Von den tatsächlichen und eingebildeten Leistungen von Konsum und Konsumkritik
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Beschreibung
vor 9 Jahren
Da ist sich jeder sicher: Wir leben grundsätzlich in einer „ “
und alles Produzieren hat seinen letzten Grund im Konsum. Auch
wenn die Unterscheidung zwischen Kaufhäusern und Discountern,
Anbietern und Billiganbietern oder Tourismus und
low-budget-Reisen Zweifel an der Behauptung weckt. Denn
unterscheiden sich bekanntermaßen gerade in ihrem
Preis-Leistungs-Verhältnis und das heißt nichts weniger, als dass
der Genuss des Wohlstands eine relative Sache ist.
Wenn trotzdem darauf bestanden wird, dass das Ziel allen
Wirtschaftens der Konsum ist, warum gehört dann zur beständigen
Verbesserung des geschätzten Konsumklimas nie eine saftige
Lohnerhöhung? Warum gilt dann beim Argumentieren für einen
höheren Lohn nicht einfach das Bedürfnis des Konsumenten, sondern
der Konsum immer nur in seiner Funktion als Wachstumsmotor?
Und dann hat die „Wohlstandsgesellschaft” auch noch einen weithin
anerkannten Herrscher: König Kunde.
Dessen Bedürfnisse bestimmen, so die Vorstellung, was hierzulande
auf den Tisch kommt oder auch nicht. Ein bisschen machtlos könnte
sich ihre Hoheit aber schon vorkommen: Denn warum bemisst sich
ihre Macht eigentlich am Inhalt ihres Geldbeutels, dessen
Füllhöhe sich bestimmt nicht nach ihrem Bedarf richtet? Wie ist
es eigentlich um dieses Regiment bestellt, wenn es sich auf die
ihr von den Unternehmern Produkte beschränkt? Und warum können
die ihre Produkte leider nur dann bereitstellen, wenn sie dabei
auch Gewinne machen?
Auch die kritischen Geister erheben aus dieser Perspektive ihre
Stimme, wenn sie nicht mehr bloß Wohlstand entdecken mögen: Kann
man heute noch guten Gewissens einkaufen? Wie viel Kinderarbeit
enthalten billige T-Shirts? Wie viel CO2-Emission verursacht der
Rücktransport norddeutscher Krabben aus den Verarbeitungsstätten
in Nordafrika? Wie viele Tagelöhner werden auf sizilianischen
Plantagen mit Pestiziden vergiftet, die die Anwohner auch noch um
brauchbares Trinkwasser bringen? Ist man es sich nicht schuldig,
seine „Konsumentenmacht“ für konfliktfreie Wertschöpfungsketten
in Anschlag zu bringen? Soll man die Wegwerfgesellschaft nicht
boykottieren und ihr gar ein Schnippchen schlagen, indem man
Containern geht? Das sind die Fragen, bei denen der kritische
Konsument sich besinnt. Leider nicht auf Zweck und Charakter
einer Produktion, die so etwas hervorbringt, sondern auf seine
eingebildete Stellung als König Kunde, die kritisch
„Verantwortlichkeit“ heißt. Mit einem ethisch wertvollen
Einkaufszettel fühlt er sich weitgehend verantwortlich dafür und
will richten, was in Fabrik, Personalbüro und im Parlament nach
seiner Auffassung falsch gelaufen ist: Weil er per Einkauf „am
System“ beteiligt ist, hält er seinen Konsum für die Ursache
dieser Übel und will sie wiederum per Einkauf korrigieren. Das
ist praktisch wirkungslos und theoretisch ebenso verfehlt wie die
zitierten Varianten von Lob und Tadel an der
„Konsumgesellschaft“. Das verdient eine Begründung.
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