Die Behandlung der Borderline Störung #2 – Das Eiermodell
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Beschreibung
vor 3 Wochen
In dieser Folge von Erzähl mal setzen wir die Reihe zur
Borderline-Störung fort – mit einem weiteren Einblick in die
Psychoedukation und therapeutischen Strategien. Nach dem
„Hausmodell“ der letzten Episode geht es diesmal um das
Eiermodell – ein Bild, das verdeutlicht, warum
der Weg aus der Destruktivität heraus so oft von Rückschlägen
begleitet wird und warum Fortschritt sich manchmal paradox
anfühlt.
Das Ei steht symbolisch für die Entwicklung in der Therapie:
Am unteren Ende finden wir die destruktive Zone
– das Chaos, die Verzweiflung, die Selbstabwertung. Von hier aus
beginnt der therapeutische Aufstieg: Schritt für Schritt, mit
ersten Erfolgen, mit wachsender Hoffnung. Doch anders als viele
glauben, wird der Weg nach oben nicht leichter – sondern
steiler. Je weiter man sich von der Verzweiflung
entfernt, desto intensiver werden die inneren Konflikte.
Genau hier entsteht ein Dilemma: Wenn Betroffene hören, dass „es
gerade richtig gut läuft“, kann das unbewusst Angst auslösen –
die Angst, nicht mehr gebraucht zu werden, verlassen zu
werden, wieder allein zu sein. Das positive Feedback
wird dann nicht als Ermutigung, sondern als drohender Abschied
erlebt. Aus Schutz vor diesem Verlust kippt die Stimmung – und
der Aufstieg verwandelt sich in einen Absturz.
Das Eiermodell beschreibt auch die Tendenz zum
Alles-oder-Nichts-Denken: Wenn nicht alles gut wird, ist
alles schlecht. Wenn Glück nicht vollkommen ist, lohnt sich
nichts. Viele erleben an dieser Stelle tiefe Frustration und Wut:
Wenn die innere Leere bleibt, obwohl sie sich so bemüht haben,
folgt nicht selten ein Impuls zur Selbstzerstörung – Abbruch der
Therapie, Selbstverletzung, Drogenkonsum oder impulsive
Beziehungsabbrüche.
Therapeutisch ist wichtig: Diese Abstürze sind nicht
Scheitern, sondern Teil der Erkrankungslogik. Sie
zeigen, wie früh erworbene Strukturen wirken – insbesondere das
Misstrauen gegenüber Stabilität. Ziel ist deshalb nicht, das
„Loch“ der Leere zu schließen, sondern darüber zu
arbeiten, trotz der Leere zu leben. Das bedeutet:
Stabilität von außen aufbauen, ohne Heilungsillusionen zu nähren.
Das Eiermodell hilft, Rückfälle vorhersehbar zu machen. Wenn
Therapeut:innen und Patient:innen gemeinsam verstehen, dass der
Weg aus der Destruktivität immer wieder durch Phasen der
Instabilität führt, lässt sich verhindern, dass Abstürze als
persönliches Versagen gedeutet werden. Stattdessen entsteht die
Haltung: „Ich weiß, warum das passiert – und wir gehen weiter.“
Das Ziel bleibt realistisch: kein Versprechen von Glückseligkeit,
sondern mehr Lebensfähigkeit im Alltag – wohnen,
Schule oder Arbeit halten, Beziehungen gestalten,
Selbstverletzung reduzieren, Drogen vermeiden, Therapie
fortsetzen. Keine großen Wunder, aber echte Fortschritte.
Damit wird das Eiermodell zu einem Werkzeug, um die Dynamik
zwischen Aufstieg und Rückfall zu verstehen – und um Halt zu
finden, wo vorher nur Kreisen war.
Wir freuen uns über Rückmeldungen, Fragen und Erfahrungen zu
diesem Modell – denn: Vor jedem „Erzähl mal“ steht ein „Ich hör
mal“.
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