#7 Zurück in Bad Urach
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vor 6 Tagen
In Cem Özdemirs Leben gab es viele glückliche Fügungen. Manche
stellten die Weichen für ein paar Jahre neu, andere ermöglichten
den einen oder anderen Karrieresprung. Eine jedoch veränderte
sein ganzes Leben. Anfang der Siebzigerjahre betrat Frau Naumann
die Änderungsschneiderei von Nihal Özdemir in Urach, um eine Hose
für ihren Vierjährigen ändern zu lassen. Mehr als ein halbes
Jahrhundert später zitiert sie den Dialog: Cems Mutter erklärte,
zu wissen, dass Frau Naumann eine gute Lehrerin sei, und genau
das brauche jetzt ihr Sohn. „Das war keine Bitte, sondern ein
Befehl“, erinnert sich die Nachhilfelehrerin. Sie traf auf einen
hochintelligenten Jungen mit katastrophaler Rechtschreibschwäche,
und das in einer Zeit, in der für dumm gehalten wurde, wer nicht
korrekt schreiben konnte. Dem Umstand, dass sie das nicht tat,
hat er seinen Bildungsaufstieg zu verdanken – bis hinauf in die
Chefetage des Bundeswissenschaftsministeriums.
Wiederum ein halbes Jahrhundert nach dieser Begegnung mit Mutter
Nihal griff die resolute Rektorin i. R. erneut in die Vita ihres
einstigen Nachhilfeschülers ein. Als Bad Uracher Gemeinderätin
mit FDP-Parteibuch warb sie erfolgreich dafür, ihrem Schützling
mit der so langen und erfolgreichen Karriere als Grünen-Politiker
die Ehrenbürgerwürde seiner Heimatstadt zu verleihen. Bei der
Festveranstaltung ereilte ihn eine Bitte von Frau Naumann, die
ihre Laudatio mit dieser Botschaft krönte: „Cem, komm hoim ins
Ländle.“ Sie sagt viel Gutes über den frischgebackenen
Ehrenbürger. Sie ist politisch, herzlich und pfiffig, „knitz“
eben, wie Schwaben sagen. Und sie endete mit den klassisch
gewordenen drei Worten: „Wir schaffen das.“
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