Ein gefährlicher Traum und ein Weckruf | Von Tilo Gräser

Ein gefährlicher Traum und ein Weckruf | Von Tilo Gräser

19 Minuten

Beschreibung

vor 4 Monaten

Eine EU-Denkfabrik will wie einst die USA im Kalten Krieg
den Kreml „entmachten“


Ein Kommentar von Tilo Gräser.


Das US-Außenministerium, das State Department, „ist zu dem
Schluss gelangt, dass das Einzige, was wir tun können, darin
besteht, Russland ‚in seine Schranken zu verweisen‘, bis Russland
sich ändert, nicht mehr unser Rivale ist und unser Partner wird“.
Das klingt, als wäre es geschrieben, nachdem der derzeitige
US-Präsident Donald Trump sich deutlich unzufrieden mit seinem
russischen Amtskollegen Wladimir Putin gezeigt hat, weil der
anscheinend partout nicht den Krieg in der Ukraine beenden will.
Es könnte eine Aussage sein, die zu Trumps Ultimatum an Putin
passt, das auf eine Umkehr seiner zuvor geäußerten eher
verständnisvollen Haltung gegenüber Russland deutet.


Doch diese Aussage stammt aus dem Jahr 1947 von Walter Lippmann,
der sie in seinem Essay „The Cold War – A Study in U.S. Foreign
Policy“ schrieb. Er gilt in den USA als meistgelesener und
einflussreichster politischer Schriftsteller des 20.
Jahrhunderts, ebenso als einer der einflussreichsten
Propagandisten des Neoliberalismus und einer gelenkten
Demokratie. Er prägte den Begriff „Kalter Krieg“ und brachte
ihn in den allgemeinen Sprachgebrauch ein.


In seinem Essay von 1947 kritisierte er zumindest die damals
begonnene Politik der „Eindämmung“ der Sowjetunion, wie sie der
Politikberater und Diplomat George F. Kennan propagierte und
erfolgreich etablierte. Das Streben der führenden Kräfte in der
US-Politik von damals, die Sowjetunion, die gleichgesetzt wurde
mit Russland, erst einzudämmen und zu schwächen, um sie dann in
den Schoß des Kapitalismus zurückzuholen, sprich den eigenen
Profitinteressen unterzuordnen, wurde natürlich nicht so offen
erklärt. Es wurde stattdessen mit der angeblichen russischen
beziehungsweise kommunistischen Gefahr aus dem Osten begründet,
gegen die sich die USA und der von ihr geführte Westen als „Hort
der Freiheit“ verteidigen müsse.


Diese Phrase von der „Verteidigung der Freiheit“ ist auch heute
wieder zu vernehmen, laut und schrill und genauso verlogen. Die
grundlegenden Interessen dahinter, die vor allem vor der eigenen
Bevölkerung verborgen werden, sind die gleichen wie bereits vor
rund 80 Jahren, als der „Kalte Krieg“ begonnen wurde – von den
USA unter ihrem damaligen Präsidenten Harry S. Truman. Aus Sicht
mancher Historiker fing das noch eher an und reicht bis 1917
zurück, als in Russland eine Revolution das Ende des Kapitalismus
verkündete.


Russland soll nun wieder der Feind sein, der die Freiheit des
Westens bedroht und sich darauf vorbereitet, seine Grenzen in
Richtung Westen zu überschreiten. Das wird wider alle Fakten und
Tatsachen, wider alle Vernunft und Diplomatie behauptet. Letztere
stört bei den neuen westlichen und auch deutschen Kriegsgelüsten
Richtung Osten nur und wird von den meisten der derzeit in den
Staaten der Europäischen Union (EU) Regierenden beiseite gewischt
und für nicht nützlich erklärt.


Dabei gilt auch heute, was Lippmann 1947 ebenfalls schrieb:
„Die Geschichte der Diplomatie ist die Geschichte der
Beziehungen zwischen rivalisierenden Mächten, die keinen politisch
vertrauten Umgang miteinander pflegten und auf Appelle an
gemeinsame Ziele nicht reagierten. Dennoch hat es Beilegungen von
Kontroversen gegeben ... Der Gedanke, dass rivalisierende und
einander unfreundlich gesinnte Mächte nicht zu einer Lösung ihrer
Probleme durch Verhandlungen gebracht werden können, heißt, die
eigentliche Aufgabe der Diplomatie verkennen.“




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