Äthiopien 1984/85: Bundeswehr und NVA gemeinsam gegen den Hunger
43 Minuten
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Interviews des ZMSBw zu Militärgeschichte, Militärsoziologie und Sicherheitspolitik: für Wissenschaft, Bundeswehr und Gesellschaft
Beschreibung
vor 2 Monaten
Im Kalten Krieg standen sich zwei deutsche Armeen
gegenüber und doch kam es 1984/85 in Afrika zu einem historischen
Moment der Zusammenarbeit: Bundeswehr und Nationale Volksarmee
(NVA) beteiligten sich gleichzeitig an einem internationalen
Hilfseinsatz gegen den Hunger in Äthiopien. Eine neue
Sonderausstellung im MHMBw Berlin-Gatow erinnert daran.
Politik, Propaganda und Pragmatismus
Mitte der 1980er-Jahre befand sich Äthiopien in einer tiefen
Krise: Neben einer schweren Dürre trugen Bürgerkrieg,
Misswirtschaft und die politischen Verhältnisse zur
Hungerkatastrophe bei. Das äthiopische Regime unter Mengistu
Haile Mariam ließ gezielt die Bevölkerung in bestimmten Regionen
hungern. Dennoch akzeptierte es – aus machtpolitischem Kalkül –
humanitäre Hilfsangebote aus Ost und West. So leisteten erstmals
Bundeswehr und NVA gleichzeitig in einem Land humanitäre Hilfe.
Auf Seiten der DDR war auch die staatliche Fluggesellschaft
„Interflug“ beteiligt. Ihren jeweiligen Einsätzen lag offiziell
weder eine gemeinsame Koordination noch Planung zugrunde. Beide
Seiten agierten formal unabhängig voneinander unter dem Mandat
der Vereinten Nationen (UN). Auf denselben Flugfeldern, mit
ähnlichen Maschinen und angesichts der Not entstand eine stille
Form der Zusammenarbeit – geprägt von gegenseitigem Respekt und
pragmatischem Handeln zweier ideologischer Gegner.
Militärlogistik gegen den Hunger
Die topografischen Bedingungen in Äthiopien erforderten robuste
Lufttransportmittel. Nur mit militärischen Flugzeugen und
Hubschraubern war es möglich, Hilfsgüter in abgelegene Regionen
zu bringen. Bundeswehr und NVA setzten auf bewährte
Transportflugzeuge und trainierte Crews. Zusätzlich entwickelte
die Bundeswehr ein neues Verfahren zum Abwerfen von Hilfsgütern
aus niedrigster Höhe. Trotz aller politischen Spannungen
zwischen Ost und West ermöglichte diese Zusammenarbeit eine
effektive Hilfeleistung. Die Bundeswehr zog aus dem humanitären
Einsatz Erfahrungen, die auch Ausbildung und Ausrüstung künftiger
deutscher Hilfsmissionen prägten. Erfahrungen aus Äthiopien
flossen in Konzepte der militärischen Katastrophenhilfe ein.
Zugleich stellte sich die Frage nach der Rolle von NGOs,
westlicher Außenpolitik und der Instrumentalisierung von Hilfe.
In einem Bürgerkriegsland mit sozialistischer Diktatur war
Neutralität kaum möglich. Auch die UN gerieten in ein
Spannungsfeld aus Moral, Macht und Machbarkeit.
Live Aid und öffentliche Aufmerksamkeit
Die internationale Aufmerksamkeit für das Leid in Äthiopien
erreichte mit dem Benefizkonzert „Live Aid“ im Sommer 1985 ihren
Höhepunkt. Bob Geldofs Initiative sammelte ca. 100 Millionen
US-Dollar an Spenden, doch bis heute ist umstritten, wie wirksam
ihre Hilfe war und wer letztlich davon profitierte. Die bereits
laufenden Einsätze von Bundeswehr und NVA gerieten dabei in den
Hintergrund. In Äthiopien selbst fand der militärische
Hilfseinsatz kaum Eingang in die kollektive Erinnerung. Auch in
Deutschland ist der Hilfseinsatz heute weitestgehend vergessen.
Gerade deshalb ist die Berliner Ausstellung des MHMBw Gatow ein
wichtiges Erinnerungszeichen.
Ein vergessenes Kapitel militärischer Hilfe
Die Sonderausstellung des MHMBw auf dem Flugplatz Berlin-Gatow
trägt den Titel „Äthiopien ´84/85. Hunger – Hilfe – Kalter
Krieg“. Auf rund 3.000 Quadratmetern im Außenbereich erwartet die
Besucherinnen und Besucher eine eindrucksvolle Inszenierung mit
historischen Transportflugzeugen wie der Transall C-160 und der
Antonow An-26. Das begehbare Modell des Bundeswehr-Camps in Dire
Dawa, ein eigens entwickeltes Videospiel zur Logistik des Abwurfs
von Hilfsgütern und eine Tribüne mit „Live Aid“-Atmosphäre
vermitteln eindrucksvoll das Spannungsfeld von Not, Engagement
und Weltpolitik.
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