Die Euro-Krise im finalen Stadium: Ein Geld und viele konkurrierende Nationalstaaten, das geht nicht!
1 Stunde 52 Minuten
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Beschreibung
vor 13 Jahren
Eingeführt wurde der Euro als Fortschrittsmittel für alle
Mitgliedsländer, als Wachstumstreiber für ganz Europa und als der
entscheidende vorletzte Schritt der immer weiterreichenden
Integration der europäischen Völker. Die Bilanz, die die
Finanzkrise erzwingt, sieht anders aus: Nicht zuletzt die
Einheitswährung mit ihrer globalen Reputation hat eine
gigantische Überakkumulation privater und öffentlicher Schulden
befördert, die an den Finanzmärkten inzwischen keinen Kredit mehr
genießen, also entwertet sind. Und am Wachstum vor der Krise
hatten die Mitgliedsländer der Währungsunion keineswegs
gleichermaßen Anteil, vielmehr haben sich manche Länder –
Deutschland vor allem – in der durch keine Währungsgrenzen mehr
behinderten Konkurrenz auf dem Binnenmarkt an ihren Nachbarn und
den Schulden bereichert, die die Verlierer akkumuliert haben und
nun nicht mehr bedienen können. In der Krise, die den
Zusammenhalt ihres Währungsraums und den Wert des Euro gefährdet,
machen die betroffenen Nationen – Sieger, wie Verlierer der
Konkurrenz – deutlich, dass sie nach wie vor an diesem Standpunkt
festhalten: Sie wollen und brauchen das Europa-weite
Gemeinschaftsgeld als Mittel ihrer nationalen Bereicherung und
nationalen Selbstbehauptung und bestehen darauf, es in diesem
Sinn zu nutzen.
Das bringt sie gegeneinander auf: Unter dem großen Wort
„Solidarität“ und „Verantwortung für den Euro“ fordert jede Seite
von der anderen, sich ihren nationalen Anliegen zur Verfügung zu
stellen, und erklärt den Nationalismus der Partner für
unverträglich mit dem gemeinsamen Geld. Die Südschiene, die ihren
Kredit an den Finanzmärkten verloren hat, fordert vom Norden,
besonders von Deutschland, der EZB zu erlauben, unbegrenzt ihre,
von den Märkten verschmähten Staatsschuldpapiere aufzukaufen, und
so eindeutige Bekenntnisse abzulegen, dass der Euro irreversibel
und Versuche, die Kreditwürdigkeit der Mitgliedsländer der
Währungsunion gegeneinander auszuspielen, zum Scheitern
verurteilt sind. Schließlich übt die EZB die Geldhoheit über den
Euroraum aus, sie kann Geld schöpfen und Mitgliedsländer in Nöten
zahlungsfähig halten. Das gestatten ihr Deutschland und seine
Partner aber nicht – jedenfalls nicht im definitiv Sicherheit
stiftenden Maß, denn sie bestehen darauf, dass das Geld, das sie
besitzen, ein gutes, wertstabiles, weltweit gesuchtes Geld zu
bleiben hat und nicht in Inflationsgefahr gebracht werden darf.
Sie verlangen von den Mitgliedsländern, die „über ihre
Verhältnisse gelebt haben“, gefälligst zu sparen und ihre
Staatshaushalte in Ordnung zu bringen. Sie haben den Aufschwung
ihrer Wirtschaft, ihr staatliches Funktionieren und das
Lebensniveau ihrer Völker den Anforderungen des europäischen
Geldes zu opfern und aufzuhören, eine Belastung für es zu sein.
Die Verlierer der europäischen Konkurrenz verlangen von den
Siegern, auf den Nutzen ihres Erfolgs zu verzichten, die Sieger
muten den Verlierern die direkte Schädigung und ihren Ruin als
Nation zu.
So halten beide Seiten an der gemeinsamen Währung und ihrer Union
fest – gerade deshalb wird ihnen das Nationalinteresse ihrer
Partner umso unerträglicher. Nie am eigenen, um so klarer dafür
am Nationalismus der andern erkennen sie, dass sich das
Gemeinschaftsgeld mit der Standortkonkurrenz, ja überhaupt mit
der 17-fachen Souveränität der Nationalstaaten nicht verträgt,
die in ihm wirtschaften. Diese Erkenntnis führt sie aber nicht
zur Aufgabe ihres nationalen Konkurrenzstandpunkts und ihrer
Souveränität, sondern zu sehr ernst gemeinten Anstrengungen, die
anderen Souveräne ihrer Kontrolle und dem von ihnen definierten
Europa zu unterwerfen.
So enthält auch die neue Runde der Finanzkrise interessante
Aufschlüsse:
- Über das Geld, das die Staaten mit ihrer Hoheit schöpfen. Wenn
sein Wert gefährdet ist, sobald Schulden, die in ihm gemacht
wurden, nicht mehr bedient werden, dann ist es offenbar überhaupt
nur so viel wert, wie diese Schulden für Zinszuwächse, d.h. für
kapitalistische Geldvermehrung garantieren: Das moderne Geld
kommt für die Benutzung der Gesellschaft für den Profit auf die
Welt – und ist gerade so gut, wie dieser Daseinszweck gelingt.
Die Kaufkraft noch des letzten Lohnabhängigen hängt davon ab,
dass sich für die Kapitalisten seine Ausbeutung lohnt.
- Über die verwegene Kreation einer Währungsunion konkurrierender
Nationalstaaten. Sie trennt, was bei nationalen Währungen in
Einheit ist: Ihre Geldhoheit haben die Mitglieder aufgegeben, um
durch ihre Teilhabe an einem besseren, kreditwürdigen Geld ihr
nationales Kapitalwachstum zu beschleunigen. Die Schulden, die
sie für die Aufrüstung ihres Standorts machen, bleiben dabei
nationale Angelegenheiten und gehen die Partner und das
gemeinsame Geld nichts an. Die Krise entlarvt, dass
Staatsschulden und der Wert des Geldes gar nicht zu trennen sind.
Das heißt aber nicht, dass die EU-Partner in Sachen Schulden wie
Geld nun gemeinsame Sache machen. Sie kämpfen darum, den Euro zu
erhalten und ihre Konkurrenz gegeneinander auch.
- Über das europäische Friedenswerk. Es ist keine Überwindung des
nationalen Egoismus, sondern EU-intern wie gegenüber dem Rest der
Welt ein Instrument seiner imperialistischen Betätigung. In der
Dauerkrise, in der ökonomischer Fortschritt und Wohlstand für die
Mitgliedsländer nicht mehr versprochen wird – beides wird für die
Rettung des Euro ja geopfert
– , wird als letztes überzeugendes Argument für die ungeliebte
europäische Integration jetzt oft angeführt, dass jeder EU-Staat
für sich, auch der größte, einfach viel zu klein ist, um
nationale Interessen in einer Welt durchsetzen zu können, in der
nur noch die USA und China das Sagen haben.
Veranstalter: Sozialistische Gruppe
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