Marius Goldhorn über Dopplungen und Gegenwarten

Marius Goldhorn über Dopplungen und Gegenwarten

55 Minuten

Beschreibung

vor 2 Monaten
Der Schriftsteller Marius Goldhorn war bereits bei Dear Reader zu
Gast. Vor fünf Jahren, als sein Softcover-Roman „Park” im Suhrkamp
Verlag erschien. „Sie sahen Systeme stürzen. Sie gingen in den
Park“ steht auf dem Buchrücken, dieses schmalen, aber dichten
Romans. Sein gerade bei Kiepenheuer & Witsch erschienener neuer
Roman „Die Prozesse” führt uns erneut in ein unsicheres Europa. Und
wieder wird hier die persönliche Geschichte stark von den
politischen Ereignissen beeinflusst. Der Roman spielt in der nahen
Zukunft, zunächst in Brüssel. Nach dem Bekanntwerden schrecklicher
Gräueltaten in libyschen Lagern und während des Gedenkens an die
koloniale Gewaltgeschichte Belgiens kommt es dort zu einem
Aufstand. Das ungleiche Paar, T., der Ich-Erzähler und Ezra, sein
reicher Freund, bewertet diesen anarchistischen Moment, der sich in
einer kleinen Kommune verstetigt, unterschiedlich. Mit dieser
Doppelbewegung steigen wir in den dichten Text ein, der große
Themen wie Auslöschung und Archivierung, Verbergen und Entblößung,
aber auch ganz konkret den Ortswechsel von der Stadt aufs Land
durchspielt. Wir begleiten die beiden nach Ligurien. Auch hier gibt
es keine Idylle, keinen Frieden und keine Rückzugsmöglichkeit. In
dem Gespräch zwischen Marius Goldhorn und Mascha Jacobs geht es
zunächst um das Interesse des Autors, seine Figuren von der Stadt
aufs Land umzusiedeln. Sie sprechen über literarische Figuren als
Container für Ideen, über Gegenwärtigkeit, die Oberfläche der
Sprache und Verdopplungen. Außerdem sprechen sie über
Krisenmindsets, Kriegszeiten und wie man darin Güte und Gnade
bewahrt. Sie sprechen über das Notieren, Abschreiben und
Überschreiben und warum Marius Goldhorn sich als Text-Admin
versteht. Seine Texte sind stark von anderen Texten geprägt, und
seine Figuren sind Behälter für Aussagen und Ideen bestimmter
historischer oder noch lebender Menschen. Neben
Internettheoretiker*innen der amerikanischen neuen Rechten haben
ihn in „Die Prozesse“ Schriftsteller*innen und Künstler*innen der
Moderne interessiert, um die Gegenwart und den neuen Faschismus zu
verstehen. Im Klappentext wird „Die Prozesse” als ein Roman von
rätselhafter Klarheit beworben. Das trifft auch auf die von Marius
Goldhorn mitgebrachten Lieblingstexte von Clarice Lispector und
Gertrude Stein zu. Im Podcast geht es um „The Winner Loses: A
Picture of Occupied“ France von Gertrude Stein. Dieser Text wurde
1940 im Atlantic Monthly veröffentlicht und ist in der Textsammlung
„How Writing is Written“, die 1974 von Robert Bartlett Haas
herausgegeben wurde, erschienen. Eine deutsche Übersetzung gibt es
bisher nicht. Er ist online auf der Homepage des Atlantic frei
zugänglich
(https://www.theatlantic.com/magazine/archive/1940/11/the-winner-loses-a-picture-of-occupied-france/654686/).
Das Gespräch über die Literatur von Clarice Lispector bezieht sich
vor allem auf die Texte „Água Viva” (im brasilianischen
Portugiesisch 1973 veröffentlicht) und den gerade von Luis Ruby neu
übersetzten Roman von 1964 „Die Passion nach G. H.” Beide sind bei
Penguin erschienen.

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