Die Bundeswehr und ihre Reform: Mehr militärische Schlagkraft – für entschiedeneres deutsches Mitmischen in der Gewaltkonkurrenz der Staaten
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Beschreibung
vor 14 Jahren
Vor Kurzem hat die Bundesregierung beschlossen, dass die deutsche
Armee einer Generalüberholung bedarf. In einer Grundsatzrede im
Bundestag gab der zuständige Minister zu Protokoll, welche großen
Aufgaben da aufs deutsche Militär zukommen:
„Eigentlich sollte es inzwischen eine Selbstverständlichkeit
sein, dass wir uns über unsere nationalen Interessen im Klaren
sind und sie offen vertreten... Unsere nationalen
Sicherheitsinteressen ergeben sich aus unserer Geschichte,
unserer geografischen Lage, den internationalen Verflechtungen
unseres Landes und unserer Ressourcenabhängigkeit als
Hochtechnologieland und rohstoffarme Exportnation. Auch
Bündnisinteressen sind meist zugleich unsere nationalen
Sicherheitsinteressen... Deutschland ist bereit, als Ausdruck
nationalen Selbstbehauptungswillens und staatlicher Souveränität
zur Wahrung seiner Sicherheit das gesamte Spektrum nationaler
Handlungsinstrumente im Rahmen des Völkerrechts einzusetzen. Das
beinhaltet auch den Einsatz von Streitkräften.“ (De Maiziere im
Bundestag 27. 5. 2011)
Ob deutsche Politiker sich vorwerfen lassen müssen, mit „unseren
nationalen Interessen“ bislang hinterm Berg gehalten zu haben,
mal dahin gestellt: Offenbar befindet der deutsche Minister fürs
Militärische es für nötig, Klartext zu reden in der Frage, wofür
die Nation modernste Kampfflieger, Panzer, intelligente Munition
und gut trainiertes Bedienungspersonal benötigt. Die bisherige
Masche der deutschen Politik, Soldaten und Kriegsgerät
vorzugsweise im Namen unterdrückter Frauen und geschundener
Völker auf den Weg zu bringen, befindet de Maiziere als
kontraproduktives Gewäsch. „Offen“ soll mal gesagt werden,
welchen wahren Gehalt der „nationale Selbstbehauptungswille“
Deutschlands hat: Nämlich den, sein Recht als maßgebliche
Weltmacht geltend zu machen, die von allen Händeln der
Staatenwelt in ihren elementaren Interessen betroffen ist. Von
denen auf dem eigenen Kontinent sowieso – da erteilt schon die
Geografie der Nation das unabweisbare Gebot, für alle Konflikte
gewappnet zu sein, die sich mit mehr oder weniger freundlichen
Nachbarn so ergeben. Im Prinzip aber soll das Militär dazu
dienen, deutschen Interessen weltweit Geltung zu verschaffen.
Dass ergibt sich, so der Minister, zwangsläufig daraus, dass
Deutschland mit allen anderen Staaten „verflochten“ ist – auch
mal eine interessante Auskunft über den Charakter der
zwischenstaatlichen Beziehungen, über die man sonst unter dem
Titel „Globalisierung“ eher zu hören bekommt, dass sie die Welt
friedlicher machen. Diese harmlose Sicht der Dinge will der
Minister an dieser Stelle hier einmal ausdrücklich dementieren –
eher im Gegenteil: Wo es um nationale Sicherheitsinteressen geht,
soll man die Sache genau umgekehrt sehen. Da „folgt“ aus
„Rohstoffarmut“ und „Hochtechnologie“ durchaus auch mal auch der
„Einsatz von Streitkräften“, sprich: Krieg, wenn störende
Konflikte sich in entsprechenden Regionen breit machen. Deshalb –
quod erat demonstrandum - braucht Deutschland ganz unabweisbar
das ganze „Spektrum“ der Einmischung-, Erpressungs- und
Gewaltmittel, mit denen souveräne Staaten „nun einmal“
untereinander verkehren, wenn ihre Interessen kollidieren.
Mit der Argumentationsfigur: „Wenn die deutsche Nation sich
behaupten will, dann muss sie auch bereit sein, in den Krieg zu
ziehen“, erhebt de Maiziere besagten „nationalen
Selbstbehauptungswillen“ in den Status eines unhintergehbaren
polit-moralischen Titels, hinter den zurückzufallen kein guter
Deutscher sich mehr leisten können soll, wenn er über die
höchsten Fragen von Krieg und Frieden rechtet. Bewiesen ist damit
zwar nichts; klar gestellt aber schon Einiges: Erstens, was die
Sprachregelungen betrifft, die noch bis vor Kurzem üblich waren,
um deutsche Militäreinsätze in fernen Ländern zu begründen. Noch
im Falle des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan sollte man sich
anfangs noch einleuchten lassen, dass „wir“ wegen Brunnen und
Mädchenschulen am Hindukusch unterwegs sind, im Unterschied und
Gegensatz zum Bündnispartner USA, der es mehr mit Bomben und
Drohnen hat. Auch da hätte einem natürlich schon auffallen
können, dass der Unterschied so groß nicht sein kann, wenn
Brunnen und Bomben den gleichen Effekt erzielen sollen... Noch
die Kundusaffäre gewann ihren Aufmerksamkeitswert nicht zuletzt
aus der Enthüllung, dass das deutsche Militär in Afghanistan auch
nicht groß anders unterwegs ist als die Amis – man denke! Mit
solchen Debatten, so de Maiziere, muss ab sofort Schluss
sein.
Ab sofort handelt es sich bei Brunnen wie Bomben um alternative
sicherheitspolitische „Handlungsinstrumente“ aus einem
„Spektrum“; der Gegensatz von „friedlich“ und „militärisch“ ist
höchstoffiziell für unerheblich erklärt, also abgeschafft. Übrig
bleiben „Optionen“, unter denen die Politik in Zukunft frei
wählen können will, ohne sich in propagandistische Scheingefechte
einlassen zu müssen. Dem ist – zweitens - so viel zu entnehmen:
Offenbar passen die alten Sprachregelungen nicht mehr zu dem, was
sich Deutschland in Fragen von Krieg und Frieden für die Zukunft
vornimmt. Wenn der Minister auf dem Felde der Kriegspropaganda
Handlungsfreiheit einklagt, dann wirbt er um öffentliche
Gefolgschaft in der Sache. Die betrifft die Frage, wie
Deutschland militärisch aufgestellt sein muss, um jenem
„nationalen Selbstbehauptungswillen“ Genüge zu tun, den de
Maiziere in aller Offenheit als den, letzten Grund für staatliche
Gewaltmittel ausspricht. Denn: Die europäische Großmacht
Deutschland mag ja jede Menge Gründe dafür kennen, dass gegenüber
irgendwelchen auswärtigen Machthabern immer mal wieder der
Übergang von friedlichem Handel und Wandel zur Erpressung und
Drohung mit dem Einsatz militärischer Zerstörungsgewalt fällig
wird. Was diese Gründe dann praktisch gelten – inwieweit sich die
deutsche Staatsmacht also, um in der Redeweise de Maizieres zu
bleiben, mit ihrem Ansinnen behauptet: Das hängt allerdings
praktisch davon ab, was Deutschland militärisch zu bieten hat –
nämlich vergleichsweise zu den anderen maßgeblichen
Militärmächten, die dasselbe für sich beanspruchen. Wenn
Deutschland sich mit mehr Erfolg als bislang in dieser
Gewaltkonkurrenz als Macht Gehör verschaffen will, dann braucht
die Nation größere militärische Schlagkraft: Das wollen die
regierenden Nationalisten aller Couleur aus den deutschen
Militäreinsätzen der letzten Jahre gelernt haben. Diese
Schlagkraft legt sich die Nation derzeit zu. Weil sie das tut,
soll sich auch der Geist entsprechend ändern, in dem hierzulande
deutsche Kriegseinsätze zur Kenntnis genommen werden. So
anspruchsvoll sind demokratische Herrscher! An den Interessen,
die eine moderne imperialistische Nation wie Deutschland weltweit
zu verteidigen hat, ist allerdings gar nichts neu. In der Frage,
ob Deutschland dafür Militär braucht, sollte man deshalb mit den
Regierenden keinen Streit anfangen. Es wird schon stimmen, wenn
sie sagen, dass die Durchsetzung von Demokratie und
Marktwirtschaft weltweit nur mit überlegener Gewalt zu haben ist.
Statt angesichts der offenen Worte des Ministers einer
friedlichen deutschen Außenpolitik hinterher zu trauern, die es
nie gegeben hat, sollte man deshalb lieber einen Schluss auf den
wenig bekömmlichen Inhalt dieser Produktions- und
Herrschaftsweise ziehen, für deren Durchsetzung de Maiziere ein
schlagkräftigeres Militär einfordert. 20 Jahre nach dem Fall der
Mauer hält es die deutsche Politik für endlich an der Zeit,
offensiver als bisher einzusteigen in die Konkurrenz ums
Weltordnen, die seit dem Ende des Kalten Krieges die Tagesordnung
der Weltpolitik bestimmt. Da entscheidet sich nämlich, was aus
den nationalen Interessen wird.
Teil 1 Einleitung
Teil 2 Deutsche Interessen
Teil 3 Die Weltlage
Teil 4 Die Reform
Teil 5 Diskussion
Weitere Publikationen zum Thema von argudiss oder von anderen:
Weltmarkt und Weltmacht Von der globalisierten Zivilgesellschaft
und ihrer antiterroristischen Kriegskultur
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