Jahresend-Special: Kostensorgen und Vertrauenskrise – warum das Sicherheitsgefühl in der Schweiz wankt
29 Minuten
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vor 16 Stunden
Zum Jahresende blickt gfs.echo, der Podcast von gfs.bern, auf die
grossen Spannungen und Trends des politischen Jahres zurück. Lukas
Golder spricht mit Chloé Jans (Senior-Projektleiterin,
verantwortlich fürs Sorgenbarometer) und Urs Bieri (Co-Leiter
gfs.bern, «Wie geht’s Schweiz?») – begleitet von Jenny Roberts –
darüber, warum Kostendruck aktuell so vieles überlagert, wie sich
Sorgen und Vertrauen gleichzeitig verschieben und weshalb
geopolitische Unsicherheit das Sicherheitsgefühl auch in der
Schweiz stärker prägt, als es lange der Fall war.
In der Folge erwähnte Studien:
UBS Sorgenbarometer 2025
«Wie geht’s, Schweiz?»
ETH-Sicherheitsstudie «Sicherheit 2025»
Transkript zur Episode 00:00:02 Off-Sprecher gfs.echo,
der Podcast von gfs.bern. Mit Lukas Golder und Jenny Roberts.
00:00:12 Lukas Festtagsspecial. Heute ist der Podcast ein
bisschen eine Spezialausgabe. Ich freue mich sehr darauf.
Chloé Jans ist neben mir. Sie ist Senior-Projektleiterin und für
das Sorgenbarometer zuständig. Wenn ich von Co-Leiter rede, ist das
Urs Bieri eben der Co-Leiter, der «Wie geht's Schweiz?» für die SRG
zum Beispiel macht. Und Jenny ist wie immer bei mir. Sie hat auch
ein bisschen andere Studien angeschaut. Und der Eindruck ist für
mich, es war ein Jahr der Widersprüche. 00:00:39 Jenny
Ja, also du und ich haben uns in den letzten Monaten natürlich
stark mit dem Thema Gesundheitspolitik beschäftigt, im Rahmen der
ersten Staffel von gfs.echo und mich dünkt schon auch, also vor
allem bei einem Punkt, der sich durchgezogen hat, habe ich immer
wieder Widersprüchlichkeiten gesehen und das ist die ganze
Kostenfrage. Also wir haben einerseits die Bevölkerung, die sich
ein super Gesundheitssystem weiterhin wünscht, mit viel Innovation
und gleichzeitig verfolgt uns auch die Kostenfrage und es stellt
sich die Frage, inwiefern wir das in Zukunft in den Griff
kriegen. 00:01:08 Lukas Prämien waren die Top-Sorge in
den letzten Jahren. Wie sieht es im Moment aus bei den
Sorgen? 00:01:13 Cloé Ist auch dieses Jahr wieder an
erster Stelle. Natürlich auch vor dem Hintergrund von
Gesundheitsversorgung. Man möchte, wie du gesagt hast, Jenny, das
Wichtigste und das Beste haben. Aber natürlich vor allem auch im
Zusammenhang mit der Kostenfrage. Die Prämienlast drückt. Das sieht
man ja auch bei diversen politischen Anliegen. Es sind nicht nur
die Gesundheitskosten, die das Thema sind. Wohnkosten reden wir
auch immer wieder darüber, stimmen wir ab. Und im Sorgenbarometer
haben wir auch gesehen, zum Beispiel plötzlich Sparen, Staatskosten
sind auch ein Thema. Also Kosten, definitiv eines der Themen
2025. 00:01:46 Lukas Die Sorgen stehen ja auch ein
bisschen im Zentrum bei diesem Barometer. Man fragt ganz konkret,
was ist das dringendste politische Problem? Aber es ist auch ein
Vertrauensteil da, in diesem Sorgenbarometer. Ist das auch wieder
so ein Widerspruch, immer mehr Sorgen um die eigene Situation
finanziell, aber auf der anderen Seite wenig Vertrauen?
00:02:07 Cloé Ja, also ich glaube, was man als Erstes sagen
muss, trotzdem, dass man weniger Vertrauen in das politische System
im Bundesrat vor allem dieses Jahr hat, es gab ja auch recht viel
Dissonanz aus dem Bundeshaus dieses Jahr, ist es so, dass das
Vertrauen international vor allem immer noch recht hoch ist. Und
was ich eben vor allem auch einen Widerspruch finde, das ist etwas,
wo man vielleicht auch gleich den Urs einbeziehen könnte, weil
seine Studie habe ich geklaut aus der "Wie geht's Schweiz?"-Studie.
Dort hat es mich mega spannend gedünkt, dass die Leute eigentlich
sagen, Kosten sind ein Thema, es stresst mich, es bedrückt mich, es
sorgt mich. Aber eigentlich gibt es nicht so viele in der Schweiz,
die wirklich, wirklich unter prekären ökonomischen Umständen leben.
Und das ist auch quasi die Dringlichkeit, die gesellschaftliche,
die das Thema hat und die individuelle Situation sind auch ein
bisschen andere. 00:02:54 Urs Also ich finde genau das
spannend, wenn man "Wie geht's Schweiz?" aus der Sicht, wie geht es
mir als Einwohner, Einwohnerin in diesem Land, in meiner
Familiensituation, mit meinen Kindern, die vielleicht auch in der
Schule sind oder ich bin älter und habe irgendeine Pension oder
eine kleine Pension, wirklich anschaut, was mit Sorgen tatsächlich
entsteht. Das ist plötzlich ein ganz anderer Sorgenbarometer. Es
sind nicht mehr die gesellschaftlichen, die politisch stark
diskutierten Sorgen, sondern meine Sorge ist, bin ich reich, bin
ich arm, bin ich krank, bin ich gesund und vor allem auch, bin ich
einsam oder habe ich ein tragfähiges Beziehungsumfeld? Immer wenn
die Antwort Nein ist in diesem Zusammenhang, wenn ich arm bin, wenn
ich krank bin, wenn ich einsam bin, dann wird die Sorge zu einer
existenziellen Not. Und meine Zufriedenheit in der Schweiz,
insbesondere in diesem reichen Land Schweiz zu leben, nimmt enorm
ab. Und der Vorteil ist halt, die wenigsten haben das. Die meisten
Personen sind eben nicht arm, die meisten Personen sind nicht
einsam, sie sind auch nicht krank. Und darum muss es vielleicht
rein aus dem eigenen Alltag heraus durchaus eine hohe
Krankenkassenprämie leiden. Man geht deswegen nicht auf die
Strasse, auf die Barrikaden, solange eben die anderen, die
individuell wichtigen Sorgen erfüllt sind, mag es relativ viel als
Gesellschaft leiden. 00:04:07 Lukas Ich habe das
Gefühl, die Resilienz kommt vielleicht von innen, aber auf der
anderen Seite nehmen natürlich die geopolitischen Sorgen auch zu.
Hast du nicht aus diesem Sorgenbarometer auch mitgenommen, dass das
einfach auch diese Unsicherheit auf das Gemüt wirklich
durchschlägt? 00:04:23 Cloé Doch extrem, wir haben es
wieder mit extrem existenziellen Sorgen zu tun. Also wir haben
wieder Krieg in Europa, das hinterlässt schon auch Spuren, auch
wenn man merkt, geht ein bisschen auf das ein, was Urs gesagt hat,
dass wir schon in einer sehr privilegierten Lage sind in der
Schweiz. Das Sicherheitsgefühl ist trotzdem immer noch relativ
hoch, aber Krieg in der Ukraine macht den Leuten mehr Sorgen,
deutlich mehr als letztes Jahr, Krieg in Gaza. Einer der grössten
Sorgensprünge, die ich in der Geschichte des Sorgenbarometers
gesehen habe, ist die Sorge um die Präsidentschaft von Donald
Trump. Das ist wirklich etwas, das die Leute extrem beschäftigt.
Das Vertrauen in die USA ist wirklich quasi ins Loch gefallen. Und
da sehen wir schon, die geopolitischen Unsicherheiten, die
machen... den Leuten Sorgen. Und ich finde, die spannende Frage
wird sein, wem unterwerfen wir uns? Den USA oder Europa? Weil
Europa ist auch wichtiger geworden. Also da sieht man schon, der
Druck ist von allen Seiten auf das gallische Dorf Schweiz am
einwirken. Und wer am Schluss dann wirklich die Leseweise der
Situation bestimmt, das nimmt mich dann Wunder.
00:05:23 Urs Ich finde, das Wort Unsicherheit extrem spannend, wenn
man es aus dem eigenen Alltag aus sieht. Ich sehe mal in der Studie
"Wie geht's Schweiz?" die Bevölkerung ist viel unsicherer. Sie ist
insbesondere mit Blick in die Zukunft unsicherer. Sie ist
unsicherer, ob unsere nachfolgenden Generationen noch das Gleiche
oder den gleichen Wohlstand erleben wie wir erlebt haben. Und das
hat genau mit diesen Problemfeldern zu tun. Also irgendwo sieht man
am Horizont dunkle Wolken, die da auftauchen. Man steht selber
nicht im Regen, vielleicht sogar wirklich in der Sonne, aber
trotzdem sind diese Wolken da. Und man vermutet oder befürchtet
tatsächlich, dass es so zufrieden oder so glückselig oder so
gallisches Dorf-artig nicht weitergehen wird. 00:06:01
Jenny Du siehst eben, bei "Wie geht's in der Schweiz?", die
Bevölkerung ist unsicherer als auch schon, was die eigene
Sicherheit anbelangt. Aber vielleicht muss man das auch noch in den
Kontext setzen. Es gibt quasi die Sicherheit in der Schweiz drin,
die vielleicht zurückgeht, aber insgesamt eigentlich immer noch
recht hoch ist. Aber vor allem, wie es Cloédu schon so ein bisschen
antönt hat, es geht vor allem um die internationale Sorgen.
Beispielsweise habe ich die ETH-Sicherheitsstudie angeschaut und
dort hat es mich schon recht gewundert. Es sind nur etwa ein
Fünftel der Leute, die eine optimistische Sicht auf die
weltpolitische Lage haben. Ich denke, es sind vor allem der Druck
von aussen, der dann das Gefühl ausmacht und weniger der
Schweiz-interne. 00:06:37 Urs Das spürt man in
verschiedenen Studien sehr stark. Du hast es angesprochen mit der
Vertrauensfrage. Unser System hat verschiedene Elemente, die
wichtig sind in der Demokratie. Wir können teilnehmen, wir haben
Teilhabe, wir können abstimmen. Das hilft uns sehr zufrieden mit
diesem System. Wir sind auch zufrieden mit mit der Systematik, mit
dem Regelwerk von diesem System, mit der Gewaltenteilung, mit dem
Gesetzgebungsprozess. Das ist der Bevölkerung eigentlich
unbestritten. Was aber tatsächlich das Problem ist, du hast es sehr
schön angesprochen, ist auch die Output-Sicht. Und dort hat auch
die Schweizer Bevölkerung einfach grosse Fragenzeichen. Ob die
Politik als Resultat noch die Probleme lösen kann, die im Moment
anstehen, auch wenn man sie vielleicht selber nicht als Problem
erlebt. Die Angst und die Befürchtung ist da und sie mindert
sichtbar die Zufriedenheit auch in der Schweiz mit dem politischen
System. Eine grosse Studie gemacht auch in den Nachbarländern, noch
viel weitergehend ist das weiterentwickelt im Ausland, in den
Nachbarländern. 00:07:34 Lukas Aber haben wir jetzt
eine Vertrauenskrise? Sagen wir jetzt auf der nationalen Ebene,
Bundesrat, haben wir gesehen, verliert, ist es eine Vertrauenskrise
politischer Institutionen, ja oder nein? 00:07:44 Urs
Die spannende Frage ist, wie man Vertrauen definiert. Wenn man
sagt, Vertrauen ist "Alle denken gleich", dann haben wir eine
Krise, weil wir denken nicht mehr alle gleich, aus ganz vielen
Gründen nicht. Aber vermutlich ist ein gesunder Grad von
Polarisierung im Sinne von Vielfalt der Meinungen und
Reibungsfläche, der Kern der Politik, absolut zentral. Darum heisst
es einfach, andere Meinungen zu haben und dem Gegner vielleicht
auch etwas misstrauen. In Bezug auf seine Meinung ist es vielleicht
gar nicht so schlecht. Schwierig wird es tatsächlich dann, wenn die
Vertrauenskrise zu einer Spaltung wird und wenn man nicht nur
einfach anderer Meinung ist und vielleicht nicht glaubt, was die
andere Person sagt, sondern die andere Person dabei auch noch sehr
doof findet und schlussendlich nicht mehr bereit ist, sich mit
dieser anderen Person auseinanderzusetzen. Dann haben wir eine
Vertrauenskrise. Aus meiner Sicht in der Schweiz es nicht der
Fall. 00:08:35 Cloé Man könnte auch sagen, eine
Vertrauenskrise hat man dann, wenn die Erwartungen, die man an ein
System hat, einfach permanent enttäuscht werden. Ganz unabhängig
davon, ob wir jetzt polarisiert sind oder nicht. Und ich finde, da
sieht man im Sorgenbarometer zum Beispiel die mega spannende Frage,
die man die Leute immer fragt. Haben die dann das Gefühl, die
Schweizer Politik müsste jetzt mit Bezug auf die Aussenpolitik
offensiver auftreten und dort zeigen die Leute Jahr für Jahr, ja
gern, viel offensiver, klarere Ansagen machen. Und was zurückkommt,
ist aber immer, man hat das Gefühl, das ist nicht erfüllt worden
so. Und das kann halt auch zu einer Vertrauenskrise führen. Und
gerade im Moment, wo so fest Aussenpolitik im Zentrum steht und wo
es so fest darum geht, wie die Schweiz ihre Interessen gegen Aussen
eben auch verteidigt, Stichwort Zollhammer zum Beispiel, kann es
eben auch sein, dass durch diese enttäuschten Erwartungen
schlussendlich einfach auch das Vertrauen sinkt.
00:09:27 Lukas Hat man nicht auch gesehen, dass die Schweiz in
diesen Fragen schwach ist? 00:09:31 Cloé Ich glaube,
es ist schon ein Reality-Check, ganz ehrlich gesagt. Da würden
jetzt gewisse Leute, je nach Seite des Spektrums, wo man
draufsteht, vielleicht etwas anderes sagen. Aber schlussendlich ist
die Schweiz ein kleines Land, verhältnismässig für die Grösse eine
grosse Volkswirtschaft. Aber trotzdem, man kann nicht einfach
kommen und jede Ansage machen. Man ist dann halt auch ein bisschen
konfrontiert mit den mächtigeren Leuten. Und im Moment findet eine
Reorganisation von geopolitischen Machtverhältnissen statt. Und da
ist jetzt die Schweiz nicht die, die an vordester Front mittun
kann. Und ich könnte mir schon vorstellen, dass das auch ein
bisschen ernüchternd ist. 00:10:08 Jenny Ich glaube,
das erklärt zu einem gewissen Grad auch den Punkt, den du eingangs
erwähnt hattest, mit dem tendenziell sinkenden Vertrauen in den
Bundesrat gemäss Sorgenbarometer. Und doch, um den Bogen wieder ein
bisschen aufzumachen, ich habe das Gefühl, es ist wichtig, dass wir
uns vor Augen führen. Es ist nicht so, dass wir grundsätzlich ein
tiefes Vertrauen in die verschiedenen politischen oder auch
sonstigen Institutionen im Schweizer System hätten. Es ist
vielleicht etwas, wo man jetzt ein bisschen näher hinschauen muss
als auch schon. Aber insgesamt stehen wir nicht so schlecht an,
oder? 00:10:38 Cloé Ja, voll. Es ist aber auch nicht
nur aufgrund von ausserpolitischen Vorkommnissen. Ich habe das
Gefühl, wirklich, gerade wenn man über den Bundesrat redet, hat man
wie so im ersten halben Jahr, ist wirklich einfach eine Krise nach
der anderen, Kampfjets, eben Zollhammer, irgendwie hat das Gefühl,
das Gremium hat nicht funktioniert. Und das trägt natürlich auch
dazu bei. Aber wir haben schon auch, ich weiss jetzt, eben, ich
glaube, wie du gesagt hast, Urs, Im System an sich ist ein grosses
Vertrauen da und man wünscht sich weiterhin demokratische
Strukturen und man glaubt auch an das. Aber man ist schon auch ein
bisschen weniger verzaubert durch das, was politische Parteien
machen, was Nationalen Ständerat machen. Da ist schon mehr
Misstrauen da als auch schon. 00:11:19 Lukas Gehen wir
in die Dinge, wo das Vertrauen offensichtlich, wie Urs gesagt hat,
ein wenig stärken können. Das ist die direkte Demokratie. Das ist
auch ein Mythos. Es hat auch den Vorteil der Rückkopplung. Gehen
wir noch ein wenig auf die Abstimmungen ein. Nämlich die
Umweltverantwortungsinitiative Anfang Jahr und jetzt auch die
zweite Initiative, die den Klimabezug in diesem Jahr hatte, nämlich
die Forderung nach Erbschaftssteuer zugunsten des Klimas. Beide
sind sehr deutlich gescheitert und die Grünen verlieren alle
kantonalen Wahlen im Moment. Ist die grüne Welle jetzt komplett
durch? 00:11:54 Cloé Ich glaube, im Moment sind wir einfach
wieder in einer sogenannten postmaterial... äh, in einer
materialistischen Welt. Das ist eben, wenn man mit den Fremdwörtern
um sich wirft, dann fällt man darüber. Also Kosten sind
wieder wichtiger, sagen wir so. Es geht weniger um
Identitätspolitik, es geht weniger um vielleicht auch
Nachhaltigkeitsthemen. Das heisst nicht, dass die Leute es weniger
wichtig finden, im Gegenteil. Gemäss Sorgenbarometer weiterhin an
zweiter Stelle, gerade bei jungen Leuten extrem wichtig. Aber die
ökonomische Achse gewinnt im Vergleich zu den anderen Achsen, zu
der kulturellen, zu der Umweltfrage, wieder an Bedeutung. Und das
heisst, man setzt sich einfach wieder mit diesen Themen auseinander
und man möchte dort einfach wieder dringlichere Lösungen haben, als
es vielleicht früher der Fall war. Die Umweltfrage muss die Bühne
jetzt ein bisschen mehr teilen, als vielleicht noch vor vier, fünf
Jahren. 00:12:43 Urs Ich finde genau diesen Punkt sehr
spannend. Was in der Schweiz relativ wenig diskutiert ist, ist die
Interdependenz, der Zusammenhang zwischen den Themen. Die Themen
sind nie losgelöst. Jedes Thema ist zusammen mit einer ganzen
Themenwelt relevant. Und darum kann es eben sehr gut sein, dass
gleichzeitig fünf verschiedene Themen sehr hohe Wichtigkeit haben
und sehr hohe Problemsicht. Und gleichzeitig halt nicht jedes davon
Abstimmungen oder sogar Wahlen gewinnen kann. Beim Ökologie-Thema,
beim Klima-Thema sehen wir es im Moment sehr gut. Es wird im Moment
sehr stark, gerade auch von linker Seite, übertüncht oder
überstrahlt von einer Diskussion rund um Kaufkraft, über eine
Diskussion rund um Reich versus Arm, die berühmte Schere zwischen
dem Einkommen und den Vermögen, wie sie stattfindet. Und von
rechter Seite halt auch sehr stark das Thema Migration, Öffnung
versus quasi Eigenorientierung und das sind alles Themen, die immer
im Wettbewerb miteinander gekämpft haben, aber im Moment sind
gerade die Themen Kaufkraft und Migration einfach wesentlich
stärker. Sie dominieren im Moment und man kann fast jede Abstimmung
irgendwo mit diesen beiden Aufhängern mindestens miterklären.
00:13:57 Lukas Eine Provokation, die ich auch gemacht habe,
ist, dass die Stimmberechtigten oder der Stimmkörper egoistischer
wird. Du bist da ein bisschen anderer Meinung.
00:14:06 Urs Ja, Egoismus ist sehr ein grosses Wort. Egoismus gibt
es seit Jahrhunderten oder seit Jahrtausenden. Früher war
irgendeiner Kaiser und hatte alles und die anderen nichts. Das ist
maximaler Egoismus von einer Person versus alle anderen.
Kleinräumiger gab es das immer. Ich glaube, verändert hat sich
einfach die Grösse der einzelnen Gruppe. Früher war ich in meinem
Dorf, vor 100 Jahren, zusammen mit den anderen im gleichen Milieu,
sehr homogen, wir waren alle Männer, wir hatten alles zu sagen
politisch und dann wurde mein Entschied, auch wenn er sehr
egoistisch war, geteilt vom ganzen Dorf. Das hat sehr nicht
egoistisch ausgesehen und heute werden die Gruppen immer
kleinzelliger und es gibt immer kleinere Gruppen mit einem sehr
spezifischen Interesse, bis eben vielleicht hin zur einzelnen
Person. Aber schlussendlich machen sie noch genau das gleiche wie
früher, sie vertreten ihre eigene Meinung, aber sie haben damit
vielleicht sehr viel stärkere Konkurrenz mit ganz vielen anderen
Meinungen und damit wird sehr viel sichtbarer.
00:15:07 Cloé Ja, und vielleicht im Zusammenhang mit dem, was du
vorher gesagt hast, die affektive Polarisierung. Man mag es sich
einfach auch weniger gönnen. Also wenn dann die anderen mal
gewonnen haben, die eben vielleicht nicht mehr die gleichen sind
wie vorher und man selber ist in der Minderheit, dann stresst einem
das. Dann findet man, jetzt haben sie schon wieder die und man mag
sich nichts gönnen und man mag nicht miteinander reden und man hat
ganz andere Prioritäten und die Differenzen treten damit halt schon
viel stärker in den Vordergrund. 00:15:33 Urs Das ist
eine ganz wichtige Unterscheidung. Es gibt eine bekannte Studie der
Uni Madrid, die genau das untersucht. Und zum Schluss kommt, es
gibt zwei Arten von Polarisierung. Die eine ist rein inhaltlich, es
ist einfach der Wettkampf der Meinungen, wo sich Ideologien
aneinander reiben und damit vielleicht tatsächlich etwas Besseres
entsteht. Die Studie kommt zum Schluss, dass etwas Besseres
entsteht, dass politische Systeme stabiler sind, wo eben der
Meinungswettkampf tatsächlich stattfindet. Das kann aber übersetzt,
das sagst du sehr präzise, zur affektiven Polarisierung führen,
also dass man nicht nur nicht mehr miteinander spricht, sondern
wirklich gespalten ist in der Gesellschaft, dass man nicht mehr
bereit ist, miteinander im Privaten zu sprechen, nicht mehr bereit
ist, miteinander zu leben, dann ist das nicht eine Polarisierung,
die nützt, das ist eine Polarisierung, die spaltet, die vermutlich
auch im Egoismus der jeweiligen Gruppe Vortritt gibt. Und in
Gesellschaften, wo das stark ist, du hast USA angesprochen, ist
halt tatsächlich auch der Output von Politik wesentlich schlechter
und weniger nachhaltig als in Ländern wie der Schweiz, wo man es
sich gar nicht leisten kann, wenn man immer in Minderheit ist, bis
in das Parlament. 00:16:39 Lukas Jenny, wir sind ohne
meine Moderation zu diesem schon polarisierenden Thema im
Vorgespräch gekommen, zur Polarisierung. Wie steht eigentlich die
Bevölkerung selbst zu diesem Thema? Sie wählt zum Teil oft ein
wenig polarisiert. Manchmal hat man das Gefühl, sie stimmt mir
einmal mit dieser und einmal mit dieser Seite. Hauptsache ein wenig
Pfeffer drin. Ist die Polarisierung sozusagen gewollt?
00:17:03 Jenny Ich finde es noch schwierig, allgemeingültig zu
sagen. Gleichzeitig, wenn man auch an die Abstimmungen denkt vom
letzten Jahr, die wir uns angeschaut haben, oder gerade die letzte
im November im Kanton Zürich, da gab es vielleicht ein gutes
Beispiel dazu, zum Stadt-Land-Graben. Da habe ich schon sehr das
Gefühl, es gab einzelne oder mehrere Abstimmungen in den Jahren
vorher, die im Sinne mehr von der städtischen Bevölkerung
ausgegangen sind. Und jetzt gerade im November hat man gesehen,
schlägt man wieder zurück. Also das ist schon eine Tendenz, die man
vielleicht vermehrt sieht, jetzt aber vielleicht eben bei anderen
Themen, anderen Abstimmungsvorlagen viel weniger.
00:17:42 Lukas Ja, ein Thema, das ich auch beobachte und das Gefühl
habe, der Konflikt wächst, aber es ist nicht immer einheitlich, es
gibt wechselnde Mehrheiten. Das ist ja das Argument, wieso die
direkte Demokratie auch moderieren kann und nicht einfach eine
harte Polarisierung fördert. Das ist das Thema Wohnen. Dort hat in
diesem Jahr eigentlich die Vermieterseitn einen grossen Sieg aus
ihrer Sicht gemacht, bei der Eigenmietwertabschaffung. Letztes Jahr
haben wir aber Mietrechtsrevisionen, die Gegenseite, die
Mieterschaft hat dort einen klaren Sieg errungen. Auch hier: Ist
das ein Konflikt, der wächst? Sind Widersprüchlichkeiten auch dort,
je nach Thema, unterschiedlich? 00:18:22 Cloé Also ich
glaube, man muss schon unterscheiden zwischen medialer Realität und
gesellschaftlicher Realität. Die mediale Realität ist einfach die,
dass nichts besser funktioniert als ein schöner Graben, sei das der
Röstigraben, der Geschlechtergraben, der Stadt-Land-Graben sehr
fest. Und das ist etwas, worüber wir viel diskutieren. Wenn man
nachher schaut, in unseren Studien oder eben manchmal auch an einem
Abstimmungssonntag, ist das schon da, dass es das gibt. Und ich
glaube, das Wohnthema spaltet stark entlang vom Stadt-Land-Graben.
Wenn man jetzt aber den letzten Abstimmungssonntag anschaut,
Vorkaufsrecht in Zürich oder andere, Eigenmietwert, ist es so, dass
das Thema zwar sehr wichtig ist im Moment, die Kostenfrage, gerade
im Zusammenhang mit Wohnen, ist im Sorgenparameter in den Top 10.
Das ist etwas, was die Leute wirklich stresst. Nicht nur, weil es
immer teurer wird, sondern weil es gerade in den Städten weniger
Wohnraum gibt. Auf dem Land und in den Agglomerationen ist es
vielleicht so, dass man sich eben nicht mehr den Traum eines
Eigenheims leisten kann. Aber ich glaube, man muss dann schon genau
hinschauen, wie fest ist das Thema wirklich eines, das extrem
kocht. Im Moment habe ich das Gefühl, medial findet das sehr stark
statt, vielleicht auch, weil viele Themen auch aus den städtischen
Zentren journalistisch vielleicht auch gesetzt werden. Aber es ist
etwas, was prägt und es ist etwas, was die Kostenfrage vor allem so
extrem alltagsnahe macht. Und ich glaube, darum ist das schon
etwas, was uns auch noch länger beschäftigen wird.
00:19:49 Jenny Etwas, wo mich eure Sicht noch interessieren würde,
gerade bei diesem Wohnthema im September, haben wir ja über die
Abschaffung des Eigenmietwerts abgestimmt. Und ich war eigentlich
immer der Meinung, in der Schweiz sind wir in der Regel ein Volk
von Mieterinnen und Mietern. Trotzdem ist das am Schluss relativ
klar angenommen worden. Wie ordnet ihr das ein?
00:20:07 Urs Das ist eben die Frage, von welchem Volk man spricht.
Redet man von Bevölkerung, dann sind wir das tatsächlich. Auch
nicht wahnsinnig stark, aber wir sind es. Oder redet man von
Stimmvolk, von der Person, die schlussendlich im Urnengang
teilnimmt. Und die sind nicht repräsentativ für uns alle in der
Schweiz, sondern schlussendlich für sich selber. Und das ist eine
Gruppe, die wesentlich älter ist als die normale Bevölkerung. Der
durchschnittliche Urnengänger ist etwa 60 Jahre alt oder drüber zur
Hälfte. Und genau diese Personengruppe ist eben nicht Mieter oder
vielleicht deutlich weniger Mieter, sondern ist Wohneigentümer und
hat entsprechend ein anderes Interesse, das sichtbar zur
Abschaffung des Eigenmietwerts führen kann. 00:20:50
Lukas Gehen wir in die grossen Trends, die auch noch auf uns
zukommen können. Und wir haben es eben so gespürt, das
Polarisierungsthema schwebt ein bisschen über allem und mein
Eindruck ist, Polarisierung ist zunehmend ein Problem, auch in der
Schweiz, vor allem zwischen jungen Männern und jungen Frauen.
00:21:09 Cloé Ich glaube, das wird ein riesiges Thema. Das
ist ein bisschen der Elefant im Raum bei fast jeder Studie, die wir
machen, wenn es um gesellschaftliche Prioritäten und Bedürfnisse
geht. Im Sorgenbarometer sehen wir zum Teil krasse Unterschiede in
den Prioritäten und in der Lesweise der aktuellen Situation
zwischen jungen Frauen und jungen Männern. Und das kann sein, das
weiss man natürlich nicht so recht, wie sich das entwickeln wird.
In 20 Jahren findet vielleicht eine Angleichung statt, man hat
wieder andere Lebensumstände, wo man vielleicht eine Familie
gegründet hat und dann wieder eine gemeinsame Sichtweise auf die
Welt entwickelt. Aber wenn es so weitergeht und sich die Differenz,
die wir jetzt sehen, auch quasi in die Zukunft hinzieht, dann habe
ich das Gefühl, gibt es noch viel mehr Abstimmungen, wo Männer und
Frauen auf unterschiedlichen Seiten stehen. Es gibt viel mehr
Themen, wo irgendwie die eine oder andere Seite sich aussen
vorgelassen fühlt und wo es dann eben sehr viel stärker in Richtung
von einer affektiven Polarisierung geht, wie Urs gesagt hat. Bis
hin zu «Warum sollte man überhaupt noch mit anderen reden?» «Wieso
sollte ich überhaupt noch einen Mann suchen und eine Familie
gründen? Bringt's doch überhaupt nicht.» Und da sehe ich
schon ein rechtes Potenzial für gesellschaftliche Spannungen.
00:22:16 Urs Es gibt grosse Studien aus den USA, die genau
das aufzeigen, dass gerade diese affektive Polarisierung, also
wirklich der Wille zur Spaltung und nicht mehr auseinanderzusetzen,
eine Geschlechterfrage ist. Es ist ein bisschen stärker im
städtischen Umfeld tatsächlich bei Frauen, die das stärker zum
Ausdruck bringen, wo dass Grenzen sind, wo sie nicht bereit sind,
sich auf andere Meinungen einzulassen. Männer sind auch gerade in
den USA dort etwas entspannter, in den politischen Meinungen
extrem, aber in Bezug auf die Bereitschaft, mit anderen zu reden,
entspannter. Man sieht es sogar in der Schweiz, in dieser Studie,
die du angesprochen hast, "Wie geht's Schweiz?" gibt's eine
Mehrheit, auch bei Frauen, die sagen, sie seien nicht mehr bereit
oder nicht bereit, mit anderen Personen, mit anderen Meinungen zu
reden oder auszutauschen. Aber die Unterschiede sind gigantisch. In
der Schweiz sind wir nicht die heile Welt, aber wir haben genau das
Element, die Spaltung, so weit treibt, dass man nicht mehr bereit
ist, mit dem Gegenpart zu reden, ist in der Schweiz wesentlich
weniger. 00:23:14 Cloé Es geht ja nicht nur ums Reden
dort, sondern es geht um die eigenen Grenzen und dort finde ich es
auch wichtig, dass man irgendwie auch sagt, die Realitäten muss man
vielleicht auch gerade als Frau mehr reindrücken, weil das ist
vielleicht eine Stimme, die auch ein bisschen zu wenig gehört
worden ist, wäre jetzt meine Meinung, aber vielleicht bin ich da
schon tief in der affektiven Polarisierung. 00:23:33
Lukas Gehen wir zum zweiten Thema, das ich als Roundup für dieses
Jahr und als Ausblick für das nächste möchte. Die Schweiz ist
ausserpolitischer, als sie eigentlich sein möchte.
00:23:44 Cloé Ich glaube, man kommt gar nicht drum herum. Im Moment
ist man wie ein Ping-Pong-Ball, der zwischen den Schlägen hin- und
hergeworfen wird. Und irgendwo musst du am Schluss landen, auf der
einen oder anderen Seite des Netzes. Die Frage ist eben, wem
unterwirft man sich jetzt? Der USA oder Europa? Oder gibt es
überhaupt noch eine neue geopolitische Situation? Ich glaube, man
kommt nicht drum herum. Neutralität ist ein gutes Label, aber
schwierig zu umsetzen. 00:24:12 Urs Ich glaube, wir
kommen nicht drum herum, aber ich würde es noch ergänzen mit, wir
haben historisch gewachsen, die schlechtesten möglichen Werkzeuge
auch politisch, um das zu machen. Bis in weit in dir 70er Jahre war
Aussenpolitik einfach Wirtschaftspolitik. Wir haben höchstens über
Zoll geredet, ein bisschen über Wirtschaftsdiplomatie, oft auch von
Wirtschaftsvertretern gemacht. Und wir haben erst so in den 80er-,
90er-, Nuller-Jahren begonnen eine Aussenpolitik zu leben, die mehr
ist als reine Wirtschaftspolitik. Und unterdessen, da gebe ich dir
absolut recht, sind alle Probleme bei weitem nicht nur
wirtschaftliche Probleme, auch die internationalen
Herausforderungen nicht. Und wir haben zum Glück wenige Jahrzehnte
Zeit gehabt, das zu entwickeln, aber wir haben keine Tradition
dafür. Und sobald die Politik mehr macht, als Wirtschaftspolitik
gibt es sofort rechtskonservativ harten Widerstand gegen das, was
vermutlich auch mit dieser Geschichte, wie sie sich in der Schweiz
entwickelt hat, Kantone, die nicht wollten, dass der Bund im
Ausland so tut, als wäre er der Chef, nicht ein Gefühl, eine Kultur
entwickelt hat, um genau diese Herausforderungen anzugehen.
00:25:20 Cloé Darum schicken wir auch jetzt
Wirtschaftsunternehmer mit Goldbarren und goldenen Uhren.
00:25:25 Urs Das schliesst sich tatsächlich in der Kreis
tatsächlich in die 50er-Jahre zurück. Das ist so, ja.
00:25:29 Jenny Ich finde, du hast vorher noch einen spannenden
Punkt aufgebracht. Neutralität ist einer der Kernfaktoren, wenn man
die Leute fragt, was die Schweiz ausmacht. Das ist auch weiterhin,
gemäss der ETH-Sicherheitsstudie, gar keine Diskussion, dass man
das in Zukunft anders sieht. Ein Punkt, den ich aber sehr spannend
fand mit dieser Studie, ist, dass man mittlerweile grössere
Mehrheiten von Leuten hat, die offen wären für eine sogenannte
differenzielle Neutralität. Also es geht darum, eben insgesamt sind
wir als Land immer noch neutral, aber dass vielleicht eben aufgrund
von diesen machtpolitischen Veränderungen international kommt man
gar nicht drum herum, um jetzt bei nicht militärischen Konflikten,
aber sonstigen politischen Konflikten international vielleicht doch
mehr Stellung zu beziehen, als wir es bis jetzt gemacht haben, oder
in der Schweizer Tradition zumindest. 00:26:13 Lukas
Neutralität ist in sich fast ein Widerspruch in der heutigen
vernetzten Welt. Da sind wir schon wieder mitten in den politischen
Themen, die als Initiative auf uns zukommen. Letzte These, Kosten
werden oder sind ein Megatreiber, sei es im Gesundheit, im Klima,
beim Wohnen. Das prägt auch das Bild der Schweizer
Innenpolitik. 00:26:33 Cloé Ja, es gibt gewisse Leute,
die sagen, wir erleben gerade ein Revival des Klassenkampfs. Das
ist natürlich jetzt sehr in einer alten Rhetorik verankert, aber
ich glaube, im Grundsatz ist das schon so. Die ökonomische Achse
wird wichtiger. Ich glaube, die Frage, welche Wirtschaftsformen wir
haben wollen und was ist... sinnvoll für die Gesellschaft als
Ganzes ist etwas, das umtreibt. Wir haben jetzt gerade über die
Erbschaftsteuer abgestimmt. Es ist zwar ziemlich klar bachab
geschickt worden, aber kaum einen Tag später sind schon die
nächsten Ideen diesbezüglich auf dem Tapet. Ich glaube, die Frage,
wie wir die Wirtschaft gestalten wollen und wer hat was abzuliefern
und wo wird umverteilt, das bleibt definitiv ein Thema.
00:27:15 Urs Ich habe den Eindruck, das ist das grosse Thema
'26, ergänzt mit dem, was du sehr schön gesagt hast, mit dieser
Diskussion über, was sind wir in der Welt, was für Kooperationen
können und wollen wir eingehen, unsere internationale Rolle, die
wir neu definieren müssen und in genau diesen Gemengelage wird die
Diskussion von den nächsten zwei oder drei Jahren hart
bestimmen. 00:27:37 Lukas Ja, dann sind wir gespannt,
wie diese Prozesse weitergehen, Cloé Jans, Urs Bieri, danke
vielmals für euren Besuch, wir erwarten ein spannendes 2026. Hat
dir die Diskussion, neben allen Widersprüchen, die wir versucht
haben zu erkennen, hat es dir auch ein bisschen Hoffnung
gegeben? 00:27:54 Jenny Ja, wir müssen uns nichts
vormachen. Ich glaube, es sind viele Herausforderungen, die jetzt
kommen werden. Sei es international, sei es innenpolitisch, gerade
die ganze Kostenfrage. Ich denke, wenn man etwas Hoffnung gibt, ist
es tatsächlich in dieser langjährigen Tradition der Konkordanz in
der Schweiz. Also, dass man halt im Gegensatz zu gerade einer USA
zum Beispiel... noch immer versuchen, mit allen verschiedenen
Akteuren zu reden und dass das hoffentlich auch in Zukunft ein Weg
bleiben wird, dass wir als Gesellschaft nicht zu polarisiert werden
und auch noch mehrheitsfähige Lösungen finden.
00:28:28 Lukas Ja, bei mir bleibt die Hoffnung wegen der direkten
Demokratie, das hängt auch ein bisschen zusammen mit der
Konkordanz, dass wir eigentlich immer wieder eine Rückkopplung
zwischen Volk und Elite haben und dadurch, wenigstens im
internationalen Vergleich, das Vertrauen auch gerade im Bundesrat
noch einigermassen intakt ist. 00:28:43 Jenny Das ist
so. Und wer es genauer wissen möchte, alle Details zu den genannten
Studien findet ihr hier unten in der Beschreibung.
grossen Spannungen und Trends des politischen Jahres zurück. Lukas
Golder spricht mit Chloé Jans (Senior-Projektleiterin,
verantwortlich fürs Sorgenbarometer) und Urs Bieri (Co-Leiter
gfs.bern, «Wie geht’s Schweiz?») – begleitet von Jenny Roberts –
darüber, warum Kostendruck aktuell so vieles überlagert, wie sich
Sorgen und Vertrauen gleichzeitig verschieben und weshalb
geopolitische Unsicherheit das Sicherheitsgefühl auch in der
Schweiz stärker prägt, als es lange der Fall war.
In der Folge erwähnte Studien:
UBS Sorgenbarometer 2025
«Wie geht’s, Schweiz?»
ETH-Sicherheitsstudie «Sicherheit 2025»
Transkript zur Episode 00:00:02 Off-Sprecher gfs.echo,
der Podcast von gfs.bern. Mit Lukas Golder und Jenny Roberts.
00:00:12 Lukas Festtagsspecial. Heute ist der Podcast ein
bisschen eine Spezialausgabe. Ich freue mich sehr darauf.
Chloé Jans ist neben mir. Sie ist Senior-Projektleiterin und für
das Sorgenbarometer zuständig. Wenn ich von Co-Leiter rede, ist das
Urs Bieri eben der Co-Leiter, der «Wie geht's Schweiz?» für die SRG
zum Beispiel macht. Und Jenny ist wie immer bei mir. Sie hat auch
ein bisschen andere Studien angeschaut. Und der Eindruck ist für
mich, es war ein Jahr der Widersprüche. 00:00:39 Jenny
Ja, also du und ich haben uns in den letzten Monaten natürlich
stark mit dem Thema Gesundheitspolitik beschäftigt, im Rahmen der
ersten Staffel von gfs.echo und mich dünkt schon auch, also vor
allem bei einem Punkt, der sich durchgezogen hat, habe ich immer
wieder Widersprüchlichkeiten gesehen und das ist die ganze
Kostenfrage. Also wir haben einerseits die Bevölkerung, die sich
ein super Gesundheitssystem weiterhin wünscht, mit viel Innovation
und gleichzeitig verfolgt uns auch die Kostenfrage und es stellt
sich die Frage, inwiefern wir das in Zukunft in den Griff
kriegen. 00:01:08 Lukas Prämien waren die Top-Sorge in
den letzten Jahren. Wie sieht es im Moment aus bei den
Sorgen? 00:01:13 Cloé Ist auch dieses Jahr wieder an
erster Stelle. Natürlich auch vor dem Hintergrund von
Gesundheitsversorgung. Man möchte, wie du gesagt hast, Jenny, das
Wichtigste und das Beste haben. Aber natürlich vor allem auch im
Zusammenhang mit der Kostenfrage. Die Prämienlast drückt. Das sieht
man ja auch bei diversen politischen Anliegen. Es sind nicht nur
die Gesundheitskosten, die das Thema sind. Wohnkosten reden wir
auch immer wieder darüber, stimmen wir ab. Und im Sorgenbarometer
haben wir auch gesehen, zum Beispiel plötzlich Sparen, Staatskosten
sind auch ein Thema. Also Kosten, definitiv eines der Themen
2025. 00:01:46 Lukas Die Sorgen stehen ja auch ein
bisschen im Zentrum bei diesem Barometer. Man fragt ganz konkret,
was ist das dringendste politische Problem? Aber es ist auch ein
Vertrauensteil da, in diesem Sorgenbarometer. Ist das auch wieder
so ein Widerspruch, immer mehr Sorgen um die eigene Situation
finanziell, aber auf der anderen Seite wenig Vertrauen?
00:02:07 Cloé Ja, also ich glaube, was man als Erstes sagen
muss, trotzdem, dass man weniger Vertrauen in das politische System
im Bundesrat vor allem dieses Jahr hat, es gab ja auch recht viel
Dissonanz aus dem Bundeshaus dieses Jahr, ist es so, dass das
Vertrauen international vor allem immer noch recht hoch ist. Und
was ich eben vor allem auch einen Widerspruch finde, das ist etwas,
wo man vielleicht auch gleich den Urs einbeziehen könnte, weil
seine Studie habe ich geklaut aus der "Wie geht's Schweiz?"-Studie.
Dort hat es mich mega spannend gedünkt, dass die Leute eigentlich
sagen, Kosten sind ein Thema, es stresst mich, es bedrückt mich, es
sorgt mich. Aber eigentlich gibt es nicht so viele in der Schweiz,
die wirklich, wirklich unter prekären ökonomischen Umständen leben.
Und das ist auch quasi die Dringlichkeit, die gesellschaftliche,
die das Thema hat und die individuelle Situation sind auch ein
bisschen andere. 00:02:54 Urs Also ich finde genau das
spannend, wenn man "Wie geht's Schweiz?" aus der Sicht, wie geht es
mir als Einwohner, Einwohnerin in diesem Land, in meiner
Familiensituation, mit meinen Kindern, die vielleicht auch in der
Schule sind oder ich bin älter und habe irgendeine Pension oder
eine kleine Pension, wirklich anschaut, was mit Sorgen tatsächlich
entsteht. Das ist plötzlich ein ganz anderer Sorgenbarometer. Es
sind nicht mehr die gesellschaftlichen, die politisch stark
diskutierten Sorgen, sondern meine Sorge ist, bin ich reich, bin
ich arm, bin ich krank, bin ich gesund und vor allem auch, bin ich
einsam oder habe ich ein tragfähiges Beziehungsumfeld? Immer wenn
die Antwort Nein ist in diesem Zusammenhang, wenn ich arm bin, wenn
ich krank bin, wenn ich einsam bin, dann wird die Sorge zu einer
existenziellen Not. Und meine Zufriedenheit in der Schweiz,
insbesondere in diesem reichen Land Schweiz zu leben, nimmt enorm
ab. Und der Vorteil ist halt, die wenigsten haben das. Die meisten
Personen sind eben nicht arm, die meisten Personen sind nicht
einsam, sie sind auch nicht krank. Und darum muss es vielleicht
rein aus dem eigenen Alltag heraus durchaus eine hohe
Krankenkassenprämie leiden. Man geht deswegen nicht auf die
Strasse, auf die Barrikaden, solange eben die anderen, die
individuell wichtigen Sorgen erfüllt sind, mag es relativ viel als
Gesellschaft leiden. 00:04:07 Lukas Ich habe das
Gefühl, die Resilienz kommt vielleicht von innen, aber auf der
anderen Seite nehmen natürlich die geopolitischen Sorgen auch zu.
Hast du nicht aus diesem Sorgenbarometer auch mitgenommen, dass das
einfach auch diese Unsicherheit auf das Gemüt wirklich
durchschlägt? 00:04:23 Cloé Doch extrem, wir haben es
wieder mit extrem existenziellen Sorgen zu tun. Also wir haben
wieder Krieg in Europa, das hinterlässt schon auch Spuren, auch
wenn man merkt, geht ein bisschen auf das ein, was Urs gesagt hat,
dass wir schon in einer sehr privilegierten Lage sind in der
Schweiz. Das Sicherheitsgefühl ist trotzdem immer noch relativ
hoch, aber Krieg in der Ukraine macht den Leuten mehr Sorgen,
deutlich mehr als letztes Jahr, Krieg in Gaza. Einer der grössten
Sorgensprünge, die ich in der Geschichte des Sorgenbarometers
gesehen habe, ist die Sorge um die Präsidentschaft von Donald
Trump. Das ist wirklich etwas, das die Leute extrem beschäftigt.
Das Vertrauen in die USA ist wirklich quasi ins Loch gefallen. Und
da sehen wir schon, die geopolitischen Unsicherheiten, die
machen... den Leuten Sorgen. Und ich finde, die spannende Frage
wird sein, wem unterwerfen wir uns? Den USA oder Europa? Weil
Europa ist auch wichtiger geworden. Also da sieht man schon, der
Druck ist von allen Seiten auf das gallische Dorf Schweiz am
einwirken. Und wer am Schluss dann wirklich die Leseweise der
Situation bestimmt, das nimmt mich dann Wunder.
00:05:23 Urs Ich finde, das Wort Unsicherheit extrem spannend, wenn
man es aus dem eigenen Alltag aus sieht. Ich sehe mal in der Studie
"Wie geht's Schweiz?" die Bevölkerung ist viel unsicherer. Sie ist
insbesondere mit Blick in die Zukunft unsicherer. Sie ist
unsicherer, ob unsere nachfolgenden Generationen noch das Gleiche
oder den gleichen Wohlstand erleben wie wir erlebt haben. Und das
hat genau mit diesen Problemfeldern zu tun. Also irgendwo sieht man
am Horizont dunkle Wolken, die da auftauchen. Man steht selber
nicht im Regen, vielleicht sogar wirklich in der Sonne, aber
trotzdem sind diese Wolken da. Und man vermutet oder befürchtet
tatsächlich, dass es so zufrieden oder so glückselig oder so
gallisches Dorf-artig nicht weitergehen wird. 00:06:01
Jenny Du siehst eben, bei "Wie geht's in der Schweiz?", die
Bevölkerung ist unsicherer als auch schon, was die eigene
Sicherheit anbelangt. Aber vielleicht muss man das auch noch in den
Kontext setzen. Es gibt quasi die Sicherheit in der Schweiz drin,
die vielleicht zurückgeht, aber insgesamt eigentlich immer noch
recht hoch ist. Aber vor allem, wie es Cloédu schon so ein bisschen
antönt hat, es geht vor allem um die internationale Sorgen.
Beispielsweise habe ich die ETH-Sicherheitsstudie angeschaut und
dort hat es mich schon recht gewundert. Es sind nur etwa ein
Fünftel der Leute, die eine optimistische Sicht auf die
weltpolitische Lage haben. Ich denke, es sind vor allem der Druck
von aussen, der dann das Gefühl ausmacht und weniger der
Schweiz-interne. 00:06:37 Urs Das spürt man in
verschiedenen Studien sehr stark. Du hast es angesprochen mit der
Vertrauensfrage. Unser System hat verschiedene Elemente, die
wichtig sind in der Demokratie. Wir können teilnehmen, wir haben
Teilhabe, wir können abstimmen. Das hilft uns sehr zufrieden mit
diesem System. Wir sind auch zufrieden mit mit der Systematik, mit
dem Regelwerk von diesem System, mit der Gewaltenteilung, mit dem
Gesetzgebungsprozess. Das ist der Bevölkerung eigentlich
unbestritten. Was aber tatsächlich das Problem ist, du hast es sehr
schön angesprochen, ist auch die Output-Sicht. Und dort hat auch
die Schweizer Bevölkerung einfach grosse Fragenzeichen. Ob die
Politik als Resultat noch die Probleme lösen kann, die im Moment
anstehen, auch wenn man sie vielleicht selber nicht als Problem
erlebt. Die Angst und die Befürchtung ist da und sie mindert
sichtbar die Zufriedenheit auch in der Schweiz mit dem politischen
System. Eine grosse Studie gemacht auch in den Nachbarländern, noch
viel weitergehend ist das weiterentwickelt im Ausland, in den
Nachbarländern. 00:07:34 Lukas Aber haben wir jetzt
eine Vertrauenskrise? Sagen wir jetzt auf der nationalen Ebene,
Bundesrat, haben wir gesehen, verliert, ist es eine Vertrauenskrise
politischer Institutionen, ja oder nein? 00:07:44 Urs
Die spannende Frage ist, wie man Vertrauen definiert. Wenn man
sagt, Vertrauen ist "Alle denken gleich", dann haben wir eine
Krise, weil wir denken nicht mehr alle gleich, aus ganz vielen
Gründen nicht. Aber vermutlich ist ein gesunder Grad von
Polarisierung im Sinne von Vielfalt der Meinungen und
Reibungsfläche, der Kern der Politik, absolut zentral. Darum heisst
es einfach, andere Meinungen zu haben und dem Gegner vielleicht
auch etwas misstrauen. In Bezug auf seine Meinung ist es vielleicht
gar nicht so schlecht. Schwierig wird es tatsächlich dann, wenn die
Vertrauenskrise zu einer Spaltung wird und wenn man nicht nur
einfach anderer Meinung ist und vielleicht nicht glaubt, was die
andere Person sagt, sondern die andere Person dabei auch noch sehr
doof findet und schlussendlich nicht mehr bereit ist, sich mit
dieser anderen Person auseinanderzusetzen. Dann haben wir eine
Vertrauenskrise. Aus meiner Sicht in der Schweiz es nicht der
Fall. 00:08:35 Cloé Man könnte auch sagen, eine
Vertrauenskrise hat man dann, wenn die Erwartungen, die man an ein
System hat, einfach permanent enttäuscht werden. Ganz unabhängig
davon, ob wir jetzt polarisiert sind oder nicht. Und ich finde, da
sieht man im Sorgenbarometer zum Beispiel die mega spannende Frage,
die man die Leute immer fragt. Haben die dann das Gefühl, die
Schweizer Politik müsste jetzt mit Bezug auf die Aussenpolitik
offensiver auftreten und dort zeigen die Leute Jahr für Jahr, ja
gern, viel offensiver, klarere Ansagen machen. Und was zurückkommt,
ist aber immer, man hat das Gefühl, das ist nicht erfüllt worden
so. Und das kann halt auch zu einer Vertrauenskrise führen. Und
gerade im Moment, wo so fest Aussenpolitik im Zentrum steht und wo
es so fest darum geht, wie die Schweiz ihre Interessen gegen Aussen
eben auch verteidigt, Stichwort Zollhammer zum Beispiel, kann es
eben auch sein, dass durch diese enttäuschten Erwartungen
schlussendlich einfach auch das Vertrauen sinkt.
00:09:27 Lukas Hat man nicht auch gesehen, dass die Schweiz in
diesen Fragen schwach ist? 00:09:31 Cloé Ich glaube,
es ist schon ein Reality-Check, ganz ehrlich gesagt. Da würden
jetzt gewisse Leute, je nach Seite des Spektrums, wo man
draufsteht, vielleicht etwas anderes sagen. Aber schlussendlich ist
die Schweiz ein kleines Land, verhältnismässig für die Grösse eine
grosse Volkswirtschaft. Aber trotzdem, man kann nicht einfach
kommen und jede Ansage machen. Man ist dann halt auch ein bisschen
konfrontiert mit den mächtigeren Leuten. Und im Moment findet eine
Reorganisation von geopolitischen Machtverhältnissen statt. Und da
ist jetzt die Schweiz nicht die, die an vordester Front mittun
kann. Und ich könnte mir schon vorstellen, dass das auch ein
bisschen ernüchternd ist. 00:10:08 Jenny Ich glaube,
das erklärt zu einem gewissen Grad auch den Punkt, den du eingangs
erwähnt hattest, mit dem tendenziell sinkenden Vertrauen in den
Bundesrat gemäss Sorgenbarometer. Und doch, um den Bogen wieder ein
bisschen aufzumachen, ich habe das Gefühl, es ist wichtig, dass wir
uns vor Augen führen. Es ist nicht so, dass wir grundsätzlich ein
tiefes Vertrauen in die verschiedenen politischen oder auch
sonstigen Institutionen im Schweizer System hätten. Es ist
vielleicht etwas, wo man jetzt ein bisschen näher hinschauen muss
als auch schon. Aber insgesamt stehen wir nicht so schlecht an,
oder? 00:10:38 Cloé Ja, voll. Es ist aber auch nicht
nur aufgrund von ausserpolitischen Vorkommnissen. Ich habe das
Gefühl, wirklich, gerade wenn man über den Bundesrat redet, hat man
wie so im ersten halben Jahr, ist wirklich einfach eine Krise nach
der anderen, Kampfjets, eben Zollhammer, irgendwie hat das Gefühl,
das Gremium hat nicht funktioniert. Und das trägt natürlich auch
dazu bei. Aber wir haben schon auch, ich weiss jetzt, eben, ich
glaube, wie du gesagt hast, Urs, Im System an sich ist ein grosses
Vertrauen da und man wünscht sich weiterhin demokratische
Strukturen und man glaubt auch an das. Aber man ist schon auch ein
bisschen weniger verzaubert durch das, was politische Parteien
machen, was Nationalen Ständerat machen. Da ist schon mehr
Misstrauen da als auch schon. 00:11:19 Lukas Gehen wir
in die Dinge, wo das Vertrauen offensichtlich, wie Urs gesagt hat,
ein wenig stärken können. Das ist die direkte Demokratie. Das ist
auch ein Mythos. Es hat auch den Vorteil der Rückkopplung. Gehen
wir noch ein wenig auf die Abstimmungen ein. Nämlich die
Umweltverantwortungsinitiative Anfang Jahr und jetzt auch die
zweite Initiative, die den Klimabezug in diesem Jahr hatte, nämlich
die Forderung nach Erbschaftssteuer zugunsten des Klimas. Beide
sind sehr deutlich gescheitert und die Grünen verlieren alle
kantonalen Wahlen im Moment. Ist die grüne Welle jetzt komplett
durch? 00:11:54 Cloé Ich glaube, im Moment sind wir einfach
wieder in einer sogenannten postmaterial... äh, in einer
materialistischen Welt. Das ist eben, wenn man mit den Fremdwörtern
um sich wirft, dann fällt man darüber. Also Kosten sind
wieder wichtiger, sagen wir so. Es geht weniger um
Identitätspolitik, es geht weniger um vielleicht auch
Nachhaltigkeitsthemen. Das heisst nicht, dass die Leute es weniger
wichtig finden, im Gegenteil. Gemäss Sorgenbarometer weiterhin an
zweiter Stelle, gerade bei jungen Leuten extrem wichtig. Aber die
ökonomische Achse gewinnt im Vergleich zu den anderen Achsen, zu
der kulturellen, zu der Umweltfrage, wieder an Bedeutung. Und das
heisst, man setzt sich einfach wieder mit diesen Themen auseinander
und man möchte dort einfach wieder dringlichere Lösungen haben, als
es vielleicht früher der Fall war. Die Umweltfrage muss die Bühne
jetzt ein bisschen mehr teilen, als vielleicht noch vor vier, fünf
Jahren. 00:12:43 Urs Ich finde genau diesen Punkt sehr
spannend. Was in der Schweiz relativ wenig diskutiert ist, ist die
Interdependenz, der Zusammenhang zwischen den Themen. Die Themen
sind nie losgelöst. Jedes Thema ist zusammen mit einer ganzen
Themenwelt relevant. Und darum kann es eben sehr gut sein, dass
gleichzeitig fünf verschiedene Themen sehr hohe Wichtigkeit haben
und sehr hohe Problemsicht. Und gleichzeitig halt nicht jedes davon
Abstimmungen oder sogar Wahlen gewinnen kann. Beim Ökologie-Thema,
beim Klima-Thema sehen wir es im Moment sehr gut. Es wird im Moment
sehr stark, gerade auch von linker Seite, übertüncht oder
überstrahlt von einer Diskussion rund um Kaufkraft, über eine
Diskussion rund um Reich versus Arm, die berühmte Schere zwischen
dem Einkommen und den Vermögen, wie sie stattfindet. Und von
rechter Seite halt auch sehr stark das Thema Migration, Öffnung
versus quasi Eigenorientierung und das sind alles Themen, die immer
im Wettbewerb miteinander gekämpft haben, aber im Moment sind
gerade die Themen Kaufkraft und Migration einfach wesentlich
stärker. Sie dominieren im Moment und man kann fast jede Abstimmung
irgendwo mit diesen beiden Aufhängern mindestens miterklären.
00:13:57 Lukas Eine Provokation, die ich auch gemacht habe,
ist, dass die Stimmberechtigten oder der Stimmkörper egoistischer
wird. Du bist da ein bisschen anderer Meinung.
00:14:06 Urs Ja, Egoismus ist sehr ein grosses Wort. Egoismus gibt
es seit Jahrhunderten oder seit Jahrtausenden. Früher war
irgendeiner Kaiser und hatte alles und die anderen nichts. Das ist
maximaler Egoismus von einer Person versus alle anderen.
Kleinräumiger gab es das immer. Ich glaube, verändert hat sich
einfach die Grösse der einzelnen Gruppe. Früher war ich in meinem
Dorf, vor 100 Jahren, zusammen mit den anderen im gleichen Milieu,
sehr homogen, wir waren alle Männer, wir hatten alles zu sagen
politisch und dann wurde mein Entschied, auch wenn er sehr
egoistisch war, geteilt vom ganzen Dorf. Das hat sehr nicht
egoistisch ausgesehen und heute werden die Gruppen immer
kleinzelliger und es gibt immer kleinere Gruppen mit einem sehr
spezifischen Interesse, bis eben vielleicht hin zur einzelnen
Person. Aber schlussendlich machen sie noch genau das gleiche wie
früher, sie vertreten ihre eigene Meinung, aber sie haben damit
vielleicht sehr viel stärkere Konkurrenz mit ganz vielen anderen
Meinungen und damit wird sehr viel sichtbarer.
00:15:07 Cloé Ja, und vielleicht im Zusammenhang mit dem, was du
vorher gesagt hast, die affektive Polarisierung. Man mag es sich
einfach auch weniger gönnen. Also wenn dann die anderen mal
gewonnen haben, die eben vielleicht nicht mehr die gleichen sind
wie vorher und man selber ist in der Minderheit, dann stresst einem
das. Dann findet man, jetzt haben sie schon wieder die und man mag
sich nichts gönnen und man mag nicht miteinander reden und man hat
ganz andere Prioritäten und die Differenzen treten damit halt schon
viel stärker in den Vordergrund. 00:15:33 Urs Das ist
eine ganz wichtige Unterscheidung. Es gibt eine bekannte Studie der
Uni Madrid, die genau das untersucht. Und zum Schluss kommt, es
gibt zwei Arten von Polarisierung. Die eine ist rein inhaltlich, es
ist einfach der Wettkampf der Meinungen, wo sich Ideologien
aneinander reiben und damit vielleicht tatsächlich etwas Besseres
entsteht. Die Studie kommt zum Schluss, dass etwas Besseres
entsteht, dass politische Systeme stabiler sind, wo eben der
Meinungswettkampf tatsächlich stattfindet. Das kann aber übersetzt,
das sagst du sehr präzise, zur affektiven Polarisierung führen,
also dass man nicht nur nicht mehr miteinander spricht, sondern
wirklich gespalten ist in der Gesellschaft, dass man nicht mehr
bereit ist, miteinander im Privaten zu sprechen, nicht mehr bereit
ist, miteinander zu leben, dann ist das nicht eine Polarisierung,
die nützt, das ist eine Polarisierung, die spaltet, die vermutlich
auch im Egoismus der jeweiligen Gruppe Vortritt gibt. Und in
Gesellschaften, wo das stark ist, du hast USA angesprochen, ist
halt tatsächlich auch der Output von Politik wesentlich schlechter
und weniger nachhaltig als in Ländern wie der Schweiz, wo man es
sich gar nicht leisten kann, wenn man immer in Minderheit ist, bis
in das Parlament. 00:16:39 Lukas Jenny, wir sind ohne
meine Moderation zu diesem schon polarisierenden Thema im
Vorgespräch gekommen, zur Polarisierung. Wie steht eigentlich die
Bevölkerung selbst zu diesem Thema? Sie wählt zum Teil oft ein
wenig polarisiert. Manchmal hat man das Gefühl, sie stimmt mir
einmal mit dieser und einmal mit dieser Seite. Hauptsache ein wenig
Pfeffer drin. Ist die Polarisierung sozusagen gewollt?
00:17:03 Jenny Ich finde es noch schwierig, allgemeingültig zu
sagen. Gleichzeitig, wenn man auch an die Abstimmungen denkt vom
letzten Jahr, die wir uns angeschaut haben, oder gerade die letzte
im November im Kanton Zürich, da gab es vielleicht ein gutes
Beispiel dazu, zum Stadt-Land-Graben. Da habe ich schon sehr das
Gefühl, es gab einzelne oder mehrere Abstimmungen in den Jahren
vorher, die im Sinne mehr von der städtischen Bevölkerung
ausgegangen sind. Und jetzt gerade im November hat man gesehen,
schlägt man wieder zurück. Also das ist schon eine Tendenz, die man
vielleicht vermehrt sieht, jetzt aber vielleicht eben bei anderen
Themen, anderen Abstimmungsvorlagen viel weniger.
00:17:42 Lukas Ja, ein Thema, das ich auch beobachte und das Gefühl
habe, der Konflikt wächst, aber es ist nicht immer einheitlich, es
gibt wechselnde Mehrheiten. Das ist ja das Argument, wieso die
direkte Demokratie auch moderieren kann und nicht einfach eine
harte Polarisierung fördert. Das ist das Thema Wohnen. Dort hat in
diesem Jahr eigentlich die Vermieterseitn einen grossen Sieg aus
ihrer Sicht gemacht, bei der Eigenmietwertabschaffung. Letztes Jahr
haben wir aber Mietrechtsrevisionen, die Gegenseite, die
Mieterschaft hat dort einen klaren Sieg errungen. Auch hier: Ist
das ein Konflikt, der wächst? Sind Widersprüchlichkeiten auch dort,
je nach Thema, unterschiedlich? 00:18:22 Cloé Also ich
glaube, man muss schon unterscheiden zwischen medialer Realität und
gesellschaftlicher Realität. Die mediale Realität ist einfach die,
dass nichts besser funktioniert als ein schöner Graben, sei das der
Röstigraben, der Geschlechtergraben, der Stadt-Land-Graben sehr
fest. Und das ist etwas, worüber wir viel diskutieren. Wenn man
nachher schaut, in unseren Studien oder eben manchmal auch an einem
Abstimmungssonntag, ist das schon da, dass es das gibt. Und ich
glaube, das Wohnthema spaltet stark entlang vom Stadt-Land-Graben.
Wenn man jetzt aber den letzten Abstimmungssonntag anschaut,
Vorkaufsrecht in Zürich oder andere, Eigenmietwert, ist es so, dass
das Thema zwar sehr wichtig ist im Moment, die Kostenfrage, gerade
im Zusammenhang mit Wohnen, ist im Sorgenparameter in den Top 10.
Das ist etwas, was die Leute wirklich stresst. Nicht nur, weil es
immer teurer wird, sondern weil es gerade in den Städten weniger
Wohnraum gibt. Auf dem Land und in den Agglomerationen ist es
vielleicht so, dass man sich eben nicht mehr den Traum eines
Eigenheims leisten kann. Aber ich glaube, man muss dann schon genau
hinschauen, wie fest ist das Thema wirklich eines, das extrem
kocht. Im Moment habe ich das Gefühl, medial findet das sehr stark
statt, vielleicht auch, weil viele Themen auch aus den städtischen
Zentren journalistisch vielleicht auch gesetzt werden. Aber es ist
etwas, was prägt und es ist etwas, was die Kostenfrage vor allem so
extrem alltagsnahe macht. Und ich glaube, darum ist das schon
etwas, was uns auch noch länger beschäftigen wird.
00:19:49 Jenny Etwas, wo mich eure Sicht noch interessieren würde,
gerade bei diesem Wohnthema im September, haben wir ja über die
Abschaffung des Eigenmietwerts abgestimmt. Und ich war eigentlich
immer der Meinung, in der Schweiz sind wir in der Regel ein Volk
von Mieterinnen und Mietern. Trotzdem ist das am Schluss relativ
klar angenommen worden. Wie ordnet ihr das ein?
00:20:07 Urs Das ist eben die Frage, von welchem Volk man spricht.
Redet man von Bevölkerung, dann sind wir das tatsächlich. Auch
nicht wahnsinnig stark, aber wir sind es. Oder redet man von
Stimmvolk, von der Person, die schlussendlich im Urnengang
teilnimmt. Und die sind nicht repräsentativ für uns alle in der
Schweiz, sondern schlussendlich für sich selber. Und das ist eine
Gruppe, die wesentlich älter ist als die normale Bevölkerung. Der
durchschnittliche Urnengänger ist etwa 60 Jahre alt oder drüber zur
Hälfte. Und genau diese Personengruppe ist eben nicht Mieter oder
vielleicht deutlich weniger Mieter, sondern ist Wohneigentümer und
hat entsprechend ein anderes Interesse, das sichtbar zur
Abschaffung des Eigenmietwerts führen kann. 00:20:50
Lukas Gehen wir in die grossen Trends, die auch noch auf uns
zukommen können. Und wir haben es eben so gespürt, das
Polarisierungsthema schwebt ein bisschen über allem und mein
Eindruck ist, Polarisierung ist zunehmend ein Problem, auch in der
Schweiz, vor allem zwischen jungen Männern und jungen Frauen.
00:21:09 Cloé Ich glaube, das wird ein riesiges Thema. Das
ist ein bisschen der Elefant im Raum bei fast jeder Studie, die wir
machen, wenn es um gesellschaftliche Prioritäten und Bedürfnisse
geht. Im Sorgenbarometer sehen wir zum Teil krasse Unterschiede in
den Prioritäten und in der Lesweise der aktuellen Situation
zwischen jungen Frauen und jungen Männern. Und das kann sein, das
weiss man natürlich nicht so recht, wie sich das entwickeln wird.
In 20 Jahren findet vielleicht eine Angleichung statt, man hat
wieder andere Lebensumstände, wo man vielleicht eine Familie
gegründet hat und dann wieder eine gemeinsame Sichtweise auf die
Welt entwickelt. Aber wenn es so weitergeht und sich die Differenz,
die wir jetzt sehen, auch quasi in die Zukunft hinzieht, dann habe
ich das Gefühl, gibt es noch viel mehr Abstimmungen, wo Männer und
Frauen auf unterschiedlichen Seiten stehen. Es gibt viel mehr
Themen, wo irgendwie die eine oder andere Seite sich aussen
vorgelassen fühlt und wo es dann eben sehr viel stärker in Richtung
von einer affektiven Polarisierung geht, wie Urs gesagt hat. Bis
hin zu «Warum sollte man überhaupt noch mit anderen reden?» «Wieso
sollte ich überhaupt noch einen Mann suchen und eine Familie
gründen? Bringt's doch überhaupt nicht.» Und da sehe ich
schon ein rechtes Potenzial für gesellschaftliche Spannungen.
00:22:16 Urs Es gibt grosse Studien aus den USA, die genau
das aufzeigen, dass gerade diese affektive Polarisierung, also
wirklich der Wille zur Spaltung und nicht mehr auseinanderzusetzen,
eine Geschlechterfrage ist. Es ist ein bisschen stärker im
städtischen Umfeld tatsächlich bei Frauen, die das stärker zum
Ausdruck bringen, wo dass Grenzen sind, wo sie nicht bereit sind,
sich auf andere Meinungen einzulassen. Männer sind auch gerade in
den USA dort etwas entspannter, in den politischen Meinungen
extrem, aber in Bezug auf die Bereitschaft, mit anderen zu reden,
entspannter. Man sieht es sogar in der Schweiz, in dieser Studie,
die du angesprochen hast, "Wie geht's Schweiz?" gibt's eine
Mehrheit, auch bei Frauen, die sagen, sie seien nicht mehr bereit
oder nicht bereit, mit anderen Personen, mit anderen Meinungen zu
reden oder auszutauschen. Aber die Unterschiede sind gigantisch. In
der Schweiz sind wir nicht die heile Welt, aber wir haben genau das
Element, die Spaltung, so weit treibt, dass man nicht mehr bereit
ist, mit dem Gegenpart zu reden, ist in der Schweiz wesentlich
weniger. 00:23:14 Cloé Es geht ja nicht nur ums Reden
dort, sondern es geht um die eigenen Grenzen und dort finde ich es
auch wichtig, dass man irgendwie auch sagt, die Realitäten muss man
vielleicht auch gerade als Frau mehr reindrücken, weil das ist
vielleicht eine Stimme, die auch ein bisschen zu wenig gehört
worden ist, wäre jetzt meine Meinung, aber vielleicht bin ich da
schon tief in der affektiven Polarisierung. 00:23:33
Lukas Gehen wir zum zweiten Thema, das ich als Roundup für dieses
Jahr und als Ausblick für das nächste möchte. Die Schweiz ist
ausserpolitischer, als sie eigentlich sein möchte.
00:23:44 Cloé Ich glaube, man kommt gar nicht drum herum. Im Moment
ist man wie ein Ping-Pong-Ball, der zwischen den Schlägen hin- und
hergeworfen wird. Und irgendwo musst du am Schluss landen, auf der
einen oder anderen Seite des Netzes. Die Frage ist eben, wem
unterwirft man sich jetzt? Der USA oder Europa? Oder gibt es
überhaupt noch eine neue geopolitische Situation? Ich glaube, man
kommt nicht drum herum. Neutralität ist ein gutes Label, aber
schwierig zu umsetzen. 00:24:12 Urs Ich glaube, wir
kommen nicht drum herum, aber ich würde es noch ergänzen mit, wir
haben historisch gewachsen, die schlechtesten möglichen Werkzeuge
auch politisch, um das zu machen. Bis in weit in dir 70er Jahre war
Aussenpolitik einfach Wirtschaftspolitik. Wir haben höchstens über
Zoll geredet, ein bisschen über Wirtschaftsdiplomatie, oft auch von
Wirtschaftsvertretern gemacht. Und wir haben erst so in den 80er-,
90er-, Nuller-Jahren begonnen eine Aussenpolitik zu leben, die mehr
ist als reine Wirtschaftspolitik. Und unterdessen, da gebe ich dir
absolut recht, sind alle Probleme bei weitem nicht nur
wirtschaftliche Probleme, auch die internationalen
Herausforderungen nicht. Und wir haben zum Glück wenige Jahrzehnte
Zeit gehabt, das zu entwickeln, aber wir haben keine Tradition
dafür. Und sobald die Politik mehr macht, als Wirtschaftspolitik
gibt es sofort rechtskonservativ harten Widerstand gegen das, was
vermutlich auch mit dieser Geschichte, wie sie sich in der Schweiz
entwickelt hat, Kantone, die nicht wollten, dass der Bund im
Ausland so tut, als wäre er der Chef, nicht ein Gefühl, eine Kultur
entwickelt hat, um genau diese Herausforderungen anzugehen.
00:25:20 Cloé Darum schicken wir auch jetzt
Wirtschaftsunternehmer mit Goldbarren und goldenen Uhren.
00:25:25 Urs Das schliesst sich tatsächlich in der Kreis
tatsächlich in die 50er-Jahre zurück. Das ist so, ja.
00:25:29 Jenny Ich finde, du hast vorher noch einen spannenden
Punkt aufgebracht. Neutralität ist einer der Kernfaktoren, wenn man
die Leute fragt, was die Schweiz ausmacht. Das ist auch weiterhin,
gemäss der ETH-Sicherheitsstudie, gar keine Diskussion, dass man
das in Zukunft anders sieht. Ein Punkt, den ich aber sehr spannend
fand mit dieser Studie, ist, dass man mittlerweile grössere
Mehrheiten von Leuten hat, die offen wären für eine sogenannte
differenzielle Neutralität. Also es geht darum, eben insgesamt sind
wir als Land immer noch neutral, aber dass vielleicht eben aufgrund
von diesen machtpolitischen Veränderungen international kommt man
gar nicht drum herum, um jetzt bei nicht militärischen Konflikten,
aber sonstigen politischen Konflikten international vielleicht doch
mehr Stellung zu beziehen, als wir es bis jetzt gemacht haben, oder
in der Schweizer Tradition zumindest. 00:26:13 Lukas
Neutralität ist in sich fast ein Widerspruch in der heutigen
vernetzten Welt. Da sind wir schon wieder mitten in den politischen
Themen, die als Initiative auf uns zukommen. Letzte These, Kosten
werden oder sind ein Megatreiber, sei es im Gesundheit, im Klima,
beim Wohnen. Das prägt auch das Bild der Schweizer
Innenpolitik. 00:26:33 Cloé Ja, es gibt gewisse Leute,
die sagen, wir erleben gerade ein Revival des Klassenkampfs. Das
ist natürlich jetzt sehr in einer alten Rhetorik verankert, aber
ich glaube, im Grundsatz ist das schon so. Die ökonomische Achse
wird wichtiger. Ich glaube, die Frage, welche Wirtschaftsformen wir
haben wollen und was ist... sinnvoll für die Gesellschaft als
Ganzes ist etwas, das umtreibt. Wir haben jetzt gerade über die
Erbschaftsteuer abgestimmt. Es ist zwar ziemlich klar bachab
geschickt worden, aber kaum einen Tag später sind schon die
nächsten Ideen diesbezüglich auf dem Tapet. Ich glaube, die Frage,
wie wir die Wirtschaft gestalten wollen und wer hat was abzuliefern
und wo wird umverteilt, das bleibt definitiv ein Thema.
00:27:15 Urs Ich habe den Eindruck, das ist das grosse Thema
'26, ergänzt mit dem, was du sehr schön gesagt hast, mit dieser
Diskussion über, was sind wir in der Welt, was für Kooperationen
können und wollen wir eingehen, unsere internationale Rolle, die
wir neu definieren müssen und in genau diesen Gemengelage wird die
Diskussion von den nächsten zwei oder drei Jahren hart
bestimmen. 00:27:37 Lukas Ja, dann sind wir gespannt,
wie diese Prozesse weitergehen, Cloé Jans, Urs Bieri, danke
vielmals für euren Besuch, wir erwarten ein spannendes 2026. Hat
dir die Diskussion, neben allen Widersprüchen, die wir versucht
haben zu erkennen, hat es dir auch ein bisschen Hoffnung
gegeben? 00:27:54 Jenny Ja, wir müssen uns nichts
vormachen. Ich glaube, es sind viele Herausforderungen, die jetzt
kommen werden. Sei es international, sei es innenpolitisch, gerade
die ganze Kostenfrage. Ich denke, wenn man etwas Hoffnung gibt, ist
es tatsächlich in dieser langjährigen Tradition der Konkordanz in
der Schweiz. Also, dass man halt im Gegensatz zu gerade einer USA
zum Beispiel... noch immer versuchen, mit allen verschiedenen
Akteuren zu reden und dass das hoffentlich auch in Zukunft ein Weg
bleiben wird, dass wir als Gesellschaft nicht zu polarisiert werden
und auch noch mehrheitsfähige Lösungen finden.
00:28:28 Lukas Ja, bei mir bleibt die Hoffnung wegen der direkten
Demokratie, das hängt auch ein bisschen zusammen mit der
Konkordanz, dass wir eigentlich immer wieder eine Rückkopplung
zwischen Volk und Elite haben und dadurch, wenigstens im
internationalen Vergleich, das Vertrauen auch gerade im Bundesrat
noch einigermassen intakt ist. 00:28:43 Jenny Das ist
so. Und wer es genauer wissen möchte, alle Details zu den genannten
Studien findet ihr hier unten in der Beschreibung.
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