Tödlich verharmlost – wie Sprache Verkehrsgewalt unsichtbar macht.

Tödlich verharmlost – wie Sprache Verkehrsgewalt unsichtbar macht.

Oft liest man in der Zeitung: "LKW übersieht Radfahrerin." Als wäre es ein Schicksalsschlag. Sprachkompass ist ein interdisziplinärer Forschungsprojekt, das zeigt, wie Sprache unser Denken, Stadtplanung und letztlich unser (Nicht-)Handeln fördert.
1 Stunde 5 Minuten
Podcast
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On the way to new mobility: Katja Diehl spricht alle 14 Tage mit Gästen über Mobilität statt Verkehr, Diversität, New Work, Inklusion, kindergerechte Stadt und das Mobilisieren auf dem Land.

Beschreibung

vor 4 Monaten
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unserem hoffnungsfrohen Buch bieten wir konkrete und detaillierte
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gefällt, lass´ gern eine Bewertung da und/oder supporte mich per
Ko-Fi oder PayPal. Anfragen an hallo@mmw-voices.de. Jeden Tag
sterben acht Menschen im Straßenverkehr. Und doch liest man in der
Zeitung meistens: "LKW übersieht Radfahrerin." Als wäre es ein
Schicksalsschlag. Es ist so, als hätte niemand gehandelt. Es
scheint so, als würde sich niemand verantwortlich fühlen. In dieser
Folge von She Drives Mobility spreche ich mit einem ganz besonderen
Team hinter dem Projekt Sprachkompass. Das ist ein
interdisziplinärer Forschungsprojekts, das zeigt, wie Sprache unser
Denken, unsere Stadtplanung und letztlich unser (Nicht-)Handeln
beeinflusst. Wer spricht – und warum das wichtig ist: Felix
Schindler, ein Journalist aus der Schweiz, hat sich mal die
Routinen der Medien vorgenommen. "Ich habe selbst jahrelang solche
Kurzmeldungen redigiert – ohne zu hinterfragen, wie
entmenschlichend die Formulierungen sind. Erst als Vater habe ich
gespürt: Diese Sprache macht etwas mit unserer Wahrnehmung von
Sicherheit." „Wenn ein LKW plötzlich 'übersieht', wird
Verantwortung sprachlich ausradiert.“ „Solche Formulierungen wie
'wurde erfasst' klingen technisch, aber sie entlasten – und das
unbewusst." Andrea J. Dech, Sprachwissenschaftlerin aus Wien,
zeigt, wie Worte unser Weltbild prägen: "Wenn wir von "Unfällen"
oder "übersehenen Personen" sprechen, machen wir Täter zu Opfern
und die Opfer zu bloßen Randnotizen. Sprache reproduziert Gewalt,
oft ungewollt." „Sprache ist kein neutrales Werkzeug – sie ist ein
Verstärker von Machtverhältnissen.“ „Wer passiv formuliert, schützt
Strukturen – nicht Menschen.“ „Wenn Medien von
‚Verkehrsteilnehmenden‘ sprechen, verwischt das, wer gefährdet –
und wer gefährlich ist.“ Dirk Schneidemesser, Mobilitätsforscher
vom RIFS Potsdam, bringt es auf den Punkt: "Ein Auto kann niemanden
'erfassen'. Das machen Menschen. Aber wenn wir solche
Formulierungen ständig lesen, verschwinden Verantwortung und
Strukturprobleme aus dem Fokus." „Verkehr ist kein Naturereignis –
und Gewalt auf der Straße ist keine unvermeidbare Folge.“ „Der
Sprachkompass zeigt: Wer klar benennt, kann auch klar verändern.“
„Sprache entscheidet mit, ob wir ein Opfer betrauern – oder
Ursachen beseitigen.“ In dieser Folge lernst du Folgendes: Sprache
ist nie neutral. Sie beeinflusst, wie wir Schuld, Verantwortung und
Systemfehler einordnen. Oft stehen in Texten Opfer im Fokus,
während die Täter verschleiert werden. Das liegt daran, dass die
Polizei- und Medienlogik so funktioniert. Es werden vor allem
passive Formulierungen verwendet: "Radfahrerin geriet unter LKW",
"Kind wurde erfasst" – der Mensch hinter dem Lenkrad bleibt
unsichtbar. Die Zahlen sprechen für sich: In 69 % der Texte, die
untersucht wurden, wurden passive Formulierungen verwendet. In 95 %
der Fälle fehlt jede statistische Kontextualisierung. Die Sprache
ist fünfmal öfter entlastend für Autofahrer:innen als für
Fußgänger:innen oder Radfahrer:innen. Es geht nicht darum,
irgendjemandem die Schuld zu geben, sondern darum, die Dinge
richtig zu beschreiben – also die Ursachen, die Beteiligten und den
Kontext. Der Sprachkompass zeigt: Wenn sich die Sprache ändert,
kann sich auch das System ändern.
https://sprachkompass.ch/themen/verkehr/sprachunfall-unfallsprache
Warum du diese Folge hören solltest: Weil sie dir zeigt, wie Gewalt
systematisch unsichtbar gemacht wird – und wie wir durch bewusste
Sprache echte Veränderung anstoßen können. Denn: Was wir nicht
benennen, das können wir nicht bekämpfen.

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