#6 Wider den Fanatismus
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Beschreibung
vor 1 Woche
Ein exemplarisches Ereignis aus der Geschichte seiner Familie
hörte Cem früh von seiner Mutter Nihal. Es ging um Verständigung
zwischen unterschiedlichen Menschen unterschiedlicher religiöser
Sozialisation, die eben nicht zustande kam, weil rohe Gewalt und
das angemaßte Recht des Stärkeren sich durchsetzten. Als Junge
war Cems Vater Abdullah eines Tages zu Erntehelfern geschickt
worden, um ihnen Essen zu bringen. Auf dem Weg wurde er von
anderen Heranwachsenden aufgehalten, beleidigt und verprügelt.
Mitten im Fastenmonat Ramadan sei so etwas sogar verboten,
belehrten ihn die orthodox-muslimischen Angreifer. Am Ende
schütteten sie die Speisen und Getränke für die Erntehelfer auf
die Erde aus.
Die zornige Reaktion von Cems Großmutter bestand darin, die
Erwachsenen in der Nachbarschaft verbal massiv zu attackieren,
wegen ihrer Einmischung in die religiösen Angelegenheiten
anderer. „Eher würden diese ehrlichen Menschen ins Paradies
kommen als ihr ganzes Dorf mit seinen heuchlerischen Frömmlern“,
so zitiert Özdemir Jahre später den Wutausbruch seiner wackeren
Großmutter, der sunnitischen Muslimin, in Bewunderung für ihre
Toleranz und ihren Einsatz.
Die Erntehelfer zählten zur Glaubensgemeinschaft der Aleviten,
die im Vergleich zur muslimischen Mehrheitsgesellschaft einem
liberaleren Pragmatismus anhängen und etliche wichtige
Verhaltensvorschriften im Koran ablehnen. Deshalb nehmen sie
unter anderem nicht am Ramadan mit seinem dreißigtägigen Fasten
teil.
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