83. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 362, K08

83. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 362, K08

Redundanz bedeutet im Rechtssystem: Um eine neue …
2 Stunden 8 Minuten
Podcast
Podcaster
Ulrike Sumfleth und Joachim Feltkamp sind Luhmani…

Beschreibung

vor 1 Jahr
Redundanz bedeutet im Rechtssystem: Um eine neue Information
einzuordnen, bezieht man sich auf schon vorliegende Informationen.
Diese sind schriftlich in Texten fixiert und schränken den
Auswahlbereich dessen, was daran angeschlossen werden kann, ein.
Doch der Text muss ja noch interpretiert und in Bezug zum aktuellen
Fall gesetzt werden. Und wer interpretiert, muss antizipieren, ob
die Auslegung auch für andere Kommunikationsteilnehmer überzeugend
sein wird. Interpretation ist damit ein soziales Verhalten.
Ausgewählt werden Unterscheidungen, die auch für andere
Kommunikationsteilnehmer überzeugend sein sollen. Wie andere
Teilnehmer dann tatsächlich daran anknüpfen, ist nicht zweifelsfrei
vorhersehbar. Das heißt: Solange die Diskussion darum kreist, wie
ein Text zu interpretieren ist, konstituiert der Text für die
Beteiligten ein soziales Medium. Jeder Sachverhalt, der entschieden
wird, bildet eine Kommunikationsepisode. Dabei ist die Auswahl der
Begriffe, mit denen ein Argument begründet wird, kontingent. Das
heißt: Es könnte auch anders ausgewählt werden. Hermeneutik,
Dialektik und Rhetorik gingen noch davon aus, ein „Subjekt“ könne
„objektiv“ die „Wahrheit“ erkennen. Die Theorie sozialer Systeme
geht jedoch davon aus, dass jede Beobachtung eine Konstruktion
eines Beobachters ist. Sie kann nur mit Begriffen geschildert wird,
deren Auswahl kontingent ist. Eine Besonderheit des Rechts besteht
darin, dass jeder Fall entschieden werden muss
(Justizverweigerungsverbot). Darum ist auch die Argumentation
entscheidungsgetrieben. Sie bezieht sich laufend auf Entscheidungen
anderer. Man orientiert sich an der im Fachgebiet „vorherrschenden
Meinung“, verfolgt Entscheidungen anderer Gerichte und beurteilt
Präzedenzentscheidungen entlang der Frage, welche
Entscheidungsregeln ihnen zugrunde gelegt wurden. Je nachdem, ob
der Sachverhalt im aktuellen Fall gleich/ungleich ist, ist dann zu
entscheiden, ob dieselbe Regel wieder anwendbar ist oder nicht.
Immer geht es darum, einerseits universelle Entscheidungsgründe zu
finden, die künftig auf gleiche Fälle desselben Typs angewendet
werden können. Und andererseits spezifische Entscheidungsgründe,
die sich aus der Besonderheit des Falls ergeben. Die Argumentation
bereitet die finale Entscheidung dabei „nur“ vor. Sie selbst
produziert noch kein geltendes Recht. Ihre Funktion ist es, den
Auswahlbereich von final zu treffenden Entscheidungen
einzuschränken. Wir finden also eine Doppelstruktur vor: geltende
Texte und argumentative Begründungen. Die Argumentation bezieht
sich redundant auf normativ anzuwendende Regeln und Prinzipien. Sie
selbst ist aber kein normativer Prozess. Im Gegenteil. Nur wenn die
Argumentation auch Enttäuschungen produziert, aus denen sich etwas
lernen lässt, können normative Regeln und Prinzipien formuliert
werden, auf die sich zukünftige Argumentationen beziehen können.
Erst auf diese Weise entsteht eine Rechtsdogmatik, die sich selbst
als Rechtsquelle behandeln kann. Gründe werden bei der
Interpretation als „gute“ Gründe dargestellt. Es wird so logisch
und so „objektiv“ wie möglich begründet. Im Ergebnis erscheint
Argumentation als Kondensat aus geprüften „guten“ Gründen – eben
als das, was man „Institution“ nennen kann. Die Theorie sozialer
Systeme weist jedoch darauf hin, dass es keine Letztbegründung für
Gründe geben kann. Auch die Vernunft kann sich nur mit sich selbst
begründen (Tautologie). Vollständiger Text auf luhmaniac.de

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15