Wählen ist verkehrt! Das Wahlkreuz – ein Blankoscheck für die Macht

Wählen ist verkehrt! Das Wahlkreuz – ein Blankoscheck für die Macht

2 Stunden 17 Minuten

Beschreibung

vor 12 Jahren

Am 22. September ist es wieder so weit. Dann dürfen die Bürger an
die Urnen gehen und dort frei, gleich und geheim ihre Stimme
abgeben. An dieser periodischen Veranstaltung soll sich
entscheiden, ob ein Volk in Freiheit oder Knechtschaft lebt. Viel
mehr als an seinen materiellen Verhältnissen soll es an seinem
Wahlrecht hängen, ob es einem Volk „gut" oder „schlecht" geht ...
Das Loblied auf das hohe demokratische Gut und seine Bedeutung
für die Freiheit des Bürgers steht allerdings in auffälligem
Kontrast zu der Geringschätzung, die die Wahl von den
wahlberechtigten Bürgern selber erfährt. Sie scheinen nicht
gerade gebieterisch danach zu verlangen, endlich wieder einmal
ihre Rolle als „Souverän" spielen zu dürfen. Umfragen ergeben,
dass die Mehrheit der Wähler es gut einfach weiter mit Merkel und
Schäuble aushalten würden, auch wenn sie mit der herrschenden
Politik, der Bedienung ihrer Interessen und dem Zustand des
Gemeinwesens wenig zufrieden sind. Aufgeklärte Wähler beklagen
die Langweiligkeit des Wahlkampfs. Und die meisten tun sich
zugegebenermaßen schwer, irgendwelche bedeutenden Differenzen
zwischen den Parteien und ihren Kandidaten auszumachen. In ihrer
Mehrzahl betrachten sie die freie Wahl überhaupt als einen
Schwindel, den sie längst durchschaut haben: Dass „die da oben
doch machen, was sie wollen", weiß noch jeder mündige Bürger
herzusagen. Dabei taugt diese abwinkerische Haltung gegenüber den
Machern der Politik, die immerhin über die Lebensumstände im Land
bestimmen, offenbar gleichermaßen dazu, der einen oder der
anderen Mannschaft dann doch „seine Stimme" zu geben, oder auch
einfach nicht zur Wahl zu gehen: „Regiert wird man ja sowieso!"
Wähler bilden sich offensichtlich erst gar nicht ein, mit ihrer
Stimmabgabe ernstlich Einfluss auf die Politik nehmen und für
mehr Berücksichtigung ihrer Interessen sorgen zu können. Wozu
also der ganze Aufwand, wenn der „Volkssouverän", der Wähler, gar
nicht davon ausgeht und sich dafür begeistern kann, dass er mit
seiner Stimme irgendetwas Entscheidendes für sich bewirkt? Für
die Veranstalter der Wahl ist das jedenfalls kein Grund, die
ganze Veranstaltung zu lassen. Die hohen Repräsentanten der
Politik sind da schon anspruchsvoller. Bundespräsident Gauck und
Bundestagsvizepräsident Thierse machen sich z.B. öffentlich
Sorgen um die wachsende „Indifferenz" und den „Verdruss" der
Wähler. Von den Gründen der Unzufriedenheit wollen sie allerdings
nichts wissen, und davon, dass sich Politik denen zu widmen und
sie abzustellen hätte, ist schon gleich nicht die Rede. Gauck und
Thierse stellen vielmehr klar, dass es für sie -- Unzufriedenheit
hin oder her -- einfach keinen Grund geben darf, nicht wählen zu
gehen. Im Gegenteil: Der Bundespräsident rät seinen Bürgern: „Wer
nicht weiß, wer der Beste ist, wählt eben einfach das weniger
Schlechte". Mit dem ewigen Kalauer vom „kleineren Übel" bekennt
er sich zwar dazu, dass die Politiker und Parteien, die die
Wähler ins Amt heben, beim Bürger wenig Zufriedenheit stiften.
Aber dass die Regierenden „über die Köpfe" ihrer Wähler hinweg
und durchaus gegen deren Interessen und Erwartungen regieren,
soll gar nichts ausmachen und keinesfalls vom Wählen abhalten.
Das Volk soll gefälligst seine Stimme abgeben, wenn seine
Politiker ihm schon mal zur Entscheidung vorlegen, von wem es die
nächsten Jahre regiert wird. Nach der Wahl kann es dann ja wieder
meckern -- um beim nächsten Mal wieder 'die da oben' zu wählen
... So funktioniert „lebendige" Demokratie, für die Bürger -- und
für die Politiker, die frei über all die Lebensbedingungen
entscheiden, mit denen das Volk zurechtkommen muss!


Der Vortrag bei der Sozialistischen Gruppe ist hier.


Veranstalter: Sozialistische Gruppe

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15