Beschreibung
vor 3 Wochen
Luhmanns Hypothese lautet, dass Politik und Recht zwei autonome,
operativ geschlossene Funktionssysteme sind. In Abschnitt IV
untersucht er hierfür weitere Anhaltspunkte. So geht er der Frage
nach, wie Lobbyismus zu bewerten ist: Wie hoch ist der Einfluss von
JuristInnen auf das politische System? Anmerkung: Das ist heute
besser erforscht als zur Entstehungszeit des Buches vor rund
30 Jahren. In vielen Ländern gibt es Lobbyregister. Mit
Studien belegen Nicht-Regierungsorganisationen regelmäßig, mit
welchen Lobby-Etats Interessenverbände Einfluss auf die
Gesetzgebung nehmen. In Deutschland z.B. LobbyControl, auf EU-Ebene
das Corporate Europe Observatory. Nicht selten werden ganze
Textpassagen von externen »ExpertInnen« in Gesetzestexte
übernommen, teils im Wortlaut. Ohne Zweifel ist der »legislative
Fußabdruck« heute besser dokumentiert als in den 1990er-Jahren.
Hauptauftraggeber für juristische (Lobby-)Aktivitäten sind
Wirtschaftskonzerne, allen voran die Finanzlobby. Die Erforschung
von Kontaktnetzwerken hat in den letzten Jahren an Bedeutung
gewonnen. Netzwerk- und Diskursanalysen nehmen zu. Luhmanns Frage
ist jedoch: In welchem Funktionssystem wird der juristische
Einfluss tatsächlich wirksam? Die Entscheidung, einen von
JuristInnen verfassten Text in ein Gesetz zu übernehmen, ist eine
politische. Das Risiko, damit womöglich gegen geltendes Recht zu
verstoßen, trägt der Gesetzgeber allein. JuristInnen mögen die
Texte entworfen haben. Die Frage ist jedoch, ob sie überhaupt
politische Kontakte pflegen. Häufig vermitteln »Politikberater« die
juristische Expertise an die Politik weiter. Ausschlaggebend sind
persönliche Beziehungen, um überhaupt Kontakt in
Entscheidungskreise des politischen Systems zu erlangen.
Juristische Expertise wird natürlich vorausgesetzt. Entscheidend
ist jedoch, wie gut ein Akteur mit der Politik vernetzt ist. Eben
da setzen LobbyistInnen an. Für die Politik ist zudem die Frage
wichtig: Welche Bedeutung hat ein Interessenträger, der JuristInnen
beauftragt mit dem Ziel, politischen Einfluss zu nehmen? Eine
derartige »Verwendung« von Anwälten ist jedenfalls eher dem
politischen System zuzuordnen als dem Rechtssystem. Kurz, der bloße
Status »Jurist« ist als alleiniges Kriterium nicht aussagekräftig
genug. Man kann damit eine Kommunikation nicht zweifelsfrei Politik
oder Recht zuordnen. Wären Politik und Recht eine Einheit, müsste
es umgekehrt denkbar sein, dass rechtsdogmatische Erfindungen
innerhalb der Parteipolitik zum Thema werden können. Anhand der
juristischen Beispielthemen »Anscheinsvollmacht« und »culpa in
contrahendo« erscheint es jedoch unwahrscheinlich, dass der
Gesetzgeber sich mit solchen juristisch zu entscheidenden
Problemlagen befassen würde. Doch selbst wenn er es täte, ist
anzunehmen, dass Gerichte derartige Problemstellungen systemintern
weiterentwickeln würden. Nachdem der IV. Abschnitt die These von
der operativen Geschlossenheit beider Systeme untermauert, will
Luhmann im Folgenden überprüfen, ob diese These widerlegbar ist,
sowohl von der politischen als auch von der rechtlichen Seite aus.
Denn selbstverständlich sind die Kommunikationssysteme Politik und
Recht füreinander offen – jedoch nur auf der kognitiven Ebene. Das
bedeutet, beide Systeme sind füreinander Umwelt und nehmen jeweils
Informationen aus der Umwelt auf. Verarbeitet werden solche
»externen Fakten« jedoch systemintern, in operativer
Geschlossenheit. Dies erfolgt anhand der inneren Codierung: Im
Recht dreht sich alles um die Unterscheidungen von Recht/Unrecht
sowie gleicher/ungleicher Fall. In der Politik läuft jede
Entscheidung durch den Filter, ob sie mehr/weniger Macht bedeuten
könnte. Dieses Verhältnis von operativer Geschlossenheit und
kognitiver Offenheit bringt der Terminus »strukturelle Kopplung«
zum Ausdruck. Strukturelle Kopplung wird in Kapitel 10 Thema sein.
Darauf bereitet der IV. Abschnitt allmählich vor.
operativ geschlossene Funktionssysteme sind. In Abschnitt IV
untersucht er hierfür weitere Anhaltspunkte. So geht er der Frage
nach, wie Lobbyismus zu bewerten ist: Wie hoch ist der Einfluss von
JuristInnen auf das politische System? Anmerkung: Das ist heute
besser erforscht als zur Entstehungszeit des Buches vor rund
30 Jahren. In vielen Ländern gibt es Lobbyregister. Mit
Studien belegen Nicht-Regierungsorganisationen regelmäßig, mit
welchen Lobby-Etats Interessenverbände Einfluss auf die
Gesetzgebung nehmen. In Deutschland z.B. LobbyControl, auf EU-Ebene
das Corporate Europe Observatory. Nicht selten werden ganze
Textpassagen von externen »ExpertInnen« in Gesetzestexte
übernommen, teils im Wortlaut. Ohne Zweifel ist der »legislative
Fußabdruck« heute besser dokumentiert als in den 1990er-Jahren.
Hauptauftraggeber für juristische (Lobby-)Aktivitäten sind
Wirtschaftskonzerne, allen voran die Finanzlobby. Die Erforschung
von Kontaktnetzwerken hat in den letzten Jahren an Bedeutung
gewonnen. Netzwerk- und Diskursanalysen nehmen zu. Luhmanns Frage
ist jedoch: In welchem Funktionssystem wird der juristische
Einfluss tatsächlich wirksam? Die Entscheidung, einen von
JuristInnen verfassten Text in ein Gesetz zu übernehmen, ist eine
politische. Das Risiko, damit womöglich gegen geltendes Recht zu
verstoßen, trägt der Gesetzgeber allein. JuristInnen mögen die
Texte entworfen haben. Die Frage ist jedoch, ob sie überhaupt
politische Kontakte pflegen. Häufig vermitteln »Politikberater« die
juristische Expertise an die Politik weiter. Ausschlaggebend sind
persönliche Beziehungen, um überhaupt Kontakt in
Entscheidungskreise des politischen Systems zu erlangen.
Juristische Expertise wird natürlich vorausgesetzt. Entscheidend
ist jedoch, wie gut ein Akteur mit der Politik vernetzt ist. Eben
da setzen LobbyistInnen an. Für die Politik ist zudem die Frage
wichtig: Welche Bedeutung hat ein Interessenträger, der JuristInnen
beauftragt mit dem Ziel, politischen Einfluss zu nehmen? Eine
derartige »Verwendung« von Anwälten ist jedenfalls eher dem
politischen System zuzuordnen als dem Rechtssystem. Kurz, der bloße
Status »Jurist« ist als alleiniges Kriterium nicht aussagekräftig
genug. Man kann damit eine Kommunikation nicht zweifelsfrei Politik
oder Recht zuordnen. Wären Politik und Recht eine Einheit, müsste
es umgekehrt denkbar sein, dass rechtsdogmatische Erfindungen
innerhalb der Parteipolitik zum Thema werden können. Anhand der
juristischen Beispielthemen »Anscheinsvollmacht« und »culpa in
contrahendo« erscheint es jedoch unwahrscheinlich, dass der
Gesetzgeber sich mit solchen juristisch zu entscheidenden
Problemlagen befassen würde. Doch selbst wenn er es täte, ist
anzunehmen, dass Gerichte derartige Problemstellungen systemintern
weiterentwickeln würden. Nachdem der IV. Abschnitt die These von
der operativen Geschlossenheit beider Systeme untermauert, will
Luhmann im Folgenden überprüfen, ob diese These widerlegbar ist,
sowohl von der politischen als auch von der rechtlichen Seite aus.
Denn selbstverständlich sind die Kommunikationssysteme Politik und
Recht füreinander offen – jedoch nur auf der kognitiven Ebene. Das
bedeutet, beide Systeme sind füreinander Umwelt und nehmen jeweils
Informationen aus der Umwelt auf. Verarbeitet werden solche
»externen Fakten« jedoch systemintern, in operativer
Geschlossenheit. Dies erfolgt anhand der inneren Codierung: Im
Recht dreht sich alles um die Unterscheidungen von Recht/Unrecht
sowie gleicher/ungleicher Fall. In der Politik läuft jede
Entscheidung durch den Filter, ob sie mehr/weniger Macht bedeuten
könnte. Dieses Verhältnis von operativer Geschlossenheit und
kognitiver Offenheit bringt der Terminus »strukturelle Kopplung«
zum Ausdruck. Strukturelle Kopplung wird in Kapitel 10 Thema sein.
Darauf bereitet der IV. Abschnitt allmählich vor.
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