Folge 108: Schwimmbäder für die Demokratie
29 Minuten
Podcast
Podcaster
Beschreibung
vor 8 Monaten
Schwimmbäder sind Orte, an denen wir uns nicht aussuchen können,
wem wir begegnen. Wer uns wild um sich spritzend auf der Bahn
überholt. Auf der Decke nebenan seine Pommes isst. Oder in der
Dusche gegenüber stundenlang seine Haare wäscht. Wir treffen auf
Menschen aller Art - Dicke, Dünne, Junge, Alte, Menschen mit
Beeinträchtigungen, mit auffälligen Tatoos, schreiend-bunten
Badeanzügen oder knappen Badehosen, Menschen mit syrischen,
deutschen, türkischen oder italienischen Wurzeln, kurz: auf ein
Abbild unserer Gesellschaft.
Und selten sind es die Immergleichen und oft haben sie auch nicht
die gleichen Vorstellungen wie wir davon, wie man sich in so
einem Schwimmbad verhält, sei es im Wasser, am Beckenrand oder
auf der Wiese. Und doch setzen sich Hunderttausende dieser
Erfahrung immer wieder aus, weil - es eben auch schön ist.
Bereichernd. Weil man immer wieder auch was lernen kann, wenn man
nur die Augen und Ohren weit genug aufmacht. Selbst
aufmerksamkeitsheischende und abwertende Berichterstattung über
Auseinandersetzungen in Schwimmbädern halten sie nicht davon ab.
Weil sie wissen: Das sind Einzelfälle - und nicht die alltägliche
Realität.
Der Soziologe Rainald Manthe ist deshalb davon überzeugt, dass
man Schwimmbäder nicht nur mühsam unterhalten, sondern regelrecht
fördern sollte. Nicht die Öffnungszeiten verknappen, wie dieses
Jahr mal wieder in Berlin, sondern lieber ausdehnen. Denn
„Demokratie fehlt Begegnung“, so schreibt er es in seinem Buch
und so erzählt er es auch hier im Podcast, „wir brauchen solche
Alltagsorte des sozialen Zusammenhalts“.
Warum also Schwimmbäder nicht zu einem Ort machen, an dem man
gleich auch noch anderes erledigen kann? Seinen Pass verlängern
beispielsweise. Oder sein e-Bike aufladen. Überhaupt sollten
Bäderbetriebe die Menschen, die zu ihnen kommen, auch darüber
hinaus noch mehr einbeziehen: Gemeinsam am Abend den Müll
einsammeln. Verantwortliche für Blumen- und Rasenpflege finden.
Gemeinsam mit dem Bademeister einen Sprungwettbewerb
veranstalten.
Womöglich sogar beteiligen, wenn ein Bad saniert werden muss.
Warum nicht die regelmäßigen Schwimmbadnutzer:innen mit
einbeziehen in die Planung? Spendensammeln für „ihr“ Bad? Ideen
abfragen, tatkräftige Hilfe annehmen. Der Staat, so Manthe,
müssse die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich Menschen an
solchen Orten mehr einbringen können. Und nicht gleich vor der
ganzen Bürokratie zurückschrecken, wenn sie beispielsweise für
ein von Schließung bedrohtes Bad eine Genossenschaft gründen
wollen. Denn die meisten Menschen wollen seiner Erfahrung nach
nicht einfach nur konsumieren - sondern sich beteiligen.
Demokratie eben.
Weitere Episoden
25 Minuten
vor 1 Woche
47 Minuten
vor 2 Wochen
33 Minuten
vor 3 Wochen
51 Minuten
vor 1 Monat
26 Minuten
vor 1 Monat
In Podcasts werben
Kommentare (0)