Die neue Staatsräson: Angst | Von Sabiene Jahn
12 Minuten
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vor 1 Monat
Der Streit um das neue Pentagon-Statut für Journalisten
zeigt, wie eng Sicherheitspolitik und Informationskontrolle
inzwischen verflochten sind. Die USA zügeln jetzt ihre Medien,
Deutschland seine Zweifel – beides folgt derselben Logik der
Angst.
Ein Kommentar von Sabiene Jahn.
Führende Nachrichtenorganisationen in den Vereinigten Staaten –
darunter The New York Times, Washington Post, CNN, Reuters, The
Atlantic und sogar Fox News – verweigerten am Dienstag die
Unterzeichnung der neuen Pressezugangsrichtlinien des Pentagons
(1). Diese Regeln untersagen Journalisten, Informationen zu
beschaffen oder zu veröffentlichen, die nicht ausdrücklich vom
Verteidigungsministerium genehmigt wurden – auch wenn sie nicht
geheim sind (2). Die Bewegungsfreiheit innerhalb des Pentagons
wird eingeschränkt, und wer die Vereinbarung nicht unterschreibt,
verliert seine Akkreditierung. Verteidigungsminister Pete
Hegseth, früher Fox-Moderator, verteidigte die Maßnahme als
„common sense“ und begründete sie mit der Notwendigkeit, „die
nationale Sicherheit zu respektieren“ (3). Auf Kritik reagierte
er mit Ironie: einem winkenden Emoji auf X und einer Liste namens
„Press Accreditation for Beginners“, in der er erklärte, die
Presse habe „kein Recht, zu kriminellen Handlungen aufzufordern“
(4). Pentagon-Sprecher Sean Parnell wies gegenüber Newsweek die
Kritik unterschiedlicher Medienhäuser als hysterisch zurück (5).
Von ihnen kam eine geballte Gegenreaktion. Washington
Post-Chefredakteur Matt Murray sprach von einem
„Angriff auf die Pressefreiheit und den Ersten
Verfassungszusatz“.
The Atlantic-Chef Jeffrey Goldberg nannte die Maßnahme
„verfassungswidrig“ (6). Später stellte sich Präsident Donald
Trump demonstrativ hinter Hegseth.
„Die Presse ist sehr unehrlich.“ (7)
Trump rechtfertigte die Beschränkungen als Disziplin, um
„Soldaten und Generäle vor den Fake News“ zu schützen.
Kommentatoren wie The Hill und New Republic sprachen von einem
gefährlichen Präzedenzfall – einer
„Institutionalisierung der Informationskontrolle“ (8).
Die Episode zeigt, wie die vermeintliche Frontlinie zwischen
„Sicherheit“ und „Freiheit“ in Wahrheit ein Machtkampf um
Deutungshoheit ist. Jahrzehntelang hatten dieselben Pressehäuser
Kriege gerechtfertigt; nun trifft sie die Zensur, die sie selbst
kultiviert haben. Wenn die sogenannte Partei des Krieges – jene
Allianz aus Politik und Publizistik, die militärische Stärke als
moralische Tugend verkauft – plötzlich „Blut spuckt“, weil ihr
der Zugang zur Macht verwehrt wird, dann zeigt sich: Nicht
Wahrheitssuche war ihr Anliegen, sondern die Kontrolle über das
Narrativ. In den Vereinigten Staaten ist dieses Misstrauen
Ergebnis einer langen Entwicklung: Nach Jahrzehnten der globalen
Interventionen, der Sicherheitsdoktrin nach 9/11 und des medialen
Daueralarms um Russland oder China hat sich eine politische
Kultur etabliert, die Öffentlichkeit als Risiko betrachtet. In
den USA überbieten sich Fernsehsender seit Jahren mit Szenarien
über den nahenden Krieg, den „russischen Cyberangriff“ oder die
„chinesische Invasion“. Reale Gefahren treten zurück hinter die
Simulation von Bedrohung – sie erzeugt Quoten, Klicks, politische
Aufmerksamkeit. In dieser Logik sind Medien nicht mehr
Beobachter, sondern Marktteilnehmer einer Angstökonomie.
Hegseth, der aus dieser Welt stammt, will die Kontrolle
zurückgewinnen. Die großen Medienhäuser – vielfach finanziell
verflochten mit Stiftungen, Tech-Konzernen oder
sicherheitspolitischen Thinktanks – lieferten in den letzten
Jahren keine Korrektur mehr, sondern Verstärkung.
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