Der Blick von oben

Der Blick von oben

4 Minuten
Podcast
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Analysis on politics, society and our changing world. In German and English.

Beschreibung

vor 1 Tag

Liebe Leserinnen und Leser,


ich wünsche Ihnen einen schönen vierten Advent. Dies ist mein
letzter Newsletter für das Jahr 2025. Ich gehe in eine kurze
Winterpause bis Anfang Januar.


Vor genau einem Jahr, am 22. Dezember 2024, habe ich meinen
finalen Text für 2024 geschrieben. 365 Tage später könnte ich
ihn, leider, fast wortgleich so nochmal veröffentlichen.


Vor ein paar Wochen saß ich im Flugzeug und schaute während der
Landung aus dem Fenster. Ich bin beim Fliegen ein
am-Fenster-Sitzer. Die Sonne schien, die Sicht war gut, der
Himmel blau. Wir waren vielleicht noch 1200 Meter über dem Boden.
Die perfekte Höhe, um unten alles wie ein Miniatur-Wunderland
erscheinen zu lassen.


Die Windräder wirkten wie kleine Zahnstocher, die jemand behutsam
mit weißer und roter Farbe angemalt hatte und die Bahn sah wie
eine Märklin-Modelleisenbahn aus, die ein spielendes Kind gerade
auf die nächste Weiche zusteuern ließ. Drumherum Wiesen,
Ortschaften, Traktoren, Fußballfelder, eine Autobahn,
Strommasten, Seen, Wälder.


Von oben sah alles so friedlich aus.


Vor allem schien alles zu funktionieren. Als hätte irgendjemand
den Einschaltknopf bedient und die perfekte kleine Welt zum Leben
erweckt. Dieser Moment dauerte vielleicht eine Minute an. Eine
schöne Minute, in der ich mir gedacht habe, wie sich das wohl für
Astronauten anfühlen muss, die nicht nur einen Kilometer von der
Erde entfernt sind, sondern mehrere hundert. Was fühlt man, wenn
man aus so einer großen Entfernung auf unsere Erde blickt? Ich
konnte jedenfalls ansatzweise verstehen, warum Astronauten oft
ehrfürchtig sind, wenn sie zurückkehren auf die Erde und den
Menschen sagen: Es gibt nur diesen einen Planeten für uns, wir
sollten besser auf ihn aufpassen.


Unten, nach der Landung, ist man dann zurück in der Realität.
Zurück in der gleichen Welt, die von oben so friedlich und
perfekt aussah, und in der man sich nun über all das ärgert, was
nicht funktioniert. Da sind wir dann gefangen im täglichen
Geschäft und in der kurzfristigen Sicht auf die Dinge.


Dieser Moment im Flugzeug war für mich jedenfalls eine wichtige
Erkenntnis am Ende eines Jahres, das für viele Menschen sicher
kein ganz einfaches war. Wir brauchen immer mal wieder Abstand.
Abstand von dem, was wir jeden Tag tun; Abstand von den Dingen,
die wir lieben; Abstand von uns selbst.


Abstand ist wichtig, um zu erkennen, was uns wichtig ist. Und
vielleicht gewinnen wir dadurch auch wieder etwas mehr
Optimismus.


Mein Bauchgefühl sagt mir, dass 2026 ein Jahr mit vielen
Herausforderungen wird. Trotzdem habe ich für mich entschieden,
mit einer Mischung aus Realismus und Optimismus auf das kommende
Jahr zu blicken. Ich bin der Meinung: Es ist unsere Verantwortung
als Menschen, als Bürgerinnen und Bürger, dass wir einen
Grund-Optimismus wahren und nicht in einen bodenlosen Pessimismus
verfallen, der uns ganz sicher in den Ruin treiben würde.


Pessimistisch zu sein, das ist einfach. Aber machen wir es uns
nicht einfach, sondern überlegen wir lieber, wie wir die großen
Hürden der kommenden Jahre gemeinsam meistern können.


Ich wünsche Ihnen und Ihren Liebsten frohe Weihnachten und viele
sanfte Landungen im kommenden Jahr. Ich bedanke mich herzlich für
die Unterstützung und freue mich auf den weiteren Austausch in
2026.


Philipp Sandmann


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