What the f*ck? Warum ist Barrierefreiheit nicht Grundrecht, sondern in der Mobilität nice to have? Drei Menschen erzählen.

What the f*ck? Warum ist Barrierefreiheit nicht Grundrecht, sondern in der Mobilität nice to have? Drei Menschen erzählen.

Ein erkenntnisreicher, z. T. berechtigt wütender Talk mit Katrin Langensiepen und Kay Macquarrie, die engagiert für selbstbestimmte, weil barrierefreie öffentliche Mobilität kämpfen, und mit Markus, der durch seine Behinderung auf ein Auto angewiesen ist.
1 Stunde 12 Minuten
Podcast
Podcaster
On the way to new mobility: Katja Diehl spricht alle 14 Tage mit Gästen über Mobilität statt Verkehr, Diversität, New Work, Inklusion, kindergerechte Stadt und das Mobilisieren auf dem Land.

Beschreibung

vor 1 Jahr
"Schuld" an dieser Folge von She Drives Mobility ist Markus, der
sich per Mail gemeldet hat, weil er nirgendwo mit seinem Anliegen
Gehör fand, dass er Angst hat, durch die Autobefreiung von Städten
weniger Mobilität zu haben. Wir haben telefoniert und uns
ausgetauscht. Denn ich finde sein Anliegen wichtig! Aber es birgt
die Gefahr, dass statusquoliebende Kräfte es ähnlich wie die
Krankenpflegerin, die zur Arbeit kommen muss, und der ländliche
Raum, der vom Auto abhängig bleiben soll, als Ausrede nutzen, gar
nichts zu tun. Denn Markus - das wird er euch in der Folge noch
genauer erklären - hat eine Erkrankung, aufgrund derer er nicht
mehr als 50 Meter laufen kann. Er ist auf das Auto angewiesen und
hat berechtigtes Interesse daran, dass es weiterhin Parkplätze vor
z. B. Arztpraxen für ihn gibt. Denn irritierenderweise hat er
bisher noch keinen Parkausweis für Behinderte erhalten, weil diese
ziemlich kompliziert in der Bewertung von Berechtigungen sind.
Deswegen ist seine Sprachspur auch etwas verzerrt, er schaltete
sich per Telefon dazu, weil er liegen muss. Und damit kommen wir
auch schon direkt hinein ins Thema: Nicht alle Behinderungen sind
sichtbar, nicht alle wollen ihre Bedürfnisse an Mobilität immer
"outen" müssen. Der Wunsch, einfach selbstbestimmt unterwegs zu
sein, ist damit viel zu vielen nicht erfüllt. Gerade auch, wenn sie
öffentlich mobil sein wollen. Zweiter Gast in der Folge ist Katrin
Langensiepen. Seit 2019 vertritt sie Niedersachsen und Bremen im
Europaparlament als Sozialpolitische Sprecherin für Greens/EFA und
eine der wenigen Europaabgeordneten mit sichtbarer Behinderung. Die
Europäische Kommission hat eine EU-Strategie zugunsten von Menschen
mit Behinderungen für die Zeit von 2021 bis 2030. Besonders
interessant ist hier das Vorhaben, bis 2023 einen
EU-Behindertenausweis auf den Weg zu bringen, der in allen
EU-Mitgliedstaaten gelten soll. Unfassbar, dass es diesen noch
nicht gibt, denn so gelten für behinderte EU-Bürger:innen
verschiedene Rechte und Teilhabemöglichkeiten. Katrin sagt:
"Barrierefreiheit ist die Basis für Teilhabe." Und spricht hier
auch über das neue EU-Zentrum für Barrierefreiheit, das diese
Missstände umfänglich aufarbeiten soll. Was auch viel darüber
aussagt, dass die "eigentlich" gesetzlich europaweit verbindliche
Barrierefreiheit ein Papiertiger und nicht einklagbar ist. Und
damit kommen wir zum dritten Gesprächspartner: Kay Macquarrie. Er
ist seit 20 Jahren mit dem Rollstuhl unterwegs und steigt direkt
ein: Warum wird 2023 noch Zugmaterial gekauft, das erneut Stufen
hat? Er hat das Gefühl, dass das umfängliche System, das geschaffen
wurde, um Rollstuhlfahrenden das Reisen zu ermöglichen, künstlich
am Leben gehalten wird, anstatt mehr Barrierefreiheit zu wagen.
Defekte Aufzüge, Hublifte fehlen, kein Personal für die Lifte,
obwohl es zugesagt wurde, kaputte Toiletten, die eine Mitfahrt für
Rollstuhlfahrende unmöglich machen – im Rollstuhl unterwegs zu
sein, bedeutet in Deutschland vor allem, von den Systemen
öffentlicher Mobilität behindert und eingeschränkt zu werden. Pro
Fernzug gibt es normalerweise nur einen Waggon mit barrierefreier
Toilette, wenn diese kaputt ist, ist Mitfahrt untersagt, und genau
zwei Plätze für Roll­stuhl­fah­re­r:in­nen. Und ihr alle wisst, wie
lang so ein ICE ist. Kay muss zudem seine Fahrt am besten zwei Tage
vorher anmelden. Spontanes Reisen ist für ihn damit unmöglich, weil
das System ihn seit Jahrzehnten nicht mitdenkt. Zudem: Die Bahn
kann eine Beförderung im gewünschten Zug auch ablehnen. Hört euch
bitte diese Folge an und "schlaut euch auf", wie sehr die gesunde
Gesellschaft die Behinderten behindert. Und denkt immer mit: Das
Auto ist hier nicht die Lösung, weil sich das nicht alle leisten
können und wollen. Barrierefreiheit "global" - also nicht nur in
Bezug auf Rollstuhl - kommt zudem allen zugute, spätestens dann,
wenn wir alt, hochschwanger, mit Kinderwagen oder viel Gepäck
unterwegs sind. The future is accessible - because the present is
not.

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