64. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 286, K06, III

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Wohin führt Evolution? Wie soll man das, was durc…
1 Stunde 24 Minuten
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Ulrike Sumfleth und Joachim Feltkamp sind Luhmani…

Beschreibung

vor 1 Jahr
Wohin führt Evolution? Wie soll man das, was durch sie entsteht,
bezeichnen? Diese Frage wird seit dem 18. Jh. unter dem Begriff des
Fortschritts diskutiert. Bis heute ist „Fortschritt“ ein beliebtes
Mindset, um Veränderung zu beschreiben. So steht der
Koalitionsvertrag der deutschen Bundesregierung von 2021 unter dem
Titel: „Mehr Fortschritt wagen“. Luhmanns Evolutionstheorie
verzichtet auf die Aussage, dass Evolution zu Fortschritt führen
würde. Der Grund ist: Fortschritt impliziert eine Bewertung, nach
der Evolution erstrebenswert und planbar wäre. Man müsste demnach
nur anstreben, das Bestehende zu verbessern, z.B. durch Technik,
Arbeitsteilung oder Spezialisierung. Die Evolution kennt jedoch
keine Motive. Sie kann auch destruktiv sein und Systeme zerstören.
Darum gehören auch die Begriffe „Zivilisation“ und „Geist“, wie sie
im 18./19. Jh. diskutiert wurden, nicht in den Baukasten einer
Evolutionstheorie. Sie verlängern die Annahme eines Fortschritts in
Richtung auf eine durch vernünftiges Handeln verbesserbare Ordnung.
Es liegt ein Wünschen darin, der Versuch einer Sinngebung. Wobei
der „menschliche Geist“ dann auch noch die „Seele“ umfasst und dem
göttlich geprägten Weltbild entstammt. Die Frage ist außerdem:
Fortschritt wovon? Frühere Evolutionstheorien setzten
Errungenschaften als gegeben voraus, die erst durch Evolution
entstanden sind. Z.B.: Eigentum, Schrift, Vertrag, Rechtsverfahren.
Nicht zuletzt wurde der Fortschrittsgedanke stark durch die
Industrialisierung und von ökonomischen Zielsetzungen geprägt. Das
zwingt zu einem neuen Ansatz: Entweder man ersetzt „Fortschritt“
durch einen genaueren Begriff. Oder man verzichtet darauf,
überhaupt beschreiben und klassifizieren zu wollen, welche Art von
Ordnung durch Evolution entsteht. Die Theorie sozialer Systeme
bietet präzisere Instrumente, indem sie stärker abstrahiert.
Ausgangspunkt ist die einfache Aussage, dass Evolution die Bildung
komplexer Systeme ermöglicht. In diesen Systemen und neben ihnen
haben dann auch einfacher strukturierte Systeme eine Chance zu
überleben. Ein Ziel, auf das alles hinausläuft (télos), existiert
nicht. Die Evolution ermöglicht die Formentstehung von Systemen,
die sich auch bei hoher struktureller Komplexität reproduzieren
können – mit einer hohen Anzahl an verschiedenartigen Operationen
(Varietät). Das setzt voraus, dass sie intern in der Lage sind,
systemrelevante Informationen von nicht systemrelevanten
Informationen zu diskriminieren. Im Recht also: rechtsrelevante
Kommunikation von nicht rechtsrelevanter Kommunikation
abzuscheiden. Durch diese Operationsweise entsteht ungewollt höhere
Komplexität. Bewältigt werden kann sie nur, indem das System
abermals die Komplexität seiner Operationsweisen erhöht. Auf diese
Weise reagiert die Evolution auf ihr eigenes Ergebnis. Erhöhte
Anpassungschancen lassen sich daraus nicht eindeutig ableiten.
Entscheidend ist, ob das System die zunehmende Komplexität
bewältigen kann. Ein nicht mehr zu bewältigendes Übermaß an
Komplexität kann die Autopoiesis auch zum Erliegen bringen. Soziale
Systeme, die durch Kommunikation operieren, können untergehen. Die
Aussage an sich aber, dass Evolution höhere Komplexität in und
zwischen Systemen ermöglicht, kann als unbestreitbares Faktum
angesehen werden. Ein einfacher Beleg dafür ist, dass das Recht
heute sehr viel komplexer ist als in der segmentären und in der
stratifizierten Gesellschaft. Im Rückblick ist beobachtbar, dass
die Evolution Unwahrscheinlichkeiten überwindet. Feststellbar ist
dies als Grad der Abweichung vom Ausgangszustand. Vollständiger
Text auf luhmaniac.de

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