Streit um TTIP in Zeiten globaler Krisenkonkurrenz: Regierende Standortnationalisten zweifeln heftig an ihrer Freihandelskumpanei
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Beschreibung
vor 9 Jahren
Teilen deutsche Wirtschaftspolitiker, die für den profitablen
Absatz deutscher Dieselautos auf der ganzen Welt jeden
Umwelt-Beschiss ihrer Vorzeige-Konzerne mitmachen, auf einmal die
Befürchtungen, TTIP sei schlecht für die Umwelt? Wohl kaum!
Haben französische und deutsche Staatsleute nun Bedenken gegen
TTIP wegen Verschlechterungen bei den Schutzstandards für
lohnabhängig Beschäftigte – obwohl der französische Staat die
nationale Krise mit einem Großangriff auf die soziale Lage der
arbeitenden wie arbeitslosen Franzosen bekämpft und deutsche
Politiker solche radikalen „Spar-“ und „Reformprogramme“ seit
Jahr und Tag für ganz Europa fordern? Wer soll das glauben?
Wenn jetzt führende Politiker in Europa und den USA gegen TTIP
hetzen, dann kalkulieren sie anders, als sie es bisher getan
haben. Der Standpunkt, von dem aus sie kalkulieren und an dem
sich jeder Protest von unten noch stets die Zähne ausgebissen
hat, ist ein und derselbe. Es ist der überall regierende
Standpunkt, dass die nationalen Kapitale wachsen müssen –
unbedingt. TTIP sollte dafür die Wunderwaffe sein.
Mehr Kapitalwachstum durch mehr grenzüberschreitende Freiheit
beim Handeln und Investieren. Darum ist TTIP ehrlicherweise noch
nie damit angepriesen worden, mit ihm würden Löhne und Gehälter
steigen, überhaupt die Lebensverhältnisse der Menschen angenehmer
oder sauberer –darum ging es ja auch nie. Immer war klar, dass
mehr Kapitalfreiheit vor allem mehr Konkurrenz zwischen den
Firmen bedeutet, die dafür ihr Personal auf wachsende Leistung zu
sinkenden Kosten trimmen; und mehr Konkurrenz zwischen den
Staaten, die ihren Völkern per Dauer-„Reformen“ Druck aufs
nationale Lohnniveau bescheren. Weil und solange diese
Standortpolitiker entfesselte Konkurrenz mit mehr
transatlantischem Wachstum gleichgesetzt haben, von dem sie für
ihre Nation möglichst große Teile sichern wollten, war für sie
auch klar: Wenn Umwelt-, Sozial- und sonstige Standards dabei
Konkurrenzhemmnisse, also Wachstumshemmnisse sind, gehören sie
weg – eine schöne Auskunft aus berufenem Munde darüber, was diese
Standards tatsächlich immer schon in erster Linie sichern
sollten.
Wegen der weltweiten Wachstumskrise des Kapitals zweifelt dieser
politische Standpunkt am nationalen Nutzen der TTIP-Kooperation
mit den transatlantischen Konkurrenten. Mehr transatlantisch
vereinbarte Kapitalfreiheit erscheint vielen von den gleichen
Politikern jetzt nicht mehr als das Mittel für mehr Wachstum.
Ihre unversöhnlichen Positionen im Streit um TTIP machen
deutlich, dass das mit dem Projekt von beiden anvisierte Wachstum
für ihre nationalen Kapitale nicht als Anteil an einem
transatlantischen Gesamtwachstum zu haben ist, sondern nur noch
durch das Wegnehmen und die nationale Monopolisierung von
Geschäftsgelegenheiten, durch das Abwälzen von Krisenfolgen auf
die anderen. Darum geraten die Verhandlungen so unversöhnlich;
darum kommt die geplante imperialistische Kumpanei, die sich
erklärtermaßen auch gegen Dritte richtet, neuerdings auf beiden
Seiten des Atlantiks in den Ruf, den Verzicht auf die
unverzichtbaren nationalen Waffen für die ruinöse
Krisenkonkurrenz zu besiegeln. Und in der für die gewöhnlichen
Leute erst recht nichts anderes vorgesehen ist, als maximale
Dienstbereitschaft zu minimalen Kosten.
West- und ostatlantische Führer sind entschlossen, die
Krisenkonkurrenz zum Nutzen der eigenen, also zum Schaden der
anderen Nationen zu bestehen. Darum kommt es ihnen auf
Durchsetzung gegen die anderen an, also auf die an nichts
relativierte Souveränität ihrer Macht. Jede ökonomische
Nutzen-Schaden-Rechnung überführen sie deshalb in die
Gretchenfrage, wer sich von wem überhaupt Bedingungen gefallen
lassen muss, wer wem generellen Respekt und Entgegenkommen
abringen kann: Erkennt Europa endlich ohne Abstriche die
Führungsmacht der USA an – fragen die Amerikaner. Erweisen die
USA der EU endlich wirklichen Respekt auf Augenhöhe – fragen die
Europäer. Ihre ökonomische Abhängigkeit voneinander bringt alle
immer weniger auf berechnende Kooperation und immer mehr auf ein
Kräftemessen gegeneinander, das sich pur um Über- oder
Unterordnung dreht.
Ihre Völker ermuntern die Mächtigen nach Kräften dazu, ihnen
Daumen zu drücken dafür, dass sie sich in diesem Kampf
durchsetzen, für den die Leute – so oder so – ausschließlich in
der Rolle der möglichst billigen Manövriermasse verplant sind.
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