer
gesagt müsste der Titel lauten: »Komfortable evolutionäre
Disruption«, aber das ist natürlich sperriger. Es hört auch wie
ein Gegensatz an, und diese Provokation soll auch so sein.
Evolution bedeutet graduelle Veränderung, jedenfalls aus Sicht
des Genotyps; also aus Sicht der Bauform, die Auswirkungen können
recht erheblich sein.
Mein neues Buch: Hexenmeister oder Zauberlehrling? Die
Wissensgesellschaft in der Krise kann vorbestellt werden!
Disruption bedeutet aber einen Umbruch, bei dem sich sehr viel in
relativ kurzer Zeit verändert. Wie kann beides zusammengehen?
Oder noch genauer: warum muss vermutlich beides zusammengehen?
Und noch wichtiger: was hat das mit Komfort zu tun? Ich versuche
in dieser Episode zwei Dinge zu erreichen:
(1) Ein paar Einsichten, zu denen ich in den vergangenen Monaten
gelangt bin, teilen, weil diese wirklich coole Beobachtungen über
Form, Weg und Geschwindigkeit von Innovationen sind, die vielen
nicht bewusst sind und auch mir in Tiefe und Breite nicht klar
waren; da werde ich einige Beispiele nennen.
(2) Daraus abgeleitet ein paar Fragen, was wir von diesen
Beobachtungen für die heutige Zeit und die Zukunft lernen können,
und zwar sowohl in der Beobachtung und Interpretation dessen, was
um uns herum passiert, aber auch, was das für Geschwindigkeit und
Form von Innovationen in der Zukunft bedeuten könnte.
Wir stellen in dieser Episode die Frage, was die TAP-Theorie
(Theory of the Adjacent Possible) damit zu tun hat, warum jeder
Alexander Bell als Erfinder des Telefons kennt, Elisha Gray aber
unbekannt geblieben ist.
Die wichtigste Frage aber ist: was geschieht beim Übergang vom
Alten zum Neuen und was hat es mit Mimetic Ornamentation
(Mimesis) zu tun?
»universal human reaction to technological change: the tendency
to reproduce in new materials and techniques shapes and qualities
familiar from past usage, regardless of appropriateness. This
tendency may be called the principle of mimesis.«, Roger Scruton
Ich schildere dies anhand einer Reihe von wirklich faszinierenden
Beispielen:
Architektur in der Antike
Entwicklung der Eisenbahn und des Autos
Kleidung
Fenster und Fassaden
Holz-Konstruktionen und deren Echos in die Gegenwart
Skeuomorphismus in der Software
Zugabteil aus der Mitte des 19. Jahrhunderts (Modell, Technisches
Museum Wien)
Was sind die treibenden Kräfte für dieses Mimikri, diese
mimetischen Ornamente und vergleichbarer Phänomene?
»People have generally tended to resist change; they find it
reassuring to be surrounded by known and familiar forms.
Reproducing them as ornament on newly introduced forms is a
common reaction to the vague feeling of uneasiness that rapid
social and technological change induces; it provides a satisfying
sense of continuity between the past and the present.«, Roger
Scruton
Aber es ist nicht nur der Widerstand gegen Neues, es gibt noch
eine Reihe von anderen Gründen, warum sich Innovation älterer
(Design-)Elemente bedient. Welche sind das?
Was treibt nun diese Mimikri? Warum ist das wichtig, relevant?
Was können wir aus diesen Beobachtungen über Innovation lernen,
die Geschwindigkeit von Veränderung und die Frage, ob es uns
gelingen kann oder wird, die Stagnation der letzten Jahrzehnte zu
überwinden.
Referenzen
Andere Episoden
Episode 136: Future Brunels? Learning from the Generation
that Transformed the World. A Conversation with Dr. Helen Doe
Episode 128: Aufbruch in die Moderne — Der Mann, der die Welt
erfindet!
Episode 125: Ist Fortschritt möglich? Ideen als Widergänger
über Generationen
Episoce 124: Zeitlos
Episode 123: Die Natur kennt feine Grade, Ein Gespräch mit
Prof. Frank Zachos
Episode 110: The Shock of the Old, a conversation with David
Edgerton
Episode 104: Aus Quantität wird Qualität
Episode 99: Entkopplung, Kopplung, Rückkopplung
Episode 90: Unintended Consequences (Unerwartete Folgen)
Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
Episode 71: Stagnation oder Fortschritt — eine Reflexion an
der Geschichte eines Lebens
Episode 65: Getting Nothing Done — Teil 2
Episode 64: Getting Nothing Done — Teil 1
Episode 35: Innovation oder: Alle Existenz ist Wartung?
Episode 18: Gespräch mit Andreas Windisch: Physik,
Fortschritt oder Stagnation
Fachliche Referenzen
Kevin Kelly, What Technology Wants, Penguin (2011)
Marina Cortes, Stuart A. Kaufman, Andrew R. Liddle, Lee
Smolin, The TAP equation: evaluating combinatorial innovation
inbiocosmology (2025)
Roger Scruton, Mimetic Ornamentation (Britannica)
Rupert Riedl, Die Strategie der Genesis, Piper (1984)
Holzarbeiten, Panele: The Amazing Invisible Detail (Youtube)
Benz Patent-Motorwagen (1886)
Stadtmuseum Coburg: Flocken Elektro Wagen (1888)
»Livet kan kun forstås baglæns, men det må leves forlæns.«,
Soren Kierkegaard, aus seinen Tagebüchern (1843)
Leonard E. Read, I, Pencil (1958)
in seinen Tagebüchern (1843). I Pencil
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28.10.2025
1 Stunde 19 Minuten
Der Titel der heutigen Episode ist: Im Windschatten der Narrative
und ich freue mich besonders, Ihnen meinen heutigen
Gesprächspartner Ralf M. Ruthardt vorstellen zu dürfen. Um den
politischen Diskurs zu verstehen, erscheint es von großer
Bedeutung, sich mit den Begriffen Narrativ und Framing
auseinanderzusetzen. Es freut mich sehr, dass sich Ralf M.
Ruthardt zu einem Gespräch bereiterklärt hat, in dem wir die
Frage stellen, was es bedeutet, sich im Windschatten von
Narrativen zu bewegen.
Ralf M. Ruthardt hat sich über zwei Jahrzehnte mit
Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz beschäftigt. Er ist
Unternehmer und gründete mehrere Startups mit innovativen
Lösungen zur Automatisierung von Geschäftsprozessen. Seit 2023
publiziert Ruthardt zu gesellschaftspolitischen Fragen, was als
Folge politischen und medialen Agierens in Deutschland während
der Pandemie gedeutet werden darf. Den konstruktiven,
versachlichten und freundlich geführten Diskurs zu unterstützen,
ist eine der wesentlichen Motivationen von Ralf M. Ruthardt als
Autor gesellschaftspolitischer Romane und als Herausgeber des
Magazins »mitmenschenreden«. Er hält den Wechsel der Perspektive
für wesentlich, um in Analyse und Lösung voranzukommen — und auch
die konstruktive Irritation, auf die wir noch zu sprechen kommen
werden.
Aber es gibt noch einen anderen, vielleicht ungewöhnlichen
Gedanken, der mir nach diesem Gespräch mit Ralf M. Ruthardt durch
den Kopf gegangen ist. Wieder eine meiner Abschweifungen, aber
folgen Sie mir bitte, ich glaube, das ist ein interessanter
Gedanke, der sich auch zwischen den Zeilen im Gespräch immer
wieder findet.
In der Biologie gibt es wohl ein Phänomen, das allerdings wenig
beschrieben ist — die sleeping functions, also die schlafenden
Funktionen. Ich verlinke in den Shownotes beispielhaft einen
Artikel. Wenn ich als Laie das Prinzip richtig verstehe, passiert
bei diesem Beispiel im Kern Folgendes: Ein Ökosystem gerät unter
Druck, weil bestimmte Spezies ausgerottet oder dysfunktional
werden. Als diese Spezies verschwinden, übernimmt eine
andere Art die ökologisch wichtige Funktion, die sie zuvor nicht
ausgeübt hat. Daher sleeping — schlafend. Wie sehr dieses
biologische Phänomen wirklich verbreitet ist, traue ich mich
nicht zu sagen, aber mir gefällt das Bild als Motiv für
notwendige gesellschaftliche Resilienz.
Wenn einzelne Systeme ausfallen oder ihren Dienst nicht mehr
richtig erfüllen, braucht es sozusagen »schlafende Funktionen«,
also Menschen wie Herrn Ruthardt und viele andere, die nun
einspringen und versuchen, ihren Beitrag zu leisten, um diese
gesellschaftliche Funktion zu erfüllen. Personen, die unter
anderen Umständen nie in diese Rolle geraten wären, wie er selbst
im Gespräch beschreibt.
Allein diesen Gedanke schlafender Funktionen von Bürgern, die in
Zeiten der Krise erwachen und versuchen, das System zu
stabilisieren, finde ich faszinierend. Was halten Sie von diesem
Gedanken?
Wir beginnen das Gespräch mit der Frage, wie man zum Titel »Im
Windschatten der Narrative« gelangt? Narrativ, Frame, Geschichte
— wie unterscheiden sich die Begriffe und was hat das mit einem
Beduinenzelt zu tun?
Sind die Begegnungspunkte, wo wir gemeinsame Narrative aufbauen,
weniger geworden?
»Die sinnstiftende Erzählung, wie die Welt funktioniert.«
Die Kernfrage ist nun: Wer liefert uns diese sinnstiftende
Erzählung? Woher stammt sie und mit welchem Motiv wird diese
verbreitet? Brauchen wir Narrative als Komplexitätsreduktion für
den Alltag und was sind die Risiken, die damit verbunden sind?
Haben wir uns in den vergangenen Jahrzehnten zu sehr damit
beschäftigt, wie wir unseren Wohlstand genießen und ausleben
können, als woher er kommt? Und damit mehr und mehr die
Fundamente unserer bislang erfolgreichen Gesellschaft untergraben
und ausgehöhlt?
»Technology is anything that wasn't around when you were born.«,
Alan Kay
Torkeln wir geradezu von der Banalität zur konstruierten
(beziehungsweise selbstverursachten) Krise?
Wie sollen wir mit der Tatsache umgehen, dass große Teile der
ehemaligen Leitmedien nicht mehr in erster Linie informieren,
sondern versuchen, uns zu belehren und in bestimmte politische
Richtungen zu bewegen? Aber auch alternative Medien und soziale
Medien sind natürlich nicht neutral und bergen eigene Gefahren.
»Wollen wir als Gesellschaft Journalismus so verstehen, dass die
dort agierenden Personen — ohne ein gewähltes Mandat zu haben —
uns als Gesellschaft über die Selektion von Informationen und
indem sie uns die Informationen so präsentieren und die
Interpretation gleich mitliefern, so führen, dass wir zu einem
bestimmten Ergebnis kommen? Wenn wir das wollen, müssen wir eine
andere Staatsform wählen.«
Was ist die Folge, wenn es immer weniger persönliche und direkte
Kontakte mit politisch handelnden Personen gibt? Ist Politik ein
Beruf — oder anders gesagt: Was ist die Folge von Politikern, die
ohne Politik keinen Beruf haben?
Wie spielen nun Narrative und Macht zusammen?
Irgendwann beginnt die Lebenswirklichkeit der meisten Menschen so
stark vom medialen Narrativ und Framing abzuweichen, dass diese
kognitive Dissonanz schlicht nicht mehr haltbar ist. Was passiert
dann?
Was geschieht, wenn über Sachverhalte nicht mehr faktisch
diskutiert wird, sondern quasi-religiöse Bekenntnisse
ausgetauscht werden? Vor jedem Argument müssen dann zunächst
Glaubensbekenntnisse ausgedrückt werden, um zu signalisieren,
dass man eh zur richtigen Seite gehört.
Welche Rolle sollten Demut und das Zulassen von Nicht-Wissen
spielen? Was kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk in dieser
Gemengelage (noch) leisten? Welche Rolle spielen hier
Skaleneffekte?
Sind wir als europäische Gesellschaft überhaupt noch in der Lage,
große Dinge auf die Beine zu stellen und alte Zöpfe
abzuschneiden? Es gibt mehr als die Baustelle des ÖRR; andere
aktuelle Beispiele sind die deutsche Bundeswehr oder die deutsche
Bahn, beides Sanierungsfälle, die eher hoffnungslos erscheinen.
Die schwerwiegende Frage ist: Was machen wir, wenn wir in einer
Situation angelangt sind, wo eine evolutionäre Verbesserung
eigentlich nicht mehr möglich ist? Aber die klassische Erkenntnis
des Konservatismus sagt, dass es viel einfacher ist, etwas
Funktionierendes zu zerstören, als es aufzubauen.
»Keine Lüge, die etwas auf sich hält, enthält Unwahres. Was
letztlich präpariert wird, ist vielmehr das Weltbild als Ganzes,
das aus den einzelnen Sendungen zusammengesetzt wird; […] Dieses
Ganze ist dann weniger wahr, als die Summe der Wahrheiten seiner
Teile; […] Die Aufgabe derer, die uns das Weltbild liefern,
besteht also darin, aus vielen Wahrheiten ein Ganzes für uns
zusammenzulügen.«, Günther Anders
Ist die Meinungslandschaft in den Eliten wirklich so homogen,
oder sind wir eher einer lautstarken und aggressiven Minderheit
auf den Leim gegangen, weil die Vernünftigen Angst hatten, sich
zu exponieren?
»Wir haben hier eine Konstellation, wo wenige über viele Macht
ausüben und im Grunde genommen die Aufgabe von Religion ersetzt
haben.«
Wichtiger als schnell zu sein bei Antworten wäre es, mehr Zeit
damit zu verbringen, die richtigen Fragen zu stellen!
Aber brauchen wir als Gesellschaft wirklich gemeinsame Narrative
oder können wir darauf verzichten?
»Wir brauchen gemeinsame Erzählungen, die aber nicht abdriften
ins Detail.«
Referenzen
Andere Episoden
Episode 135: Friedrich Hayek und die Beschränktheit der
menschlichen Vernunft. Ein Gespräch mit Nickolas Emrich
Episode 133: Desinformiere Dich! Ein Gespräch mit Jakob
Schirrmacher
Episode 131: Wot Se Fack, Deutschland? Ein Gespräch mit Vince
Ebert
Episode 130: Populismus und (Ordo)liberalismus, ein Gespräch
mit Nils Hesse
Episode 125: Ist Fortschritt möglich? Ideen als Widergänger
über Generationen
Episode 122: Komplexitätsillusion oder Heuristik, ein
Gespräch mit Gerd Gigerenzer
Episode 117: Der humpelnde Staat, ein Gespräch mit Prof.
Christoph Kletzer
Episode 116: Science and Politics, A Conversation with Prof.
Jessica Weinkle
Episode 111: Macht. Ein Gespräch mit Christine Bauer-Jelinek
Episode 109: Was ist Komplexität? Ein Gespräch mit Dr. Marco
Wehr
Ralf M. Ruthardt
Ralf M. Ruthardt auf LinkedIn und X
mitmenschenreden Magazin
Ralf M. Ruthardt, Das laute Schweigen des Max Grund, Edition
PJB (2023)
Fachliche Referenzen
Bellwood et al, Sleeping Functional Group Drives Coral-Reef
Recovery, Current Biology (2006)
Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen Bd. I: Über
die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution, Teil
1 und 2, C.H. Beck (2018)
Andy Clark, Surfing Uncertainty: Prediction, Action, and the
Embodied Mind, Oxford University Press (2019)
Mehr
12.10.2025
12 Minuten
»There are no solutions, only trade-offs«, Tom Sowell
Dieses aus meiner Sicht herausragend wichtige Zitat ist leider
nicht gut ins Deutschen zu übersetzen. Ich versuche es in dieser
Episode zunächst mit einer Umschreibung und dann mit einer
provokanten Theorie des Fortschrittes.
Gibt es bei komplexen Problemen also keine Lösungen, sondern
werden immer neue Probleme aufgeworfen, andere Systeme schlechter
gemacht, oder neue systemische Folgen nach sich gezogen? Man
verbessert also an einer Seite und verschlechtert an einer
anderen. Aber Moment — hört sich das vielleicht schlechter an,
als es in der Tat ist?
Mein neues Buch: Hexenmeister oder Zauberlehrling? Die
Wissensgesellschaft in der Krise kann vorbestellt werden!
In dieser Folge ein paar kurze Gedanken dazu, ich in Bezug
gesetzt zu früheren Episoden. Wie immer bei diesen kurzen
Monologen: es ist eine Anregung zum Nachdenken und Kritisieren;
und wenn sie kritisieren, machen Sie das bitte laut, sodass ich
es auch höre, z.B. auf X; oder wenn Sie es leider mögen, gerne
auch via E-mail.
Was passiert bei komplexen Problemen? Was sind Wicked Problems?
Treten neue Probleme auf derselben oder auf höheren systemischen
Ebenen auf und was sind die Folgen für Fortschritt?
»Je größer die Unsicherheit ist, umso einfacher muss man die
Regulierung [oder das Modell] machen.«, Gerd Gigerenzer in
Episode 122
Wenn »Lösungen« ein Problem reduzieren aber andere, neue Probleme
höherer Komplexität schaffen, was bedeutet das für unsere
Gesellschaft?
»If we would do nothing, we would also be surprised by
unpredictable developments. […] We solved the problems that were
existential and created better problems and level up. […] I
prefer those problems to the ones that made life nasty, brutish
and short.«, Johan Norberg in Episode 107
Und zum Schluss: sind bestimmte »Lösungen« alternativlos, wie
etwa in Politik oder Aktivismus gerne behauptet wird, oder ist
die Situation doch etwas komplizierter und weniger logisch?
»The opposite of a good idea can be another good idea.«, Rory
Sutherland
Referenzen
Andere Episoden
Episode 136: Future Brunels? Learning from the Generation
that Transformed the World. A Conversation with Dr. Helen Doe
Episode 129: Rules, A Conversation with Prof. Lorraine Daston
Episode 125: Ist Fortschritt möglich? Ideen als Widergänger
über Generationen
Episode 122: Komplexitätsillusion oder Heuristik, ein
Gespräch mit Gerd Gigerenzer
Episode 109: Was ist Komplexität? Ein Gespräch mit Dr. Marco
Wehr
Episode 107: How to Organise Complex Societies? A
Conversation with Johan Norberg
Episode 99: Entkopplung, Kopplung, Rückkopplung
Episode 94: Systemisches Denken und gesellschaftliche
Verwundbarkeit, ein Gespräch mit Herbert Saurugg
Episode 90: Unintended Consequences (Unerwartete Folgen)
Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft,
Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp
Blom
Episode 27: Wicked Problems
Fachliche Referenzen
Karl Popper, Alles Leben ist Problemlösen, Piper (1996)
Thomas Sowell, A Conflict of Visions: Ideological Origins of
Political Struggles (1987)
Rory Sutherland, Alchemy, WH Allen (2021)
Rory Sutherland, We have a Meeting
10 Rules of Alchemy by Rory Sutherland
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08.10.2025
60 Minuten
The title of this episode is "Future Brunels? Learning from the
Generation That Transformed the World." For my German listeners:
this episode is a perfect complement to Episode 128.
The first half of the 19th century was a time of remarkable
transformation, with England as a major driving force behind
changes that improved all aspects of our lives. In this episode,
I explore the achievements of one key figure of this era,
Isambard Kingdom Brunel, well-known in England but hardly
recognized outside of it—a true shame. I’m confident you’ll agree
with me by the end of this episode.
However, the purpose of this episode isn’t just to travel back to
the 19th century but to draw inspiration. What can we learn from
this extraordinary generation of engineers and entrepreneurs for
our time and the next generation?
Dr. Helen Doe is a historian, author, and lecturer. Her books
range from maritime to RAF history. It is people, often the
ordinary and sometimes unsung heroes and heroines, who attract
her attention. She has published books on the economic and social
aspects of Isambard Kingdom Brunel’s great ships. The First
Atlantic Liner featured the stories of the passengers and crew on
Brunel’s first ship, which linked Bristol, Liverpool, and New
York. This was followed by a book on the SS Great Britain. She
has appeared on many Radio 4 programmes and on TV. She is a
Fellow of the University of Exeter, where she previously taught a
range of courses and supervised postgraduates. She is a Fellow of
the Royal Historical Society (FRHistS) and Chair of the British
Commission for Maritime History. Helen was for many years a
trustee of the SS Great Britain and, in 2018, was appointed as a
member of the Council of Experts for National Historic Ships, a
government advisory body.
I personally became aware of Helen when I visited the
extraordinary museum in Bristol that showcases Isambard Kingdom
Brunel’s second ship, the SS Great Britain. We will talk about
this in our conversation.
The UK offers a number of extraordinary museums. The
aforementioned museum in Bristol is significant, but also
important in terms of maritime history and definitely worth a
visit is the museum in Portsmouth.
We start the conversation with a discussion of the three most
important ships of Brunel: the Great Western, the Great Britain,
and the Great Eastern. What was Brunel’s influence on the
important warships of the time, The Rattler and The Warrior? What
about his two lesser-known ships that ran the mail route to
Australia, the Victoria and Adelaide? Why were these ships so
important, not only in terms of maritime history?
“Communications that would take months sometimes were now reduced
to minutes.”
How so?
Construction of the Thames Tunnel with the patented shield
But to go back to the beginning: Isambard Brunel’s career started
by helping his father with the construction of the Thames Tunnel.
It continued with the Great Western Railway. Over his lifetime,
he built 1,600 km of railway tracks and managed international
railway construction projects around the world. More than 100
bridges were constructed by Brunel, many still in operation
today, nearly 200 years later. He also played a role in the
World Exhibition of 1851 and the construction and relocation of
the Crystal Palace.
But let’s take one step back: What happened from 1700 to 1900
that triggered this rapid and unprecedented technological,
societal, and commercial progress? This was not only Brunel but a
league of extraordinary gentlemen, so to speak.
What was Brunel’s background, why is it important, and how did
his father influence him? Why is it relevant that Isambard was
trained as a clockmaker? Was this a cosmopolitan time and
family, contrary to the assumptions some might have of the
Victorian and Georgian eras?
Many of these engineers and entrepreneurs, like Brunel and Joseph
Paxton, were self-made men. What role did mentoring, education,
and the open exchange of ideas among these men play? What were
Stevenson and Brunel’s views on patents? We joke that Brunel
would have been a fan of open-source software.
The Victorian era offered an ideal of upward mobility that these
people used for their own advancement and to the benefit of
society. The work of this society, this engineer-driven progress,
laid the foundations of our modern lives. Moreover, most of these
men were not limited to one domain. They were interested in and
mastered all sorts of problems:
“Their minds were so flexible, they just wanted to try out new
things.”
The breadth of Brunel’s competence is evident in many successful
undertakings; one astounding example is the construction of a
hospital for the Crimean War—or was it rather the invention of
IKEA?
“Engineers solve problems, no matter what they were”
How did people like Brunel manage to get so much done in their
lives, considering the time and the fact that he died rather
young at the age of only 53?
“You wonder how that man had any spare time at all when you line
up all his projects.”
We then discussed who financed all of these enterprises and who
took the risks? Also, what is the difference between people who
do things and people who mainly talk about things?
“Marine engines were limited in their efficiency and had to carry
so much coal that all the experts said: ‘Look, it’s not possible
to make a ship big enough to take it across the Atlantic.’”
And, as so often, many experts were wrong again. The Great
Western was highly successful, and there was a desire to build an
identical sister ship, but as so often, Brunel had other ideas.
Why not build the first large iron ship? The Great Britain!
These ships also represented luxury travel. What did this
mean in combination with this entirely new technology? How
did the “Tripadvisor reviews” of the 19th century work?
They experiences an age of transformation: everything changed,
and yet trust in skilled people who took enormous personal risks
enabled this transformation that is closer to a miracle than
evolutionary improvements.
We learn that innovation is unpredictable. Sometimes the inventor
does not realise he created something that transforms the world,
and sometimes he believes in an invention that ultimately fails.
Progress thus requires experimentation, risk-taking, and
patience.
What can we and our younger generation learn from these people
who transformed our world?
“Using the past to inspire the young of the future?”
Other Episodes
Episode 129: Rules, A Conversation with Prof. Lorraine Daston
Episode 128: Aufbruch in die Moderne — Der Mann, der die Welt
erfindet!
Episode 126: Schwarz gekleidet im dunklen Kohlekeller. Ein
Gespräch mit Axel Bojanowski
Episode 125: Ist Fortschritt möglich? Ideen als Widergänger
über Generationen
Episode 118: Science and Decision Making under Uncertainty, A
Conversation with Prof. John Ioannidis
Episode 110: The Shock of the Old, a conversation with David
Edgerton
Episode 107: How to Organise Complex Societies? A
Conversation with Johan Norberg
Episode 74: Apocalype Always
Episode 71: Stagnation oder Fortschritt — eine Reflexion an
der Geschichte eines Lebens
Episode 65: Getting Nothing Done — Teil 2
Episode 64: Getting Nothing Done — Teil 1
References
Website of Dr Helen Doe
Heleln Doe, The First Atlantic Liner, Brunel's Great Western
Steamship, Amberley (2020)
Helen Doe, SS Great Britain, Amberley (2022)
Steven Brindle, Brunel: The Man Who Built the World, W&N
(2006)
Brunel Biography by his son: Isambard Brunel B. C. I., The
Life of Isambard Kingdom Brunel, Civil Engineer (1870)
National Museum of the Royal Navy at Portsmouth Historic
Dockyard
Museum in Bristol / SS Great Britain (“Being Brunel”)
https://www.ssgreatbritain.org/collections-and-research/
The Future Brunels Program
I. K. Brunel's Crimean War Hospital, C. G. Merridew (2014)
Kate Colquhoun, A Thing in Disguise, The Visionary Life of
Joseph Paxton, Fourth Estate (2012)
Mehr
Über diesen Podcast
Woher kommen wir, wo stehen wir und wie finden wir unsere Zukunft
wieder?
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