Bürgerkrieg–Chemiewaffentote–Abrüstungsdiplomatie: Syrien – ein Fall für den Kampf der USA um ihre Führerschaft in der Welt

Bürgerkrieg–Chemiewaffentote–Abrüstungsdiplomatie: Syrien – ein Fall für den Kampf der USA um ihre Führerschaft in der Welt

2 Stunden 24 Minuten

Beschreibung

vor 11 Jahren

„Verstörend“, „entsetzlich“, „ungeheuerlich“ findet die
Weltöffentlichkeit im August 2013, dass im syrischen Bürgerkrieg
bei einem größeren Massaker über tausend Menschen auf einen
Schlag durch den Einsatz von Chemiewaffen sterben. Gelebte
Mitmenschlichkeit besteht für diese Öffentlichkeit in der
Forderung, dass der ausgemachte Übeltäter Assad „nun endlich“ und
vor allem „angemessen“ bestraft werde; wobei „angemessen“ hier
ausschließlich ein wuchtiger Militärschlag sein kann, von dem
sich der syrische Machthaber so schnell nicht erholt, den er am
besten nicht überlebt. Offenbar ist es in der zivilisierten
westlichen Welt durchgesetzte Auffassung, dass Bürger kriegsopfer
genau eines, das aber zweifels frei verdienen: überlegene
Kriegsgewalt, die sie zwar nicht wieder lebendig macht, aber das
an ihnen begangene Unrecht sühnt; das ist auf jeden Fall die
zahlreichen neuen Opfer wert, mit denen für den Fall der
geforderten Strafvollstreckung alle fest rechnen.


Die Vertreter dieser militanten Moral wissen auch, an welche
Instanz sie sich mit ihren Verurteilungen und ihren ideellen
Strafbefehlen wenden müssen: die überlegene Militärmacht USA ist
der selbstverständliche Adressat aller moralischen Aufwallung.
Und die Weltmacht präsentiert sich ja auch selbst als der
berufene Auftragnehmer aller gerechten Anliegen in Sachen
internationaler Gewaltausübung. Dazu passt es, dass ihr Präsident
Amerika zum eigentlichen Opfer des Giftgasangriffs erklärt: Der
Einsatz chemischer Waffen in Syrien sei nicht hinzu nehmen, weil
damit eine „rote Linie“ über schritten sei, welche die USA
weltöffentlich gezogen haben. Das kommt in der Öffentlichkeit gut
an und rührt nur noch die Frage auf, ob die amerikanische Politik
diesem Anspruch auch gerecht wird, also „Glaubwürdigkeit“ durch
entschiedenes Zuschlagen demonstriert. Offenbar ist dem
abendländischen Humanismus also auch die Gleichsetzung zwischen
der unantastbaren Menschenwürde syrischer Vorstadtbewohner und
der Unantastbarkeit amerikanischwestlicher Schiedshoheit über
jedes größere Gemetzel auf der Welt geläufig.


Aus gegebenem Anlass erklärt der Commander in Chief der weltweit
größten Arsenale von Massenvernichtungswaffen derenchemische
Variante in syrischer Hand zur aktuell schlimmsten Geißel der
Menschheit und ihren ungestraften Einsatz in der Nähe von
Damaskus zum Anfang vom Ende derzivilisierten Welt, wie „wir“ sie
kennen und wollen – wenn „wir“ nicht reagieren. Denn damit sehe
sich jeder Schurke zu ihrem Erwerb und Einsatz ermuntert, was
Obama zu dem Schreckensbild ausmalt, dass „unsere Soldaten“ auf
ihren diversen Schlachtfeldern demnächst wieder mit Giftgas
angegriffen werden. Auch dies trifft in der Öffentlichkeit auf
ein wohlwollendes Echo. Offenbar ist den verantwortlich denkenden
Mitgliedern der westlichen Wertegemeinschaft auch das völlig
vertraut: Die Welt ist – Warum eigentlich? Egal! – voller Feinde
des Westens undseiner Führungsmacht. Und die Brutalität der
Waffen dieser Schurken bemisst sich daran, wie sehr sie damit dem
Anspruch Amerikas auf den ungestörten weltweiten Einsatz seiner
Truppen und Verbündeten verletzen oder verletzen könnten. Womit
feststeht, dass der größtmögliche Gefallen für die Menschheit in
der gründlichst möglichen Beseitigung aller Waffen besteht, die
den Feinden des Wes tens irgendeine Art Schutz vor den
überlegenen westlichen Gewaltmitteln bieten könnten.


Der Militärschlag bleibt einstweilen aus. Stattdessen entfaltet
Amerika auf der Grundlage seiner aufrechterhaltenen Androhung
militärischer Gewalt neben dem Bürgerkrieg, den es weiterlaufen
lässt, eine Diplomatie mit Russland zur Beseitigung der syrischen
Chemiewaffen. Das gibt der überraschten bis enttäuschten
Öffentlichkeit zu denken: Hat der amerikanische Präsident in
seiner Kriegsmüdigkeit womöglich den Russen einen billigen
diplomatischen Triumph verschafft, weil er sich es ersparen
wollte, seinen starken Worten auch Taten folgen zu lassen? Hat er
die Russen wirklich ins Boot geholt oder sich nur selber über den
Tisch ziehen lassen? Offenbar besteht aufgeklärter westlicher
Humanismus heutzutage auch in der Gewissheit, dass die
vielgepriesene zivilisatorische Errungenschaft namens Diplomatie
in so einer Angelegenheit ausschließlich die Fortsetzung des
Krieges mit anderen Mitteln zu sein hat oder andernfalls sofort
einem Eingeständnis mangelnder Führungsstärke gleichkommt. Bei so
viel Parteilichkeit für überlegene westliche Weltaufsicht bleibt
von deren Gehalt und Zweck ebenso wenig übrig wie vom Stellenwert
ihrer militärischen und diplomatischen Mittel und Formen. Darum
soll es auf der Veranstaltung gehen: Welchen Anspruch sieht Obama
mit dem Chemiewaffen einsatz in Syrien verletzt? Was bezweckt und
welchen höheren machtpolitischen Zwecken dient seine
Waffenkontrolldiplomatie, die als „Zurückhaltung“ von den einen
gelobt und von den anderen getadelt wird? Welche Bedeutung hat
die Einigung mit Russland, Sy rien zur Vernichtung seines
chemischen Waffenarsenals zu nötigen, eine Diplomatie, die alle
anderen Mächte zu Zuschauern in der zweiten Reihe degradiert?
Kurz: Es soll um Syrien als ein Fall für den Kampf der USA um
ihre Führerschaft in Sachen Weltaufsicht gehen.


Veranstalter: Arbeitskreis Gegenargumente 

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