Im Kampf der Ideen für Europa
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vor 5 Tagen
Liebe Leserinnen und Leser,
in den vergangenen Wochen hat mich die Frage beschäftigt, warum
die demokratischen Kräfte drohen, den Kampf der Ideen zu
verlieren.
Warum gewinnen radikale Parteien und Bewegungen an
Zuspruch und warum gelingt es ihnen, ein wirkungsvolles Narrativ
zu etablieren?
Eine Antwort: Die Vertreter dieser Parteien haben ihre Strategien
in den sozialen Medien perfektioniert. Sie wissen, welche
Geschichten sie erzählen müssen, damit die Algorithmen ihnen
maximale Reichweite verschaffen. Emotional aufgeladene
Botschaften verzerren, sind oft falsch, finden aber Gehör.
Dazu ist in den sozialen Netzwerken zuletzt eine Grafik der
Bertelsmann Stiftung geteilt worden, die den Status Quo gut
beschreibt. Was sie zeigt: Obwohl der Output von CDU/CSU und AfD
auf TikTok nahezu identisch ist (17,1% vs. 21,5%), so wird das
Exposure der AfD-Inhalte durch den Algorithmus nahe zu verdoppelt
- auf 37,4 Prozent. Der Content von CDU/CSU fällt wiederum auf
4,9 Prozent. Andere demokratische Parteien der Mitte haben
ähnliche Probleme, wie z.B. die Grünen oder die SPD.
Ganz rechts und ganz links schaffen es wiederum, dass ihre
Inhalte vom Algorithmus „belohnt“ werden und sich ihre Reichweite
um ein Vielfaches erhöht.
Die Grafik steht für ein viel größeres Problem und einen Trend,
der sich zunehmend verschärft: Radikale Parteien erreichen in den
sozialen Medien, z.B. auf TikTok, immer mehr junge Menschen mit
Halbwahrheiten und teilweise auch mit Hass, Hetze und Lügen. Die
Parteien der Mitte wirken hingegen eher hilflos und entmutigt.
Dabei müssten gerade jetzt die demokratischen Kräfte verstehen,
dass sie raus aus der Defensive und in die Offensive müssen. Wie
die Zeit vor einigen Tagen richtigerweise anmerkte:
„Während andere Parteien noch nicht mal von Wahlkampf
reden, führt ihn die AfD längst.“ Gemeint war u.a. die
Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im kommenden Jahr. Die AfD steht
laut Umfragen bei knapp 40 Prozent.
Auch die neue Parteijugend der AfD, die sogenannte Generation
Deutschland, bringt sich in Stellung. Am vergangenen Samstag
wählte sie Jean-Pascal Hohm (28) zum Chef des Nachwuchsverbands.
Sein Landesverband in Brandenburg wird vom Verfassungsschutz als
„gesichert rechtsextrem“ eingestuft.
Wie reagiert das demokratische Europa?
Die entscheidende Frage ist nun, wie die demokratischen Kräfte
auf diese Entwicklungen reagieren. Reagieren sie überhaupt? Für
mich ist klar: Europäische Demokratien müssen in den kommenden
Jahren beweisen, dass sie in der Lage sind, Probleme zusammen zu
lösen. Deutschlands enorme Herausforderungen lassen sich nur mit
der Europäischen Union meistern und nicht allein über den
Nationalstaat.
Aus diesem Grund haben wir in den letzten Monaten bei der
European Stability Initiative an einem Europa-Aufruf gearbeitet.
Wir wollen ein Netzwerk an Verbündeten schaffen, die an das
europäische Projekt glauben und uns dabei unterstützen, seine
Werte gegen illiberale Kräfte zu beschützen. Nur so können wir
auch künftig eine historisch einmalig erfolgreiche und attraktive
Wirtschaftsregion für Unternehmerinnen und Unternehmer, Start-ups
und Innovatoren erhalten.
Es geht dabei um die Verteidigung des gemeinsamen
Binnenmarktes, der Rechtsstaatlichkeit und der offenen Grenzen
zwischen demokratischen Staaten. Ebenso geht es um die Fähigkeit,
äußeren Bedrohungen wirksam begegnen zu können.
Dabei ist jedoch offensichtlich, dass die Herausforderungen
weiter wachsen werden. Das Putin-Regime hat seit 2022 durch
Handlungen und Aussagen bestätigt, dass es auf die Zerschlagung
der demokratischen Ukraine setzt, und auch seine hybriden
Angriffe auf Europas Demokratien verschärft. In den USA kam 2025
ein Präsident an die Macht, der so klar wie noch nie seit dem
Zweiten Weltkrieg das internationale System, dass die USA nach
1945 mitgeschaffen haben, zerrüttet, und der dabei auch die
europäischen Institutionen als Gegner sieht.
Von Moskau wie von Washington werden in Europas Demokratien, auch
in Deutschland, politische Kräfte unterstützt, die versprechen,
die nach 1949 geschaffenen und bis heute den demokratischen
Frieden tragenden Institutionen – die Europäische Union, die NATO
und den Europarat – zu schwächen oder sogar abzuschaffen.
Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass es diesen radikalen
Kräften nicht gelingt, das demokratische Europa zu kapern und das
Friedensprojekt der europäischen Integration zu demontieren. Das
Argument, Deutschland solle aus der Europäischen Union austreten
oder sie ganz abschaffen, damit Nationalstaaten zu „alter Stärke“
zurückfinden ist heute so gefährlich wie in der Vergangenheit.
Dem stellen wir eine positive Vision entgegen: ein Europa
der Staaten, die sich freiwillig in Institutionen integrieren, um
einen Kontinent des demokratischen Friedens zu schaffen.
Wenn Sie mehr über dieses Projekt erfahren wollen, schreiben Sie
mir gerne. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen verstanden
haben, dass wir handeln müssen.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntagabend und dann einen guten
Start in die Woche.
Philipp Sandmann
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