#11 Woher und wohin
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Beschreibung
vor 3 Tagen
In Deutschland ist „Multikulti“ bis heute, zumindest auch, ein
Kampfbegriff. Gerade den Grünen wurde und wird unterstellt, es
Einwanderern zu leicht machen zu wollen bei deren
Integrationsleistungen, allzu naiv zu sein gegenüber den
Herausforderungen und nicht zuletzt auch Überforderungen, die
sich zwangsläufig aus der Sozialisierung in unterschied-ichen
Kulturen ergeben. Multikulti ist aber noch etwas ganz anderes:
einfach ein Faktum. Bei manchen weniger, bei anderen mehr, bei
Cem Özdemir ziemlich viel.
Seine Mutter stammte aus Istanbul, der größten Stadt der Türkei,
hatte aber ihrerseits eine griechische Großmutter. Beide Länder
waren in ihrer wechselvollen Geschichte fast immer verfeindet.
Die Frauen sprachen Griechisch miteinander, wenn sie niemand
verstehen sollte. Weil der Großvater mütterlicher-seits einer
türkischen Offiziersfamilie entstammte, muss-te Cems Großmutter
aber zum Islam konvertieren und ihren Namen ändern, damit die
beiden überhaupt heiraten konnten. Teile beider Familien
akzeptierten die Verbindung nicht, doch das Paar trotzte allen
Widerständen.
Viele Jahre später freuten sich Nihals erste Kundinnen in ihrem
neuen Laden in Urach für sie, weil sie der Türkei entronnen war
und jetzt kein Kopftuch mehr tragen musste. Auf Erläuterungen in
ihrem gebrochenen Deutsch verzichtete die Schneiderin. Sie wusste
sich anders zu helfen und platzierte gut sichtbar ein Bild ihrer
eigenen Großmutter an die Wand: unverhüllt mit kurzen Haaren.
Eine derartige nonverbale Aufklärung Einheimischer blieb die
Ausnahme. Für gewöhnlich war der Informationsfluss umgekehrt. Von
den Gastarbeitern wurde schlicht erwartet, sich für die neue
Umgebung zu interessieren, um sie zumindest einigermaßen
begreifen zu können.
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