Zugehört! Der Podcast des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
Interviews des ZMSBw zu Militärgeschichte, Militärsoziologie und Sicherheitspolitik: für Wissenschaft, Bundeswehr und Gesellschaft
Podcaster
Episoden
14.11.2025
51 Minuten
Vor 70 Jahren, am 12. November 1955: Die Bundeswehr
feiert ihren Gründungstag. Wie entstand im westlichen Teil des
zerstörten Deutschlands mit seinem diktatorischen Erbe eine neue
Armee der Demokratie? Darüber spricht Prof. Dr. Sönke Neitzel von
der Universität Potsdam mit Oberstleutnant Michael Gutzeit aus
dem ZMSBw.
Die noch junge Bundesrepublik bekommt nur zehn Jahre nach dem
Zweiten Weltkrieg wieder Streitkräfte, auch mit alten
Wehrmachtssoldaten. Die Gründung der Bundeswehr markiert für
Westdeutschland einen Wendepunkt auf dem Weg von Besatzung zu
Bündnispolitik und westdeutscher Souveränität. Doch der Weg
dorthin war hart umkämpft: Der Koreakrieg hatte den Westen unter
Führung der USA alarmiert, während in Deutschland Proteste gegen
eine Wiederbewaffnung aufflammten. Denn die Angst vor einem
„Staat im Staate“ saß nach historischen Erfahrungen tief.
Altes und Neues
Im Gespräch mit Sönke Neitzel beleuchtet die neue Zugehört-Folge
die politischen, militärischen und gesellschaftlichen Spannungen
während der Aufbauzeit der Bundeswehr. Besonders die ersten
zwanzig Jahre nach ihrem Gründungstag liegen im Fokus, denn diese
waren doch so prägend wie wenige danach. Die Entstehung der
„Himmeroder Denkschrift“ als Schlüsseldokument der westdeutschen
Wiederbewaffnung, aber auch der Personalgutachterausschuss und
seine Arbeit demonstrieren, wie stark ehemalige
Wehrmachtsangehörige am Neuaufbau der Streitkräfte beteiligt
waren. Gleichzeitig entstand mit der „Inneren Führung“ das
Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“ – ein Versuch,
demokratische Verantwortung und soldatische Tradition zu
verbinden. Aber die neue Führungsphilosophie war alles andere als
unumstritten.
Licht und Schatten
Dazu sprechen wir über innere Konflikte wie die
Auseinandersetzung der „Leutnante von Hamburg“ mit den
„Hauptleuten von Unna“. Auch Skandale und Affären werden
thematisiert, wie das Iller-Unglück 1957, der Spiegel-Skandal von
1962, die Nagold-Affäre 1963, oder die von der Schnez-Studie 1969
ausgelöste Debatte. Neben allen Zweifeln der Nachkriegszeit
sprechen wir aber auch über Lichtblicke, wie die Fluthilfe der
Bundeswehr an der Elbe im Jahr 1962. Des Weiteren spannt die
Folge einen Bogen von der Einführung der Wehrpflicht und der
Atomwaffenfrage bis hin zur Ostpolitik der 1970er-Jahre, in einer
Zeit, als die Bundeswehr eine Stärke von fast einer halben
Millionen Soldaten erreicht. Am Ende zieht Prof. Neitzel eine
Bilanz, vor allem darüber, was wir aus unserer Geschichte für
unsere Gegenwart und Zukunft lernen können.
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02.10.2025
40 Minuten
Krieg in der Ukraine, Drohnen über Polen: Das
sicherheitspolitische Umfeld der NATO ist angespannt und die USA
zeigen sich als schwer einzuschätzender Bündnispartner. Über
diese Lage und mögliche Auswege spricht Oberstleutnant Michael
Gutzeit mit Prof. Dr. Carlo Masala.
Im September sah sich Polen erstmals gezwungen, russische Drohnen
auf eigenem Territorium abzuschießen, die in großer Zahl in den
Luftraum eingedrungen waren. Verteidigungsminister Pistorius
bezeichnete den Vorfall als eine „bislang beispiellose Verletzung
des polnischen Luftraums“ und „Provokation gegenüber der gesamten
NATO“. Er versicherte: „Wir stehen als Bündnispartner ganz klar
fest zusammen (…) wir lassen uns nicht provozieren.“ Wie sind die
regelmäßigen Luftraumverletzungen einzuordnen? Sollen sie die
NATO provozieren oder will Russland vor allem davon ablenken,
dass es militärisch schwächelt?
Worte und Zentimeter
Die Ukraine verzeichnet nördlich von Pokrowsk Geländegewinne und
attackiert russische Ölraffinerien, das diesjährige Zapad-Manöver
Russlands fällt deutlich kleiner aus. Präsident Selenskyj
vermutet, Russland fehle die Kraft für eine Großoffensive. Putins
Drohnen könnten also weniger Stärke, sondern eher Verunsicherung
signalisieren. Auch politisch verschieben sich die Frontlinien.
Moskau erklärt neuerdings nicht mehr die USA, sondern Europa zum
Hauptfeind. Parallel betonen Washingtons Vertreter ihre
Bündnistreue: „Wir würden jeden Zentimeter NATO-Territorium
verteidigen“, sagte US-Botschafter Waltz bei den Vereinten
Nationen. Selbst Präsident Trump bekräftigte jüngst die
Verteidigung Polens und des Baltikums. Ist das eine neue Klarheit
und wie verlässlich ist sie?
Gesprächspartner
Carlo Masala ist Professor an der Universität der Bundeswehr
München und Direktor des Metis Instituts für Strategie und
Vorausschau. Oberstleutnant Michael Gutzeit ist Leiter der
Informationsarbeit am ZMSBw.
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27.09.2025
43 Minuten
Im Kalten Krieg standen sich zwei deutsche Armeen
gegenüber und doch kam es 1984/85 in Afrika zu einem historischen
Moment der Zusammenarbeit: Bundeswehr und Nationale Volksarmee
(NVA) beteiligten sich gleichzeitig an einem internationalen
Hilfseinsatz gegen den Hunger in Äthiopien. Eine neue
Sonderausstellung im MHMBw Berlin-Gatow erinnert daran.
Politik, Propaganda und Pragmatismus
Mitte der 1980er-Jahre befand sich Äthiopien in einer tiefen
Krise: Neben einer schweren Dürre trugen Bürgerkrieg,
Misswirtschaft und die politischen Verhältnisse zur
Hungerkatastrophe bei. Das äthiopische Regime unter Mengistu
Haile Mariam ließ gezielt die Bevölkerung in bestimmten Regionen
hungern. Dennoch akzeptierte es – aus machtpolitischem Kalkül –
humanitäre Hilfsangebote aus Ost und West. So leisteten erstmals
Bundeswehr und NVA gleichzeitig in einem Land humanitäre Hilfe.
Auf Seiten der DDR war auch die staatliche Fluggesellschaft
„Interflug“ beteiligt. Ihren jeweiligen Einsätzen lag offiziell
weder eine gemeinsame Koordination noch Planung zugrunde. Beide
Seiten agierten formal unabhängig voneinander unter dem Mandat
der Vereinten Nationen (UN). Auf denselben Flugfeldern, mit
ähnlichen Maschinen und angesichts der Not entstand eine stille
Form der Zusammenarbeit – geprägt von gegenseitigem Respekt und
pragmatischem Handeln zweier ideologischer Gegner.
Militärlogistik gegen den Hunger
Die topografischen Bedingungen in Äthiopien erforderten robuste
Lufttransportmittel. Nur mit militärischen Flugzeugen und
Hubschraubern war es möglich, Hilfsgüter in abgelegene Regionen
zu bringen. Bundeswehr und NVA setzten auf bewährte
Transportflugzeuge und trainierte Crews. Zusätzlich entwickelte
die Bundeswehr ein neues Verfahren zum Abwerfen von Hilfsgütern
aus niedrigster Höhe. Trotz aller politischen Spannungen
zwischen Ost und West ermöglichte diese Zusammenarbeit eine
effektive Hilfeleistung. Die Bundeswehr zog aus dem humanitären
Einsatz Erfahrungen, die auch Ausbildung und Ausrüstung künftiger
deutscher Hilfsmissionen prägten. Erfahrungen aus Äthiopien
flossen in Konzepte der militärischen Katastrophenhilfe ein.
Zugleich stellte sich die Frage nach der Rolle von NGOs,
westlicher Außenpolitik und der Instrumentalisierung von Hilfe.
In einem Bürgerkriegsland mit sozialistischer Diktatur war
Neutralität kaum möglich. Auch die UN gerieten in ein
Spannungsfeld aus Moral, Macht und Machbarkeit.
Live Aid und öffentliche Aufmerksamkeit
Die internationale Aufmerksamkeit für das Leid in Äthiopien
erreichte mit dem Benefizkonzert „Live Aid“ im Sommer 1985 ihren
Höhepunkt. Bob Geldofs Initiative sammelte ca. 100 Millionen
US-Dollar an Spenden, doch bis heute ist umstritten, wie wirksam
ihre Hilfe war und wer letztlich davon profitierte. Die bereits
laufenden Einsätze von Bundeswehr und NVA gerieten dabei in den
Hintergrund. In Äthiopien selbst fand der militärische
Hilfseinsatz kaum Eingang in die kollektive Erinnerung. Auch in
Deutschland ist der Hilfseinsatz heute weitestgehend vergessen.
Gerade deshalb ist die Berliner Ausstellung des MHMBw Gatow ein
wichtiges Erinnerungszeichen.
Ein vergessenes Kapitel militärischer Hilfe
Die Sonderausstellung des MHMBw auf dem Flugplatz Berlin-Gatow
trägt den Titel „Äthiopien ´84/85. Hunger – Hilfe – Kalter
Krieg“. Auf rund 3.000 Quadratmetern im Außenbereich erwartet die
Besucherinnen und Besucher eine eindrucksvolle Inszenierung mit
historischen Transportflugzeugen wie der Transall C-160 und der
Antonow An-26. Das begehbare Modell des Bundeswehr-Camps in Dire
Dawa, ein eigens entwickeltes Videospiel zur Logistik des Abwurfs
von Hilfsgütern und eine Tribüne mit „Live Aid“-Atmosphäre
vermitteln eindrucksvoll das Spannungsfeld von Not, Engagement
und Weltpolitik.
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27.08.2025
40 Minuten
Geheimdienste – für viele ein Mythos, für manche ein
Schreckensbild, für die Wissenschaft ein schwer zugängliches
Forschungsfeld. Dr. Noura Chalati und Dr. Silvia-Lucretia Nicola
sprechen in der aktuellen Folge von „Zugehört“ über ein wenig
beleuchtetes Kapitel der Geheimdienstgeschichte: die Beziehungen
zwischen den Geheimdiensten in Syrien und der DDR zwischen 1960
und 1990. Von Spitzeln, Foltermethoden und dem langen
Schatten der Vergangenheit
In dieser Folge von Zugehört berichtet die
Politikwissenschaftlerin Dr. Noura Chalati über die bislang kaum
erforschte Zusammenarbeit zwischen den syrischen Geheimdiensten
(Mukhabarat) und dem ostdeutschen Geheimdienst, der
Staatssicherheit, während des Kalten Krieges. Auf Basis von
Archivfunden rekonstruierte sie, wie autoritäre Regime
Informationen, Methoden und Machtlogiken trotz gegenseitigem
Misstrauen austauschten – von Spitzelnetzwerken bis hin zu
Folterpraktiken. Dabei wird schnell deutlich: Geheimdienste sind
und waren nie rein nationale Akteure, sondern stets Teil
transnationaler Beziehungsgeflechte.
Es wird nachgezeichnet, wie historische Kontinuitäten bis in die
Gegenwart reichen. Was steckt hinter der oft erzählten Legende
vom „Deutschen Stuhl“? Welche Rolle spielten die Mukhabarat bei
der Aufrechterhaltung der Machthaber in Syrien über mehrere
Dekaden? Wie lassen sich staatliche Gewalt und Verbrechen von
Geheimdiensten aufarbeiten? Ein Gespräch über Repression,
Überwachung und Bürokratie – und die schwierige Frage, wie eine
Gesellschaft nach Jahrzehnten der Totalüberwachung und Gewalt zur
Aussöhnung finden kann.
Die Gesprächspartnerinnen
Dr. Silvia-Lucretia Nicola ist Sozialwissenschaftlerin und
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Militärgeschichte
und Sozialwissenschaften der Bundeswehr im Forschungsbereich
Einsatz. Neben der Erforschung der deutsch-irakisch-kurdischen
Beziehungen nach 1991 dokumentiert und begleitet sie die
Auslandseinsätze der Bundeswehr wissenschaftlich.
Dr. Noura Chalati ist Politikwissenschaftlerin mit den
Schwerpunkten Internationale Beziehungen, Geheimdienste und Naher
Osten. Sie studierte in Berlin, Lyon und Edinburgh und wurde in
Berlin promoviert. Ihre Promotion entwickelt sie als Teil der
Forschungsgruppe „Learning Intelligence: The Exchange of Secret
Service Knowledge between Germany and the Arab Middle East
1960–2010“ am Zentrum Moderner Orient (ZMO) in Berlin.
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08.08.2025
45 Minuten
8. Mai 1945: Kriegsende. Ganz so einfach ist es
nicht. In unserer neuen Folge von „Zugehört“ sprechen John
Zimmermann, Jürgen Luh, Jörg Morré und Frank Reichherzer über das
lange und vielschichtige Ende des Zweiten Weltkriegs – und
darüber, warum das Jahr 1945 weniger ein Schlusspunkt als ein
Übergang war.
Neubewertungen des Zweiten Weltkriegs
Auch achtzig Jahre nach seinem Ende ist unser Verständnis vom
Zweiten Weltkrieg und seinem Ausgang im Wandel. Historische
Forschung, gesellschaftliche Debatten und politische
Entwicklungen haben dazu beigetragen, die Ereignisse von 1945
immer wieder neu zu interpretieren. Unsere Gesprächspartner
werfen einen differenzierten Blick auf das Jahr 1945 – und
stellen die Frage: Wie lassen sich die Umbrüche am Ende des
Zweiten Weltkriegs fassen und bewerten?
Wege aus dem Krieg
Angesichts der globalen Dimension des Zweiten Weltkriegs ist es
kaum möglich, von dem einen Kriegsende zu sprechen. Für manche
Regionen begann der Frieden bereits vor den offiziellen
Kapitulationen Deutschlands und Japans – für andere hingegen
setzten sich Gewalt, Zwang und politische Auseinandersetzungen in
neuen Konstellationen fort. Der Übergang vom Krieg zum Frieden
stellte vielerorts keine klare Zäsur dar, sondern war ein ein
brüchiger und langwieriger Prozess.
Potsdamer Konferenz und Nürnberger Prozesse
Im Mittelpunkt des Gesprächs stehen zwei Schlüsselereignisse des
Jahres 1945: die Potsdamer Konferenz im Sommer sowie die
Nürnberger Prozesse, die Ende des Jahres begannen. Beide
markieren zentrale Momente für die kommende neue Ordnung der Welt
und im Umgang mit der Vergangenheit. Im Mikrokosmos der Potsdamer
Konferenz werden die geopolitischen Weichenstellungen mit ihren
Spannungen und Bruchlinien deutlich, die in der Nachkriegszeit
die internationale Ordnung prägten: vom Kalten Krieg bis hin zur
Dekolonisation. Die Kriegsverbrecherprozesse wiederum waren nicht
nur ein neues und internationales juristisches Projekt, sondern
auch ein moralischer wie auch politischer Versuch der
Vergangenheitsbewältigung – und gleichzeitig ein Forum, um
Ordnungsvorstellungen zu entwickeln.
1945 als Passage – ein Jahr des Übergangs
In dieser Folge von „Zugehört“entsteht ein facettenreiches Bild
des Jahres 1945, das einfache Narrative hinterfragt. Sie lädt
dazu ein, um über Transformationen von Gewalt im 20. Jahrhundert
nachzudenken. Das Gespräch eröffnet neue Perspektiven auf die
Vielfalt der Erwartungen, Möglichkeiten und Wege, die in und
durch das Jahr 1945 in die Zukunft führen konnten. So wird
zugleich weniger eine „Stunde Null“ als vielmehr die „Passage
1945“ deutlich.
Unter dem Leitmotiv „Passage 1945“ findet am 2./3 September 2025
in der Orangerie im Neuen Garten in Potsdam ein Workshop
statt. Der Workshop ist eine Kooperationsveranstaltung des ZMSBw,
der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, dem Research Center
Sanssouci (RECS) und dem Museum Berlin Karlshorst. Mehr
Informationen darüber finden Sie hier.
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Sicherheitspolitik: für Wissenschaft, Bundeswehr und Gesellschaft
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