Die Behandlung der Borderline Störung #1 – Das Hausmodell

Die Behandlung der Borderline Störung #1 – Das Hausmodell

12 Minuten

Beschreibung

vor 1 Monat

In dieser Episode schließen wir unseren Symptoms-Block zur
Borderline-Störung ab und schlagen die Brücke zur Behandlung.
Ausgangspunkt ist eine nüchterne Einsicht: Das klinische Bild ist
„bunt“ – vielfältig, wechselnd, kontextabhängig. Kein Podcast
kann die ganze Breite abbilden; unser Ziel war, Kernsymptome und
typische Selbst- und Beziehungsdynamiken verständlich zu machen,
ohne dabei zu vereinfachen.


Einige Themen – etwa selbstverletzendes
Verhalten, akute und chronische
Suizidalität oder Suchtmittelkonsum als
vermeintliche Affektregulation – streifen wir nur, weil sie
eigene, sorgfältige Vertiefungen brauchen. Sie sind jedoch eng
mit dem Grundproblem verknüpft: Wenn innere Zustände nicht stabil
reguliert werden können, entsteht der Impuls, Leere und
Anspannung über äußere Reize zu „managen“ – mit hohem Risiko.


Wir sprechen außerdem über einen oft übersehenen Faktor im
klinischen Alltag: Symptom-Übernahme in stationären
Settings. Längere Klinikaufenthalte – vor allem im
Jugendalter – können dazu führen, dass Verhaltensmuster von
Mitpatient:innen unbewusst übernommen werden. Deshalb empfehlen
wir: Stationär so kurz wie nötig (insbesondere bei akuter Eigen-
oder Fremdgefährdung), anschließend konsequent in
ambulante Strukturen überleiten, wo Alltag,
Schule, Ausbildung und Beziehungen als Übungsfelder zur Verfügung
stehen.


Was heißt das für die Behandlung? Zunächst das vielleicht
Wichtigste: „Mehr Liebe“ allein heilt nicht. Und
ebenso wenig die Gegenbewegung – Rückzug, Ignorieren,
Kahlstellen. Menschen mit Borderline-Störung bringen in
Beziehungen intensive Übertragungs- und
Gegenübertragungsphänomene hervor: Idealisierung und
Abwertung, Nähewunsch und Rückzug, Überversorgung und
Distanzimpulse wechseln einander ab. Eine „natürlich-intuitive“
Reaktion führt hier oft in Sackgassen. Es braucht
professionelle Rahmung, Psychoedukation, klare
Strukturen, abgestimmte Teamarbeit – kurz: fachlich begründetes,
verlässliches Handeln statt gut gemeinter Spontanpädagogik.


Therapeutisch sprechen wir vom „langen Weg der kleinen
Schritte“: keine Heilsversprechen, sondern überprüfbare
Fortschritte auf der Funktionalitätsebene
(Schule/Ausbildung, Tagesstruktur, Selbstverletzung unterbrechen,
Beziehungen organisieren, Therapiefähigkeit aufbauen). Ein
zentraler Hebel ist Sprache: Das frühe, vorsprachliche Erleben,
aus dem viele Konflikte stammen, lässt sich heute benennen – und
damit regulierbar machen. Zwischen „fühlen handeln“ schieben
wir ein: verstehen, sprachlich unterscheiden, Skills
anwenden, Spannung senken.


Dazu stellen wir unser Hausmodell vor: Viele
Betroffene neigen dazu, Angebote (Therapie, Schule, Sozialarbeit,
Beziehungen) unbewusst in das „Schwarze Loch“ der inneren
Leere zu werfen – als Ersatz für Bindung. Ergebnis:
Nichts bleibt, nichts trägt. Im Hausmodell bekommt jedes
„Möbelstück“ seinen Ort und seine Funktion: Schule ist
Schule, Therapie ist Therapie,
Sozialarbeit ist Sozialarbeit. Wir
stabilisieren um die Instabilität herum:
strukturieren Tagesabläufe, sichern Bildung und Versorgung,
klären Rollen – damit das Haus bewohnbar wird, auch wenn es
drinnen noch zieht. Erst wenn diese Außenstruktur nicht mehr in
die Leere abwandert, kann innere Arbeit greifen.


Zum Mitnehmen: Borderline ist komplex – aber
behandelbar. Mit fachlicher Haltung, guter
Psychoedukation, tragfähigen Beziehungen und kleinschrittiger
Übung sind heute deutlich bessere Verläufe möglich als noch vor
einigen Jahrzehnten.


In der nächsten Folge stellen wir ein weiteres Behandlungsmodell
vor. Unsere Broschüre findet ihr über den Link
im Profil – Feedback und Fragen sind ausdrücklich willkommen.
Denn: Vor jedem „Erzähl mal“ steht ein „Ich hör mal“.

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15