Das Menschenrecht (II): Rechtfertigung globaler Vormachtansprüche und Leitfaden falscher Kritik
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vor 11 Jahren
Das Menschenrecht ist ein hohes, teures Gut, heißt es. In seinem
Namen werden sogar Kriege geführt. Dem Vernehmen nach sollen im
Prinzip alle vom Westen in den letzten zehn bis zwanzig Jahren
geführten Kriege dazu gedient haben, anderen Völkern das
Menschenrecht herbeizubomben. Sofern die das überlebt haben,
hatten sie es dann - das Menschenrecht. Umgekehrt bei Staaten,
die nicht zum westlichen Club der Menschenrechtsmächte gehören.
Wenn die nach innen oder außen zu militärischer Gewalt greifen,
kann der an höchsten Gütern geschulte hiesige Beobachter
keinerlei Dienst am Menschenrecht entdecken. Warum eigentlich
nicht? Wozu taugt das Menschenrecht, das der Westen gepachtet
hat?
Wenn westliche Außenpolitiker ihren Amtskollegen aus der
restlichen Welt mit dem Menschenrecht kommen, dann befehlen sie
nicht immer sofort den Waffengang. Sie verfügen über ein Arsenal
an Instrumenten unterhalb der Schwelle zum Krieg. Das reicht von
der Ermahnung, es im polizeilichen Umgang mit inneren
Protestbewegungen nicht zu übertreiben, über weltöffentliche
Anklagen, die auf eine Ächtung von 'Unterdrückerstaaten' zielen,
bis hin zu praktischen Maßnahmen wie Sanktionen mit Embargos oder
dem Zugriff auf westliche Konten der an den Pranger gestellten
Staaten. Augenscheinlich hängen Art und Heftigkeit der Maßnahmen,
mit denen der Westen solche Staaten überzieht, gar nicht von den
gegeißelten Menschenrechtsverstößen ab. Zwar geht es dem
Vernehmen nach immer um sie. Und doch reichen die Konsequenzen
von der diplomatischen Verstimmung bis hin zum Krieg. Wieso dies?
Wovon dann macht der Westen die Wahl seiner Eingriffsmittel
abhängig?
Menschenrechtliche Anklagen aus dem Westen gehen immer an die
Adresse von Staaten, die von der Öffentlichkeit als
'Gewaltherrschaften' einsortiert sind. An denen wollen sie
entdeckt haben, dass sie gegen ihr Volk regieren und nicht etwa,
wie sich das nach dieser Meinung wohl gehört, für es; dass sie
ihre Bürger unterdrücken, um an der Macht zu bleiben. Und diese
dann auch nur wieder dazu benutzen, sich gegenüber dem Volk zu
behaupten. Und für sonst nichts? Macht brauchen sie allein, um
ihre Macht zu erhalten?
Exakt anders herum wird die Politik betrachtet, die von den
Menschenrechtshochburgen des Freien Westens ausgeht. Die soll
sich – je gewalttätiger desto mehr – dem uneigennützigen Dienst
an einer Weltordnung verdanken, die für menschenrechtlich
einwandfreie Herrschaften überall auf der Welt sorgt. Das nennt
sich 'Verantwortung' und braucht nach offizieller Auskunft 'nun
einmal' jede Menge Gewalt, um sie gegen die Bösewichter dieser
Welt wahrzunehmen. Denn 'Schurken' sind bekanntlich die, die nur
die 'Sprache der Gewalt' verstehen. Da trifft es sich prima, dass
die wenigen Guten in der Welt der Staaten auch die Starken sind.
Oder ist die Reihenfolge vielleicht umgekehrt? Sind die Starken
vielleicht deswegen die Guten, weil sie darüber befinden können,
wer die bösen Staaten sind?
Kritik an der weltweiten Menschenrechtspolitik des Westens gibt
es natürlich auch. Schließlich herrscht bei uns das Menschenrecht
auf Meinungsfreiheit. Manche Kritiker bezichtigen die
Menschenrechtspolitik sogar der puren Rhetorik und Heuchelei. So
beklagen sie z.B., dass Kriege im Namen des Menschenrechts
geführt werden, deren wirkliche Zwecke viel profaner seien.
Manchmal beschweren sich dieselben Kritiker auch darüber, dass
Kriege unterlassen werden, obwohl sie menschenrechtlich doch
eigentlich legitim wären. Und manchmal entdecken sie sogar in
ihren eigenen Staaten Fälle von Menschenrechtsverletzungen. Aber
in keiner der Varianten, so die Politik ihres Staates zu
kritisieren, lassen solche Kritiker davon ab, ihn an den
moralischen Maßstäben zu messen, die er als die gültigen ausgibt.
Selbstredend gehen sie davon aus, dass ihre Herrschaft solche
Maßstäbe nur in die Welt setzt, um sich selbst an sie zu halten.
Und so kommen sie dann, wenn die Moral der Politik mit dieser so
gar nicht in Einklang zu bringen ist, auch gar nicht erst auf die
Idee, dieser Differenz einmal systematisch nachzugehen. Sie gehen
von dem durch nichts zu erschütternden Vorurteil aus, dass ihre
Herrschaft - zumindest eigentlich - gut ist, und dass andere
Staaten diesen Bonus erst einmal nicht haben, sondern sich ihn
erst verdienen müssen; was gegebenenfalls ein bisschen oder ein
bisschen mehr 'Umerziehung' nötig macht. In ihrem
unerschütterlichen Glauben, dass die Welt "a wundervoll place"
wäre, wenn sich nur die richtigen Obrigkeiten - also ihre
Herrschaften - gegen die falschen durchsetzen würden, erinnern
sie ihren Staat immer wieder daran, dass er zu den Guten gehört.
Das soll es mit der Kritik gewesen sein?
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