Die NATO bombardiert Libyen – Warum?

Die NATO bombardiert Libyen – Warum?

1 Stunde 39 Minuten

Beschreibung

vor 14 Jahren

Die offizielle Begründung lautet: der libysche Staatschef Gaddafi
massakriert sein Volk. Jedem ist sofort klar: Das darf der nicht.
Zivilisierte europäische Staatschefs können nicht zulassen, dass
ein nordafrikanischer Potentat Bomben wirft und Menschen tötet,
da müssen sie schleunigst hin und selbst Bomben werfen, natürlich
um Menschenleben zu retten. Die Leichen, die bei ihrer
Rettungsaktion selbstverständlich anfallen, zählen entweder zu
den Bösen, denen es recht geschieht, oder sie fallen unter
Kollateralschäden an Unschuldigen, die halt nicht zu vermeiden
sind, wenn Bomberflotten die Freiheit bringen.


Gegen einen Verrückten wie Gaddafi ist – um der Menschlichkeit
willen – eben alles erlaubt: Der hat nichts anderes im Sinn als
sein Volk auszulöschen – will er etwa, wenn alle tot sind, ganz
alleine in seiner Wüste auf dem Öl sitzen? So absurde
Zielsetzungen lasten die kriegführenden Nato-Staaten und ihre
Medien der libyschen Führung an, die einen bewaffneten Aufstand
bekämpft: Gaddafi will siegen und die von ihm geschaffene
öffentliche Ordnung wieder herstellen. Dieses Ziel sollte
Machtmenschen wie Sarkozy und Kollegen weder verrückt noch
verbrecherisch vorkommen: Sie selbst bestehen doch bei jeder
Regung von Unwillen im Volk darauf, dass der Staat sich den
Forderungen „der Straße“ nicht beugen darf. Und wenn sie in den
Banlieues um Paris die Aufstände randalierender Jungendlicher
niederschlagen oder in Deutschland Jahr für Jahr den fälligen
Castor-Transport durchkämpfen, dann produzieren sie nur deshalb
kaum je Tote, weil ihre Polizei so sehr viel besser auf
Aufstandsbekämpfung vorbereitet und dafür ausgerüstet ist als die
libysche Armee, und weil sie keine bewaffneten Kämpfer, sondern
doch bloß verwahrloste Jugendliche und demonstrierende Demokraten
in Schach zu halten haben.


Inzwischen sind, wie in jedem Krieg, die ursprünglichen
Rechtfertigungen ganz egal. Solange die aus der Luft bekämpften
libyschen Truppen nicht kapitulieren, beweisen alle Akte ihres
Widerstands gegen die Koalition der europäischen Eindringlinge
ihr Unrecht, und alle Leichen, die durch Kriegshandlungen
anfallen, beweisen die Unmenschlichkeit des Feindes. Die Sache
selbst ist kein Rätsel: Frankreich und Großbritannien betreiben –
wie sonst die USA – Regime-Change im nordafrikanischen Raum, den
sie als Zone ihrer Vormacht beanspruchen. Primitiver
Imperialismus eben.


Erklärungsbedürftig allerdings ist die Art und Weise, wie in der
heutigen Welt das Ringen um Einflusszonen und Vormacht aussieht.
Da geht man erst zur UNO und drängt wochenlang darauf, endlich
die Erlaubnis zum Schießen vom Sicherheitsrat konzidiert zu
bekommen. Sobald die entscheidende amerikanische US-Macht
umschwenkt und das Plazet gibt, schmiedet man mit ihr eine
Koalition der Willigen.


Im sofort darauf begonnenen Krieg leisten die USA mit ihrer
Überlegenheit den wichtigsten Teil des Zerstörungswerks: Sie
vernichten Luftabwehr und Luftwaffe des angegriffenen Staates und
überlassen den im Prinzip wehrlos gemachten Gegner den Briten und
Franzosen. Für ihre Dienste verlangen die hilfreichen Amerikaner
freilich, dass die europäischen Kriegstreiber ihr Projekt unter
das Dach der Nato stellen. Die aber will gar nicht. Deutschland
vor allem, Frankreichs engster weltpolitischer Partner und selbst
eine bedeutende Militärmacht im Bündnis, hält von der ganzen
Sache nichts und verweigert sogar die weltpolitische
Legitimierung des Krieges im Sicherheitsrat. Die Nato, die dann
doch will, ist aber nicht bereit, die Aufständischen zum Sieg zu
bomben, sondern will nur die Zivilbevölkerung vor Angriffen mit
schweren Waffen schützen – womöglich sogar gegen beide libyschen
Kriegsparteien. Mitte April macht der Krieg den Briten und
Franzosen dann tatsächlich einige Schwierigkeiten, die freilich
am wenigsten von Gaddafi und seiner Armee herrühren. Der Kampf
der großen Mächte untereinander ist im Krieg gegen Gaddafi die
Hauptsache.


Veranstalter: Sozialistische Gruppe


weitere Aufnahmen der Sozialistischen Gruppe


Weitere Publikationen zum Thema:


Krieg in Libyen Regime-Change durch die NATO – Streitfall für die
Weltaufsichtmächte im GegenStandpunkt 2-11.


Gaddafis Verzicht auf Massenvernichtungswaffen Noch ein „Dritter
Weg“ am Ende im GegenStandpunkt 1-04.


 

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