93. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 422, K09

93. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 422, K09

Was bedeutet der Begriff des Rechtsstaats aus rec…
1 Stunde 9 Minuten
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Ulrike Sumfleth und Joachim Feltkamp sind Luhmani…

Beschreibung

vor 2 Monaten
Was bedeutet der Begriff des Rechtsstaats aus rechtlicher,
politischer und soziologischer Perspektive? Der Begriff Rechtsstaat
ist ein Klammerbegriff: Er klammert zwei Begriffe und deren
Sinngehalte zu einem gemeinsamen neuen zusammen (auch Frame
genannt, engl.: Rahmen). Interpretiert werden kann der Begriff
politisch oder rechtlich – oder aus der Perspektive eines
Beobachters, der beobachtet, wie Politik und Recht den Begriff
jeweils für sich interpretieren. Letzteres ist eine Beobachtung
zweiter Ordnung. Aus dieser Perspektive der Soziologie lässt sich
feststellen: Das Recht ist in der Lage, politische Gewalt zu
begrenzen. Die Politik ist jedoch in der Lage, das Recht für seine
Zwecke zu instrumentalisieren. Beide Bestrebungen sind gegenläufig.
Dass es gelungen ist, sie zu verbinden, lässt sich als
zivilisatorische Errungenschaft feiern. Für das Recht darf niemand
über dem Gesetz stehen, auch nicht der Gesetzgeber.
Rechtsstaatlichkeit (rule of law) herrscht allein dadurch, dass das
Gesetz (law) gilt. Gesetz und Rechtsstaatlichkeit sind für das
Recht also dasselbe – eine Tautologie, weil die Unterscheidung
beider Begriffe für das Recht keinen Unterschied ergibt. Wie
umfassend dieser Anspruch des Rechts auf Geltung ist, zeigt sich
darin, dass das Recht auch das »Unbestimmbare« noch bestimmt,
nämlich als vom Recht vorgesehene Freiheit. Dabei handelt es sich
um Entscheidungsfreiheiten von Funktionssystemen wie der
Wirtschaft, ebenso wie um Klagerechte von natürlichen und
juristischen Personen, mit denen das Recht den Umgang mit sich
selbst festlegt. Indem das Recht universelle Relevanz beansprucht,
kam es im 19. Jahrhundert zu einem juristisch geprägten
Staatsbegriff. Die deutsche Lehre vom Rechtsstaat betonte die
Bindung der Verwaltung an das Gesetz. Die Frage, wie die Politik
das Recht instrumentalisiert, um Meinungen zu verdichten,
Mehrheiten zu gewinnen und Macht zu erlangen, wurde kaum
thematisiert, weswegen die Lehre als »machtfern« gilt. Aus
politischer Perspektive ist das Recht ein Instrument, welches es
erst möglich macht, politische Ziele zu verwirklichen. Durch
Gesetzgebung verrechtlicht die Politik politische Probleme – und
wird sie dadurch los. Von da an muss das Problem rechtlich
weiterbehandelt werden. D.h., es wird entpolitisiert. Diese
Vorgehensweise des Weiterreichens von Politik an Recht betrifft
nicht nur Parlamente, sondern auch Verwaltung (Ministerialbehörden)
und Staatsverträge zwischen Staaten. Die soziale Funktion der
Politik ist es, kollektiv bindende Entscheidungen zu treffen, also:
Gesetze zu erlassen. Die Entscheidung muss jedoch rechtskonform
sein. In der Regel prüfen darum JuristInnen vorab die Rechtslage.
Auch dabei handelt es sich jedoch um eine Operation des Rechts,
nicht der Politik. Und an dieser Stelle ist es möglich, dass das
politische System – aus Machtgründen – Risiken eingeht. Risiko
verweist auf Überschreiten der Systemgrenze. Um zu verstehen, wie
die Politik das Recht instrumentalisiert, verweist Luhmann auf die
Differenz zwischen Medium und Form im Rechtssystem. Das Medium ist
die Norm. An die Einhaltung rechtlicher Normen ist die Politik
gebunden. Um eine Norm zu reproduzieren, braucht es jedoch eine
Form. Diese Form bestimmt und ändert die Politik, indem sie
auswählt, auf welches geltende Recht sich der Gesetzesentwurf
bezieht, wie das Recht interpretiert wird, welche Argumente
ausgewählt und mit welchen Unterscheidungen sie begründet werden.
All dies bietet Möglichkeiten, politische Ziele zu verwirklichen.
Vollständiger Text auf Luhmaniac.de

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