Der Tod des Papstes - eine fundamentalistische Feier der herrschenden Moral
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Beschreibung
vor 20 Jahren
In Sterben und Tod ist Johannes Paul II. Weltweit ein
massenhafter Respekt entgegengebracht worden, der weit über seine
katholische Gemeinde hinausreicht. Auch die Mächtigen der Welt
haben ihm ihre Referenz erwiesen. Und die Medien, die sonst für
sich als kritische Aufklärer werben, haben diese voll breite
Eintracht im Geiste nicht nur bemerkt und berichtet, sie haben
sie begeistert und bis an die Grenzen ihrer Kapazität propagiert.
Ist es wirklich so selbstverständlich, dass „wir“ es einfach
„brauchen“, dass eine „moralische Führungspersönlichkeit“
verkündet, wo es lang geht?
Für Katholiken natürlich schon. Sie wollen sich selbst und ihr
alltägliches Zurechtkommen unter den Anforderungen des Marktes
und Rechtsstaats als Objekte göttlicher Fügung und Führung sehen,
letztendlich jedenfalls, auf dass sie alles als ihr „geschenktes
Leben“ freudig „annehmen“ und lebenslänglich „demütig tragen“.
Weil sie das glauben. Und weil ihr Oberhaupt ihnen das immer
wieder verkündet (hat) und dabei „unfehlbar“ ist. Was auch
glaubt, wer glaubt.
Aber es waren ja nicht nur Christen zur größten „Wallfahrt im
Computerzeitalter“ gestimmt. Die Süddeutsche Zeitung schrieb: „Je
stärker sich der Alltag säkularisiert, desto wichtiger werden
religiöse Riten, wenn dieser Alltag wankt, wenn das Unerhörte
nach Formen der Bewältigung sucht.“ Wer so schreibt, befürchtet
kein Leserpublikum, das solchen Mystizismus mitten in der
„Wissensgesellschaft“ ablehnt. Sondern er füttert eine
Denkungsart, die nicht darüber stolpert, dass sie im Höheren
einen Sinn für einen „Alltag“ sucht, in dem sich gute Gründe fürs
Mittun offenbar nicht so leicht finden. Fragt sich, was das für
eine Geisteshaltung ist und warum sie so verbreitet ist?
So sehr die Verehrung dem Oberhaupt des „Reiches nicht von dieser
Welt“ galt, so jenseitig war die Feier dann doch nicht. Der
italienische Staat organisierte mit Militär und Polizei das Fest.
Die Medien machten mit ihren weltweiten Senderechten aus dem
katholischen Totenkult in Rom ein globales Event. Vor allem aber
bekam der „moralische Führer“ reichlich Besuch und Unterstützung
von den mächtigen Führern weltlicher Reiche. Diesen Herren und
Damen, denen Johannes Paul II. „die Leviten gelesen“ hat in ihrer
Position als Gebieter über „Kapitalismus“ und „Krieg“, scheint
das gar nicht so schlecht bekommen zu sein. Und irgendetwas
gefällt ihnen wohl an der zusammengetriebenen „Herde des Herrn“,
wenn sie zumindest einen Tag lang so tun, als seien sie auch nur
ein Schaf unter anderen.
Noch vor kurzem vermittelte der SPIEGEL zum Anti-Terror-Krieg des
Westens ein tieferes Verständnis für die gebildete Leserschaft.
Der Islam habe es einfach nicht zu der abendländischen
Errungenschaft der Trennung von Staat und Religion als
Privatsache gebracht und bedrohe die Menschheit mit seinem
fundamentalistischen Streben zum Gottesstaat: „Islam: Allahs
blutiges Land“. Jetzt begleitet dasselbe Organ die Pilgerreise
der westlichen Staatenlenker nach Rom mit folgender – ganz
unironischen - Laienpredigt auf den toten Papst: „Der Papst ist
die globalisierte moralische Instanz…Er rief auf, im
Menschenstaat den Gottesstaat zu errichten, das Salz der Erde zu
sein und das Licht der Welt.“ Es scheint schon sehr darauf
anzukommen, wem der religiöse Fundamentalismus zu Diensten ist.
Weitere Publikationen zum Thema von argudiss oder von anderen:
WELTANSCHAUUNG - DIE LOGIK EINES GEISTIGEN BEDÜRFNISSES in MSZ
2-85 beim GegenStandpunkt-Verlag
Kirche und Politik: Christentum durch die Politik mit der Politik
in der Politik in MSZ 7-84 beim GegenStandpunkt-Verlag
SCHWERE ZEITEN: DER ALLTAG IM VERHÄLTNIS VON KIRCHE UND POLITIK
in MSZ 7-84 beim GegenStandpunkt-Verlag
Vom christlichen Glauben in MSZ 7-84 beim GegenStandpunkt-Verlag
Der Papst in Mexiko: Der Global Prayer schwimmt gegen den
Zeitgeist in GegenStandpunkt 1-99
Leichte Enttäuschung nach dem großen Mea Culpa: Das Versäumnis
des Papstes in GegenStandpunkt 2-00
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