"Fair Trade" - Der kapitalistische Weltmarkt als Herausforderung an die Moral der Konsumenten

"Fair Trade" - Der kapitalistische Weltmarkt als Herausforderung an die Moral der Konsumenten

1 Stunde 32 Minuten

Beschreibung

vor 12 Jahren

Regelmäßig wird der Konsument darüber informiert, welche
Schweinereien in seinen Konsumprodukten stecken: afrikanische
Kindersklaven in der Schokolade; total verarmte Bergleute aus
Bolivien oder dem Kongo in Handys und Festplatten; mies bezahlte,
überarbeitete, schließlich bei Brandkatastrophen sterbende
Näherinnen aus Pakistan oder Bangladesh in den Klamotten; zum
Selbstmord getriebene chinesische Arbeiter in iPhones und iPads;
...


Weiter wird mitgeteilt, dass von fehlenden
Arbeitsschutzbestimmungen, von nicht endenden Arbeitstagen und
Dumping-Löhnen vor allem im Westen beheimatete multinationale
Konzerne profitieren, die mit diesen Methoden ihre Kosten senken
und ihre Gewinne machen. So sieht also unsere freie
Marktwirtschaft in den Entwicklungs- und Schwellenländern aus:
Sie geht buchstäblich über Leichen.


Was sagt uns das? Beweisen Kinderarbeit, Arbeitssklaven,
Hungerlöhne und regelmäßige Arbeitsunfälle nun, wie viel
schlechter der Kapitalismus im Süden doch ist, oder beweisen die
abstoßenden Zustände, dass dort dieselbe Rechnungsweise herrscht
und die Menschen dieselbe Rolle als Kostenfaktor des
Kapitalreichtums spielen wie im Norden – nur eben auf Basis
geringerer Produktivität und Konkurrenzfähigkeit?


Und was soll praktisch aus solchen Berichten und der fälligen
Empörung folgen? Soll man zum Feind dieser Wirtschaftsweise
werden oder zu ihrem Gewissenswurm? Soll man von unseren global
agierenden Multis Besserung verlangen, etwa dass sie ihre
Profitmacherei im Süden so wunderbar menschenwürdig gestalten wie
im Norden?


Dass moralische Appelle nichts nützen, weiß jeder; aber auch
damit ist noch lange nicht der Stab gebrochen über die
kapitalistische Wirtschaft und ihre Träger: Freiwillig, so viel
ist klar, ändern die Kapitalisten gar nichts, man muss sie
zwingen. Aber gewissenhafte Konsumenten – so die rettende Idee
können sie ja auch zum Besseren zwingen: Die Käufer übernehmen
Verantwortung an Stelle der wirtschaftlich Verantwortlichen und
verbessern die Welt, indem sie die Macht des kleinen Geldes
benutzen, um die Manager des großen Geldes zu erziehen: Beim
Einkauf lassen sie Waren, die mit üblen Ausbeutungspraktiken
hergestellt werden, links liegen und verhelfen den ethisch
saubere Profitmachern zu ihren Profiten.


So viel Einbildung über die eigene Macht, die Welt mit
gewissenhafter Auswahl aus dem bunten Warenangebot und ein paar
Euro höheren Preisen für moralisch einwandfreie Turnschuhe,
Handys et. korrigieren zu können, so viel billiger guter Wille
lässt sich auch nicht davon irritieren, dass die global
produzierenden Multis inzwischen auch diese Produktqualität als
Mittel ihrer Konkurrenz entdeckt haben und den Käufer mit „social
responsibility-Zertifikaten“ umgarnen. Das hält man offenbar
nicht für einen Hohn auf das ursprüngliche kritische Anliegen,
sondern für seinen Erfolg. Über Identität und Unterschied des
Kapitalismus in seinen Zentren und in seiner Peripherie; über
Macht und Ohnmacht des Konsumenten, über kritische Verantwortung
für den Globus und brave Mitmacherei daheim – gibt es einiges zu
erläutern.


Veranstalter: Sozialistische Gruppe


Weitere Vorträge mit Diskussion der sozialistischen Gruppe sind
hier.

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