Die Kunst der Balance | Von Sabiene Jahn
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vor 3 Monaten
Modi, Xi und Putin setzen auf Verständigung
Die SCO in China zeigte: Indien und China wagen eine
Annäherung, Russland verstärkt seine Allianz – und der Westen
klammert sich an die eigene Blocklogik. „Wandel durch Annäherung“
wird neu geschrieben, nur nicht dort, wo man ihn einst
erfand.
Ein Kommentar von Sabiene Jahn.
Es sind Bilder, die in Europa kaum wahrgenommen werden, in Asien
aber ein neues Kapitel markieren: Modi, Xi und Putin in
demonstrativer Nähe bei der diesjährigen SCO-Tagung in China (1).
Man sieht Umarmungen, man hört die Worte von „Partnerschaft“ und
„Freundschaft“. Und man begreift, dass sich hier etwas
verschiebt. Während der Westen in den gewohnten Kategorien von
Allianzen und Blöcken denkt, setzt Eurasien längst auf ein
anderes Modell: Souveränität statt Unterordnung, flexible
Zusammenarbeit statt ideologischer Einheitsfront.
Die Tagung war mehr als Diplomatie-Kulisse. Die Shanghaier
Organisation für Zusammenarbeit (SCO), gegründet 2001 zur
Terrorismusbekämpfung und regionalen Sicherheit, umfasst heute
zehn Vollmitglieder – darunter seit 2023 den Iran und seit 2024
Belarus (2). Sie repräsentiert rund 40 Prozent der
Weltbevölkerung und ist längst ein Gegengewicht zu westlichen
Bündnissen (3). Das diesjährige Treffen in Tianjin war das größte
seit Bestehen. Neben den Staatschefs der Mitglieder nahmen
Beobachter und Partnerstaaten teil, bis hin zu UN-Generalsekretär
António Guterres, der Türkei, Ägypten, Myanmar und Indonesien
(5). Schon diese Teilnehmerliste zeigt: Die SCO ist keine
Regionalveranstaltung mehr, sondern entfaltet globale
Anziehungskraft.
Zentrale Themen waren Terrorismusbekämpfung, Extremismus,
Separatismus – aber auch die Aufforderung, „Einigkeit gegenüber
dem Westen“ zu wahren (6). Xi Jinping rief zur Abkehr von der
„Mentalität des Kalten Krieges“ auf (5). In der gemeinsamen
Erklärung lehnten die Mitglieder einseitige Zwangsmaßnahmen ab –
eine klare Botschaft gegen Sanktionen und Handelszwänge (4).
Auffällig: Der Ukraine-Krieg blieb unerwähnt, obwohl Putin ihn in
seinen Auftritten immer wieder verteidigte (5). Dafür verurteilte
die SCO Terrorangriffe in Kaschmir sowie die humanitäre Lage in
Gaza und kritisierte scharf US- und israelische Angriffe auf
iranische Ziele (6). Die Organisation zeigt damit, dass sie
globale Konfliktlagen adressiert – und sich als Sprachrohr des
Globalen Südens versteht (3).
Besonders deutlich zeigt sich das am Beispiel Indiens. Nach
Jahren der Eiszeit mit Peking beginnt eine vorsichtige
Normalisierung (9). Gleichzeitig bleibt das Verhältnis zu
Russland robust (7). Diese Kombination ist kein Widerspruch,
sondern Ausdruck einer Politik, die nationale Interessen über
Blockdisziplin stellt. Indien kauft weiterhin russische Energie,
trotzt Druckversuchen und diversifiziert Handelsbeziehungen –
nicht aus Trotz, sondern aus nüchterner Standortlogik (8).
Indien und China setzen dabei auf Wandel durch Annäherung. Egon
Bahr hätte an dieser Szene wohl seine Freude gehabt. Jener
Sozialdemokrat, der Anfang der 1970er-Jahre die deutsche
Ostpolitik prägte, formulierte einst den Satz „Wandel durch
Annäherung“. Damals war es der Versuch, den Kalten Krieg durch
schrittweise Vertrauensbildung erträglicher zu machen und die
Realität einer geteilten Welt anzuerkennen. Was in Europa gelang,
scheint nun am Himalaya eine späte Fortsetzung zu finden (10).
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