34. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 159 K03

34. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 159 K03

So wenig wie Verhaltenssteuerung die soziale Funk…
1 Stunde 14 Minuten
Podcast
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Ulrike Sumfleth und Joachim Feltkamp sind Luhmani…

Beschreibung

vor 3 Jahren
So wenig wie Verhaltenssteuerung die soziale Funktion des Rechts
ist, verhält es sich mit der Konfliktregulierung: Beides ist nur
eine Leistung. Das Recht kann ohnehin nur rechtlich konstruierbare
Konflikte um das Recht lösen. Psychische Motive oder die Frage, wer
einen Streit angefangen hat, bevor er zum Rechtsstreit wurde,
bleiben unberücksichtigt. Dass ein Konflikt zum Rechtskonflikt
wird, ist die Ausnahme. Nicht rechtsrelevante Konflikte, die durch
ein Verfahren und das Urteil nicht erfasst werden, sind
entsprechend auch nicht durch Recht kontrollierbar. Sie existieren
einfach weiter. Das Recht kann nicht über den Gegenstand des
Rechtsstreites hinaus regeln, ob z.B. eine Beziehung in der Familie
oder am Arbeitsplatz fortgesetzt werden soll und wie. Oft beendet
eine rechtliche Konfliktlösung die soziale Beziehung. Funktion und
Leistung unterscheiden sich auch dadurch, dass sich die Funktion
(kontrafaktische Stabilisierung von Verhaltenserwartungen) auf die
Gesamtgesellschaft bezieht und es für sie kein Äquivalent gibt. Für
Leistungen gibt es hingegen viele Äquivalente auch in anderen
Funktionssystemen: z.B. Schlichtung, Mediation oder Paartherapie.
Solche Konfliktlösungen können ein gewünschtes Verhalten punktuell
zwar steuern bzw. Anreize dafür liefern. Das ersetzt jedoch nicht
die gesellschaftliche Funktion. Recht bleibt immer die
Reservewährung. Sie wird eingesetzt, wenn Argumente nicht reichen,
um einen Konsens zu finden. Die Ausdifferenzierung als autonomes
Funktionssystem ist Voraussetzung dafür, dass überhaupt zwischen
Funktion und Leistung unterschieden werden kann. Bei historischen
Rechtsvergleichen muss die Differenzierungsform der Gesellschaft
mitbeachtet werden. In der segmentären Gesellschaft (differenziert
nach Familien, Stämmen, Clans) und in der stratifizierten
Gesellschaft (differenziert nach Adel/Volk) war die Ausgangslage,
auf der Recht und politische Macht operieren konnten, grundlegend
verschieden. Da die Gesellschaft sowohl die Funktion als auch die
Leistungen des Rechts genießt, wirkt das Recht auf
gesellschaftliche Konflikte wie ein Immunsystem auf einen
Virenangriff. Der Vergleich ist keine bloße Methapher. Er bezieht
sich auf die Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela, die
als erste die Autopoiesis (Selbstreproduktion) von Zellen
erforschten und deren Erkenntnisse Luhmann auf Kommunikation
übertrug. Der Konflikt ist gleichsam der Virusangriff aus der
Umwelt auf das Gesellschaftssystem, worauf das Recht sinnvolle
Abwehrmechanismen jeweils erst entwickeln muss. Konflikt und Virus
sind kontingente Phänomene, nie vorhersehbar. Die jeweilige Antwort
muss immer neu gefunden werden. Dies geschieht auf der Basis von
Kommunikation, die wiederum wie Zellen evoluieren. Der neue Fall
ist die Variation, die einen Unterschied macht. Die Entscheidung,
wie damit umgegangen wird, ist die Selektion. Das Ergebnis ist die
Restabilisierung des Systems. Sollte sich ein ähnlicher Konflikt
wiederholen, hätte man immerhin einen Präzedenzfall („Immunkräfte“)
bereits vorliegen. Einmal ausdifferenziert, bewährt sich ein
Funktionssystem selbst, im Sinne von bewahren. Es stabilisiert sich
an sich selbst. Dass die funktionale Ausdifferenzierung zur
modernen Gesellschaft im 12./13. Jh. in Europa und nicht z.B. in
China ihren Anfang nahm, geht auf das römische Zivilrecht zurück.
Mit ihm hatten sich rechtliche Normen bereits als
Alltagsbestandteil bewährt. Das wiederum begünstigte die
Ausdifferenzierung anderer Systeme wie der Politik, da man dank der
Rechtkultur stabile Erwartungen in die Sozialordnung hineinbauen
konnte.

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