Lebensqualität von heimbeatmeten Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS) und ihren Angehörigen

Lebensqualität von heimbeatmeten Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS) und ihren Angehörigen

Beschreibung

vor 17 Jahren
Im Verlauf der Amyotrophen Lateralsklerose kommt es zu einer
Beteiligung der gesamten Willkürmuskulatur, d.h. auch die
Atemmuskulatur wird davon betroffen, so dass die dadurch
entstehende respiratorische Insuffizienz die häufigste Todesursache
bei ALS darstellt. Wann jedoch die ersten Symptome der
respiratorischen Insuffizienz auftreten, ist individuell sehr
unterschiedlich und kann, wenn auch nur in wenigen Fällen, wie u.a.
in dieser Studie gezeigt werden konnte, als erstes klinisch
relevantes Symptom zur Diagnosestellung führen. Die Symptome einer
respiratorischen Insuffizienz können aber auch lange vor dem Tod im
Verlauf der Erkrankung auftreten und die Lebensqualität deutlich
beeinträchtigen und somit eine Behandlung erfordern. Durch die
vielfältigen Ergebnisse dieser Studie konnte ein umfassender
Eindruck über die Situation von heimbeatmeten Patienten und ihren
Angehörigen in Deutschland gewonnen werden: 1. Die nicht-invasive
Beatmung über Maske, ein Instrument zur Symptomkontrolle und auch
Lebensverlängerung, wurde sowohl von Patienten und als auch deren
Angehörigen als eine gute Möglichkeit zur Behandlung der Symptome
einer respiratorischen Insuffizienz angenommen. Sowohl die
Patienten als auch die Angehörigen bewerteten ihre Lebensqualität
relativ hoch. 2. Die invasive Beatmung über Tracheostoma wurde
häufig im Rahmen einer Notfallsituation eingeleitet, ohne dass
Patienten und Angehörige in den Entscheidungsprozess miteinbezogen
wurden. Trotzdem zeigten die Patienten eine gute Lebensqualität in
der Untersuchung, jedoch zu Lasten einer deutlich höheren Belastung
der Angehörigen. 3. Sowohl Patienten als auch Angehörige beider
Gruppen (M+T) werteten die Möglichkeit in der gewohnten häuslichen
Umgebung leben zu können als Hauptvorteil der Heimbeatmung
4.Schulung der behandelnden Ärzte, rechtzeitige Aufklärung des
Patienten und seiner Angehörigen über die Terminalphase der
Erkrankung sowie der Einsatz von Patientenverfügung und
Vorsorgevollmacht erscheinen in Hinblick auf den zu erwartenden
Verlauf der Erkrankung und die damit verbundene Entwicklung einer
progredienten respiratorischen Insuffizienz dringend notwendig.
Somit könnte schrittweise eine dem Patientenwunsch entsprechende
Therapie erfolgen und entstehende Probleme, insbesondere in der
häuslichen Versorgung, bereits im Vorfeld ermittelt und ggf.
unterstützt werden. Eine invasive Beatmung über ein Tracheostoma
würde damit letztendlich nur bei Patienten in speziellen
Situationen bzw. Indikationen [ultima ratio] und eingehender
Diskussion zum Einsatz kommen und könnte dann auch eine gute
Symptomkontrolle und Lebensqualität bieten. 5. Abschließend zeigt
diese Studie aber auch, dass ein krankheits-spezifisches
Messinstrument zur Erfassung der Lebensqualität, nicht nur bei ALS,
sinnvoll erscheint. Insbesondere die Fokussierung auf die
körperlichen Probleme der Erkrankung scheint zu einer Verzerrung
der tat¬sächlichen Lebensqualität zu führen. Außerdem sollte bei
jeder Erkrankung, die zu einer Versorgung in der häuslichen
Umgebung führt, eine Mituntersuchung der pflegenden Angehörigen
unbedingt eingeplant werden. Nur dadurch kann ein realistisches
Bild der Situation der Erkrankten und ihrer Familien sowie der
Behandlungsmethoden und deren Nutzen erstellt werden. Die
vorgestellte Studie wirft noch unbeantwortete Fragen und Hypothesen
auf. So könnte angenommen werden, dass die Lebensqualität der
Familien, die den Fragebogen nicht beantwortet haben, geringer
einzuschätzen ist und eine Bewertung der Lebensqualität nach unter
beeinflussen würde. Ein weiterer Studienbedarf ist hier gegeben.
Ebenso scheint die insgesamt kleine Anzahl der Patienten in beiden
Gruppen ein Hinweis auf die auch in Deutschland und weltweit noch
geringe Verfügbarkeit der Heimbeatmung für ALS-Patienten zu sein.
Ferner sind die verwendeten validierten Fragebögen zur
Lebensqualität (POMS, MLDL, FKV) möglicherweise nicht sensitiv
genug, um einen Unterschied in kleinen Gruppen darzustellen.
Schließlich war diese Studie auf Patienten in Deutschland begrenzt,
die im Gegensatz zu Patienten, wie z.B. in den USA, eine gute
professionelle Unterstützung in der häuslichen Pflege erhalten
können. Dadurch eröffnen die Ergebnisse im internationalen
Vergleich eine erfreulicherweise positive Perspektive für
ALS-Patienten und ihre Angehörigen in Deutschland. Trotz all dieser
Kritikpunkte handelte es sich um die erste Studie, die einen
Vergleich der beiden Beatmungsarten und ihrer Wirkung auf die
Lebensqualität der Patienten und sie pflegenden Angehörigen
untersuchte. Eine Beschäftigung mit den noch offenen Fragen in
weiteren Studien erscheint sinnvoll.

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