Der Krisenfall Griechenland: Vom Euro ruiniert – um Euro-Kredit kämpfend – am Euro-Regime scheiternd - Ein Lehrstück über Kredit und Macht in Europa
2 Stunden 23 Minuten
Podcast
Podcaster
Beschreibung
vor 10 Jahren
Seit dem Wahlsieg der linken Syriza eskaliert der Streit um die
„Rettung Griechenlands“. Der dreht sich, so heißt es, vor allem
um die Frage, wie die „wirtschaftliche Konsolidierung“ dieses
südeuropäischen Landes am besten zu erreichen sei: Eher durch
„Haushaltskonsolidierung“, also gnadenloses Zusammenstreichen von
allen als überflüssig definierten Staatsausgaben insbesondere für
den Unterhalt des Volkes? Oder doch eher durch „kreditfinanzierte
Wachstumsanreize“, also eine Politik, die für den Dienst des
Volkes am Wachstum sorgen soll? Eigentliches Sorgeobjekt der
Politik, so heißt es weiter, seien die „kleinen Leute“: Wo die
griechische Regierung darauf verweist, dass griechische
Angestellte, Rentner, Arbeitslose, Kranke... schon jetzt Opfer
bis weit über jede Schmerzgrenze hinaus erbracht hätten, da
zitiert z.B. Schäuble den hart arbeitenden deutschen
Steuerzahler, der bereits vor Jahren die scharfen Einschnitte als
notwendig eingesehen habe, die man darum jetzt auch von den
Griechen erwarten dürfe.
Ob nun Objekt ernster Sorge oder bloßer Berufungstitel:
Gestritten wird jedenfalls zwischen den Regierungen nicht um die
Ansprüche des jeweiligen Volks, sondern die der Regierungen, um
deren ökonomische Mittel und Anrechte – und über die gibt der
Streit damit ein paar bemerkenswerte Auskünfte:
– über den Kredit, um den sie streiten
Die Schäuble-Fraktion besteht mit ihrer Forderung nach
ausschließlicher Verwendung europäischer Kredite zur
Schuldenbedienung und nach gleichzeitiger Streichung aller
„unproduktiven“ griechischen Ausgaben darauf: Kredit
ist ein ökonomisches Unterwerfungsverhältnis. Weil
sich Geldwirtschaft und Staat des Kredits bedienen, hat das
nationale Geschäftswachstum und der Staat mit seinen Schulden
auch den Rechnungen der Krediteure zu genügen, nur so und nur
dafür vergeben sie ihn. Alles produktive Treiben der Gesellschaft
ist dem mit Rechtsgewalt verbürgten Geldvermehrungsinteresse des
kreditgebenden Finanzkapitals untergeordnet. Kredit ist kein
universell einsetzbares Mittel für beliebige Zwecke, sondern für
das Wachstum des Kapitals, dem das gesellschaftliche Leben dient
– oder es hat sein Lebensrecht verloren. Und das anerkennt die
Tsipras-Mannschaft auf ihre Weise auch, wenn sie die Sache
umgekehrt buchstabiert und um neuen Kredit als unbedingt nötiges
nationales Lebens- und Wachstumsmittel streitet. Dann – nur dann
– verspricht sie ja, dass auch ihr Dienst für die „Geldgeber“,
also deren Zweck wieder gelingen kann.
– über ihr ganzes famoses „Projekt Europa“
Im laufenden Streit um Griechenland und seine Pleite fordert
Schäuble allen voran im Namen der Euro-Gemeinschaft, dass
Griechenland seine Schulden gefälligst weiter zu bedienen hat,
damit der Euro stark bleibt, den nicht Griechenland, sondern
Deutschland, d.h. mit dem sein Kapital so prima nicht zuletzt an
Griechenland verdient hat und noch verdient. Syriza umgekehrt
ruft in Richtung Troika: „finanzpolitisches Waterboarding!“,
fordert von der Gemeinschaft mehr Euro-Kredit, damit das Land
wieder geschäftsfähig wird, und verweist darauf, dass die anderen
Euro-Staaten einen griechischen Exitus finanzpolitisch selber
nicht aushalten, weil der den Euro gefährdet. So führen die
lieben europäischen Partner vor, was der feine Euro-Club mit
seinem Gemeinschaftsgeld ist, in dem Griechenland Mitglied ist
und gerne bleiben will: Europa ist
institutionalisierte Standortkonkurrenz. Die
Euro-Nationen wirtschaften mit einem Geld, aber sie konkurrieren
dabei um das gemeinsame Geld, um Euro-Kredit, der das
Lebensmittel ihrer Marktwirtschaften ist und sein soll, erbittert
gegeneinander. Sie brauchen und gebrauchen den Kredit dafür, sich
in dieser Konkurrenz zu erfolgreichen Geschäftsstandorten zu
machen, um Geldreichtum bei sich zu akkumulieren. Und da scheiden
sich Gewinner und Verlierer daran, wer mit seinen Erfolgen in
dieser Konkurrenz den Zuspruch der Finanzmärkte genießt, und wer
nicht. Griechenland jedenfalls nicht! Das Urteil fällen nicht
bloß die Finanzmärkte, das unterschreiben und exekutieren die
politischen Herren über den Euro-Kredit. Die deutschen Politiker
bestehen als Konkurrenzsieger darauf, dass Griechenland als
Verlierer für seine Schulden einsteht und sich wieder „für den
europäischen Wettbewerb fitmacht“, das heißt alles
zusammenstreicht, was sich an Griechenland nicht lohnt. Ihre
Konkurrenzerfolge und ihre Euro-Kreditmacht dürfen mit dem Ruin
von Konkurrenzverlierern einfach nicht Schaden leiden. Und mit
dem ökonomischen Erfolg haben sie im gemeinschaftlichen Euro auch
das politökonomische Machtmittel, das in ihrer 'Gemeinschaft' als
gültige ökonomische 'Vernunft' durchzusetzen.
– über die Rolle ihre Völker, auf die sie sich so
gern berufen
Wenn die deutsche Politik stolz auf die von ihr – abwechselnd in
Rot-Grün-Schwarz-Gelb – gesetzlich erzwungenen Leistungen der
Deutschen beim Arbeiten für immer weniger Geld als Grund für
deutsche Wirtschaftserfolge verweist; wenn die griechische
Politik zu bedenken gibt, dass ein ruiniertes Volk auch in
Zukunft für keinen Wirtschaftsaufschwung mehr zu gebrauchen ist –
dann geben konservative wie linke Euro-Politiker zu
verstehen: „Die Menschen“ sind dafür da, dass die
kapitalistischen Rechnungen mit ihnen
vorankommen. Sie haben sich in Fabriken, Büros und
sonstwo nützlich dafür zu machen, dass mit ihren Arbeitsdiensten
möglichst viel Geld verdient wird. Darum ist ihr wichtigster
Dienst über alle Konjunkturen und Krisen hinweg, in allen großen
und kleinen Standorten immer der eine: Sie haben billig zu sein,
ihr Lebensunterhalt hat sich entsprechend zu beschränken,
verschwenderisch dürfen sie ja schon beim Arbeiten genug sein. So
ist ihre Armut nützlich – gerade in den Gewinner-Nationen
Europas. Und nach der gleichen Logik kennt ihre Verarmung
überhaupt keine Grenzen mehr, wenn sich die Armut als unnütz
erweist, weil das nationale Kapital – wie in Griechenland – sie
wegen seiner Konkurrenzniederlagen nicht zu nutzen versteht. Und
wenn die griechische Regierung darum kämpft, Land und Volk
irgendwie lebensfähig zu halten, um die wieder produktiv zu
machen, dann heißt es aus der europäischen Zentrale, dass sich
Griechenland das bisherige Leben des Volkes nach den
Erfolgsmaßstäben des Euro-Kapitals und -Kredits endgültig nicht
mehr leisten kann. So streiten beide Seiten um den nationalen
Nutzen ihrer Massen.
Es scheint, dass sich die europäischen Massen das alles
eigentlich nicht leisten können.
Veranstalter: Sozialistische Gruppe
Der Link zur Aufnahme bei der Sozialistischen Gruppe ist
hier.
Weitere Episoden
2 Stunden 25 Minuten
vor 2 Monaten
1 Stunde 48 Minuten
vor 6 Monaten
2 Stunden 31 Minuten
vor 1 Jahr
2 Stunden 5 Minuten
vor 2 Jahren
2 Stunden 28 Minuten
vor 2 Jahren
In Podcasts werben
Kommentare (0)