Beschreibung

vor 16 Jahren

Kritik scheint ein schwieriges Geschäft zu sein. Einerseits fehlt
es nicht an kritischen Stellungnahmen. Rundfunk und Fernsehen,
„Spiegel“ und „Bild", die freie Wissenschaft und die
konkurrierenden Parteien machen es sich und ihrem Publikum
geradezu zur Pflicht, kritisch zu sein. Man stört sich nicht
daran, dass eine solche Pflicht Kritik zu einer Haltung erklärt,
die immer und überall angebracht und berechtigt ist – als ob es
nicht ein wenig davon abhinge, was einer vor sich hat, wenn er
Einwände vorbringt. Kritik wird zu einer subjektiven Einstellung,
die man sich zulegt oder nicht, zu einer Art Voreingenommenheit
zurückgenommen, die sich gar nicht mehr aus der Kritikwürdigkeit
des Gegenstands begründet, auf den sich der kritische Geist
richtet.
Andererseits ist mit der Allgegenwart kritischer Einstellungen
die begründete Ablehnung einer Sache – jenes theoretische
Handwerk, das den Namen ‚Kritik‘ verdient – so gut wie
ausgestorben. An ihre Stelle tritt der Brauch, Gott und die Welt
mit Verbesserungsvorschlägen zu überschütten. Rechte, linke und
ganz normale Bürger üben sich in der Disziplin der konstruktiven
Kritik, ganz als ob es logisch und zwingend wäre, dass aus
Einwänden niemals die Ablehnung des Kritisierten, sondern stets
dessen Vervollkommnung zu folgen hat. An allem, woran kritisch
denkende Zeitgenossen Anstoß nehmen, wollen sie hilfreich
mitwirken – wirklich an allem!
Die Medien kritisieren das Ungeschick unserer Kriegsminister beim
Führen asymmetrischer Kriege, oder die Unfähigkeit der
Sozialpolitiker, die Lage der Armen zu verbessern, auch wenn die
das gar nicht versuchen. Professoren, Journalisten,
Gewerkschafter, Oppositionelle beteiligen sich in kritischer
Solidarität an den „Problemen“ des Staatshaushalts und der
Krisenbewältigung - um ausgerechnet beim Wetter, wo es nichts zu
kritisieren gibt, hemmungslos kritisch zu werden.
Im demokratischen Zeitalter kritisieren die Menschen immerzu.
Aber sie wissen nicht, wie es geht. Wir wollen darlegen, was sie
verkehrt machen, so dass ihre Kritik regelmäßig entgleist und
immer wieder bei der Bekräftigung des Kritisierten landet.


Teil 1. Kritik. allseits geübt, nicht verboten, sondern gar von
der demokratischen Obrigkeit gewünscht, führt weder zur
Beseitigung der Gründe der Kritik noch zu einem Zerwürfnis mit
dem Gemeinwesen, in dem einen Gründe zur Kritik andauernd
geliefert werden.
Kritik - was ist das und wie geht das? Von der Feststellung, dass
einem was nicht passt, zur Beurteilung, worum es bei der Sache
geht, die einem nicht passt.
Teil 2. Wie Kritik hierzulande geht: statt Kritik der Sache
Rechtfertigung des Kritikers
Teil 3 "Ich finde": die Anmeldung eigener Maßstäbe und deren
Anerkennung als bloß persönlichen Standpunkt
Teil 4 "Ich bin betroffen": das Einklagen des Rechts des Opfers
auf Gehör und die Zubilligung dieses Rechts als Klage eines
partikulären Interesses und parteilichen Standpunktes gegenüber
der jeweiligen Sache
Teil 5. "Ich als .... bin betroffen": die Verallgemeinerung der
Klage durch die Berufung auf die Rolle, die man im und für das
Gemeinwesen spielt.
Teil 6. "Das ist undemokratisch, unsozial, ungerecht, ...": der
Vorwurf an den Gegner, er verletze seine eigenen Prinzipien, und
damit das Hochhalten der Ordnung (in idealisierter Form), unter
der man leidet.
Teil 7. Diese Art der Kritik lebt vom Glauben, dass der eigene
Schaden doch unmöglich im Programm der Ordnung begründet sein
kann, vom Glauben an eine Interessensharmonie hierzulande.
Teil 8. Endpunkte einer solchen Kritik: einerseits weg von der
Abwendung des Schadens hin zur Verteidigung des Glaubens an die
Verträglichkeit der Ordnung, andererseits Ruf nach der
Staatsgewalt, damit sie für die Durchsetzung der Ordnung gegen
alle "Egoisten" sorgt.
Teil 9. Die Forderung nach "konstruktiver Kritik": Die
Verpflichtung von Kritik auf Verbesserungsvorschläge vor
jeglicher Befassung mit der Sache.
Teil 10. Zusammenfassung
Teil 11. Diskussion


Veranstalter: Sozialistische Gruppe


Weitere Publikationen zum Thema von argudiss oder von anderen:


Die gleichnamige Veranstaltung von Argudiss in Bremen


KRITIK - WIE GEHT DAS? in MSZ 3-89 beim GegenStandpunkt-Verlag


Kritik – wie geht das? in GegenStandpunkt 4-13


 

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