PEGIDA – Böse und gute Patrioten im Clinch
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Beschreibung
vor 10 Jahren
Im vorweihnachtlichen Deutschland und ab da regelmäßig lassen
sich null Komma nichts Zehntausende „Patriotische Europäer gegen
die Islamisierung des Abendlandes“ mobilisieren. Im eher
atheistischen Dresden und anderswo bekennen sie sich mit dem
massenhaften Absingen von Weihnachtsliedern zur christlichen
Leitkultur und wehren die Ausbreitung der falschen Religion oder
gleich die Machtübernahme durch Imame und Scharia-Gerichte ab.
Was geht diesen Leuten eigentlich verloren, wenn Ausländer wie
sie auch ihre Arbeit tun, wohnen, leben und dabei nicht an den
christlichen Gott glauben, sondern zu Allah beten?
Die politischen Parteiensind aufgescheucht: Da meldet sich ein
Massenbedürfnis, das sich im Spektrum der politischen Angebote
nicht untergebracht und durch Wahlen nicht bedient findet, also
das den Verwaltern des Volkswillens aus dem Ruder zu laufen
droht. Über den Streit der Politprofis, ob sie die Demonstranten
in die rechte Ecke stellen und aus dem Kreis respektabler
Meinungen ausgrenzen, oder sie als Fälle „irrationaler Phobien“
(Xenophobie, Islamophobie etc.) abtun sollen, arbeiten sie sich
zur dritten Option vor: Um „die Menschen“ wieder einzufangen und
sie von ihren zwielichtigen Anführern zu trennen, wollen
Politiker die „Sorgen der Demonstranten ernst nehmen“. Eine
Schwierigkeit, die Angst vor Islamisierung und entsprechende
„Wehret den Anfängen!“-Rufe ernst zu nehmen, kennen sie nicht.
Politiker und Medien wälzen zwar die Rätselfrage: „Was wollen die
Pegida-Anhänger wirklich?“ Im Grunde aber wissen sie immer schon
die Antwort: Schnurstracks übersetzen sich die politischen
Volksbetreuer die demonstrierte Islamophobie in „soziale
Bedrohungsängste von Modernisierungsverlierern“,
„Globalisierungsgegnern“ und „Euroskeptikern“. Ihrem fachkundigen
Urteil zufolge leiden solche Leute an der „Unübersichtlichkeit“
der Weltlage, am Verlust konservativer Werte, ja der Heimat. Der
verrückte Übergang von Unzufriedenheit aller Art zur Diagnose der
Überfremdung, zum Gefühl, dass das Volk daheim nicht mehr daheim
ist und seine nationale Identität nichts mehr gilt, sowie zum
Bedürfnis nach nationaler Selbstbehauptung ist den Politikern
ebenso geläufig wie den Pegida-Demonstranten. Irgendwie verstehen
sie ihre Wähler und sehen sich gefordert, ausgerechnet dieses
ehrenwerte Bedürfnis ihrer Kundschaft ernst zu nehmen – z.B.
durch eine Debatte, ob ihre Asylpolitik ausreichend dafür sorgt,
den ‚Flüchtlingsstrom‘ nach Deutschland einzudämmen und
unerwünschte Asylsuchende möglichst umgehend loszuwerden und von
vornherein abzuschrecken, und ob ihre Einwanderungspolitik auch
garantiert nur Ausländer ins Land holt, die sich durch nützliche
Dienste für Deutschland ein Bleiberecht verdienen.
Die Gegendemonstrantenmit ihren Lichterketten und
gemeinschaftlichem Lärmen halten die fremdenfeindliche Bewegung
aus der Mitte der Gesellschaft für eine Schande. Sie haben eine
andere Vorstellung von dem Gemeinwesen, dem sie angehören, und
machen sich mit ihrem Fremdschämen zu Repräsentanten eines
besseren, weltoffenen und humanen Deutschlands, eines
menschenfreundlichen Dresden, Leipzig, München und auch Nürnberg,
das Zuwanderer und Hilfsbedürftige nicht ausgrenzt. Dem
„christlichen Abendland“ setzen sie demonstrativ den Ruf nach
wahrhaft christlicher oder sonstwie weltoffener Mitmenschlichkeit
und Solidarität entgegen, möchten diese Werte für Deutschland und
seine Bürger verbindlich machen und ‚ihr Nürnberg‘ als Hort eines
solchen besseren Patriotismus hochhalten – im Verein mit Politik-
und Parteivertretern, die wählerwirksam die gute Gesinnung
demonstrieren, die ihre praktisch betriebene Asyl- und
Ausländerpolitik jeder Kritik entziehen soll.
Drei Fragen wirft diese immer wieder aufflammende nationale
Erregung auf:
Wie kommen deutsche Bürger, die mit einigem zurechtkommen und
manches Unerfreuliche schlucken müssen, also unzufrieden mit
ihren Lebensumständen sind, auf die Diagnose, all ihre Miseren
würden daran liegen, dass sich zu viele Fremde in Deutschland
tummelten, dass das gute deutsche arbeitsame Volk daheim nicht
mehr daheim sei und seine nationale Identität nichts mehr gelte?
Wieso kommen sie eigentlich darauf, die Politik ließe es –
ausgerechnet in Sachen Asyl- und Ausländerfragen und überhaupt –
an entschiedenem Durchgreifen fehlen? Wieso vermissen sie
ausgerechnet einen starken Staat und werden ausgerechnet darüber
rebellisch gegen die Regierenden?
Warum verurteilen die Politiker den Protest der Pegida und
grenzen ihn aus, haben aber zugleich für dessen Anliegen
Verständnis und entnehmen ihm entsprechend dringlichen
Handlungsbedarf in Sachen Ausländerpolitik?
Was ist von einer Kritik zu halten, die Pegida alternative
Werte und Pflichten entgegenhält, die sich für gute Deutscheviel
besser ziemen würden? Geht es eigentlich in Ordnung, als
Repräsentant eines vorgestellten besseren Deutschlands
demonstrativ für die Güte eines Gemeinwesens einzutreten, das mit
all seinen politischen Berechnungen und Maßnahmen und den
gültigen ökonomischen Interessen dem vorstellig gemachten
Bild einer guten, für alle wohnlichen Heimat laufend Hohn
spricht?
Unsere Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Redakteuren der
Zeitschrift GegenStandpunkt soll Antworten hierzu liefern.
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